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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/18/0295 E 11. Dezember 2007Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Besein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Dr. H G, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom 28. Juli 2004, Zl. Senat-MB-03-0054, betreffend Ersichtlichmachung einer Ausreise im Reisepass, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid, der in seinem Spruchpunkt I.3. unbekämpft geblieben ist, wird in seinen Spruchpunkten I.1., I.2., II. ad 1) und II. ad 3) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 27. November 2001, Zl. 98/18/0137, und vom 26. November 2003, Zl. 2003/18/0186, verwiesen.
2. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 28. Juli 2004 sprach die belangte Behörde über die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 20. Februar 1997 (nach mehreren Rechtsgängen) wie folgt ab:
"Spruch
I.
1.
Die Beschwerde wird - soweit sie sich auf § 88 Abs. 1 SPG stützt - gemäß § 67c Abs. 3 AVG zurückgewiesen.
2.
Soweit mit der Beschwerde ein Informationseingriff im Sinn des § 1 DSG (i.d.F. BGBl Nr. 565/1978) geltend gemacht wird, wird das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung der Datenschutzkommission ausgesetzt.
3.
Der Beschwerde wird - soweit sie sich auf § 88 Abs. 2 SPG stützt - gemäß § 67c Abs. 3 Folge gegeben und wird die Anbringung des 'Ausreisesichtvermerks' im Reisepass des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklärt.
II.
ad 1)
Gemäß § 79 AVG i.V.m. § 1 Z 4 UVS AufwandersatzVO 2003, BGBl II 334/2003 ist der Beschwerdeführer schuldig, der obsiegenden belangten Behörde den Schriftsatzaufwand in der Höhe von EUR 220,30 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
ad 3)
Gemäß § 79a AVG i.V.m. § 1 Z 1 AufwandersatzVO UVS, BGBl 1995/855 ist der Bund (der Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde schuldig, dem Beschwerdeführer die mit EUR 622,81 bestimmten, zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 20. Februar 1997 gegen die Anbringung eines "Ausreisesichtvermerks" in seinem Reisepass am 11. Jänner 1997 durch ein Grenzkontrollorgan am Grenzübergang (PKW) Berg, sohin gegen eine der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha zuzurechnende Amtshandlung bei der belangten Behörde gestützt auf "§ 88 (1) & (2) SPG" Beschwerde geführt. Durch diese Ersichtlichmachung seiner Ausreise habe er sich in seinen gemäß § 1 DSG, Art. 8 EMRK, Art. 1 1. ZPEMRK, Art. 5 StGG, Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 2 4. ZPEMRK und § 87 SPG gewährleisteten Rechten verletzt erachtet.
Gemäß § 88 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG würden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen erkennen, die behaupten würden, (Abs. 1) durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, oder (Abs. 2) auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheids erfolgt sei. Das im vorliegenden Fall in Beschwerde gezogene Verhalten des Grenzkontrollorgans (die Anbringung eines Stempelaufdrucks im Reisepass des Beschwerdeführers) sei jedenfalls dem zur Sicherheitsverwaltung zählenden Aufgabenkreis "Überwachung des Eintritts in das Bundesgebiet und des Austritts aus ihm" zuzuordnen.
In der Beschwerde sei unter anderem ausgeführt worden, dass der Anbringung des Vermerks kein Verwaltungsverfahren vorausgegangen wäre und es sich nicht um die Vollstreckung eines Bescheids oder einer gerichtlichen Entscheidung gehandelt hätte, weshalb eine Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vorläge, gegen die die Einbringung eines administrativen Rechtsmittels nicht in Frage käme. Auf dem Boden der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs sei Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine behauptete "faktische Amtshandlung" im Grund des § 88 Abs. 1 SPG, dass die Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Befolgungsanspruch vorliege. Weil dem gegenständlich als rechtswidrig bekämpften Organhandeln die Voraussetzungen einer sogenannten faktischen Amtshandlung fehlten, sei die Beschwerde - soweit sie sich auf § 88 Abs. 1 SPG stütze - gemäß § 67c Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen.
