Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §119;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der X-Bank in K, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Pirmoserstraße 15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 23. November 2005, Zl. RV/0151-I/05, betreffend Kapitalertragsteuer 1995 bis 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 und 1996 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Genossenschaft betreibt eine Bank.
Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der P.S. Privatstiftung - benannt nach dem (am 22. August 2000) verstorbenen P.S. - fanden die Prüfer eine von Rechtsanwalt Dr. A verfasste Aktennotiz vor, welche folgenden Inhalt aufweist:
"Am 21.08.2000 fand in den Räumlichkeiten des Herrn Direktor Werner R von der Beschwerdeführerin, eine Besprechung des