In dem Umfang, in dem mit der Beschwerde ein Informationseingriff iSd Datenschutzgesetzes (idF BGBl. Nr. 565/1978) geltend gemacht werde, sei eine Ausfertigung gemäß § 88 Abs. 6 (jetzt Abs. 5) SPG iVm § 14 Abs. 3 DSG der Datenschutzkommission zur Entscheidung vorzulegen gewesen und das diesbezügliche Verfahren so lange auszusetzen.
Für den verbleibenden Prüfungsumfang nach § 88 Abs. 2 SPG sei festzuhalten, dass im Grenzkontrollgesetz 1996, BGBl. Nr. 435 - anders als noch im § 9 lit. b des Grenzkontrollgesetzes 1969, BGBl. Nr. 423 - die Ersichtlichmachung des Grenzübertritts und damit die Anbringung eines Stempels im Reisepass nicht mehr vorgesehen sei. Deshalb sei der Beschwerdeführer in einem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, den erfolgten Grenzübertritt in seinem Reisepass nicht ersichtlich gemacht zu erhalten, verletzt worden. Soweit die Beschwerde auf § 88 Abs. 2 SPG gegründet gewesen sei, sei ihr daher Folge zu geben gewesen.
Als Berechnungsgrundlage für den Aufwandersatz bezüglich der Abweisung der Beschwerde im Grund des § 88 Abs. 1 SPG sei die zum Zeitpunkt der Stellung des (auf Abweisung der Beschwerde lautenden) Antrags der Erstbehörde in ihrem Schriftsatz vom 20. Juli 2004 geltende UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334, heranzuziehen gewesen.
Soweit der Beschwerde - mit Blick auf § 88 Abs. 2 SPG - Folge zu geben gewesen sei, sei als Grundlage für den Ersatz des Aufwands des Beschwerdeführers die zum Zeitpunkt seiner Antragstellung im Jahr 1997 geltende Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, heranzuziehen gewesen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn hinsichtlich der Spruchpunkte I.1. und I.2. sowie II. ad 1) und II. ad 3) aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der hg. Rechtsprechung hatte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die vorliegende Beschwerde nicht die Verletzung bestimmter Rechte festzustellen, sondern über die Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungsaktes an sich abzusprechen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2006, Zl. 2003/01/0502, und vom selben Tag, Zl. 2004/01/0308, mwH). Diese Entscheidung hat die belangte Behörde durch den in Spruchpunkt I.3 des angefochtenen Bescheids ersichtlichen Abspruch - den die Beschwerde unangefochten lässt - getroffen.
Vor diesem Hintergrund war aber im Beschwerdefall für die in den Spruchpunkten I.1 und I.3 (mit Blick auf bestimmte vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtsverletzungen) getroffenen Absprüche kein Raum. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Damit bestand für die belangte Behörde auch keine gesetzliche Grundlage dafür, den auf Spruchpunkt I.1 bezogenen Abspruch über den Aufwandersatz in Spruchpunkt II. ad 1) zu treffen, weshalb sich auch dieser Spruchpunkt als inhaltlich rechtswidrig erweist.
2. Was den - angefochtenen - Abspruch über den Aufwandersatz in Spruchpunkt II. ad 3) betrifft (der sich auf den unangefochtenen Spruchpunkt I.3. bezieht), macht die Beschwerde zu Recht geltend, dass die belangte Behörde bezüglich dieses Abspruchs jene Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze iSd § 79a Abs. 4 Z. 3 AVG anzuwenden hatte, die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids anzuwenden war. Eine gesetzliche Regelung für die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde, wonach es für den Umfang des Aufwandersatzes auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung anzuwendende Pauschalierungsverordnung ankomme, ist nicht ersichtlich. Die belangte Behörde hat somit auch insofern die Rechtslage verkannt.
3. Der angefochtene Bescheid war daher im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 11. Dezember 2007
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004180290.X00Im RIS seit
17.01.2008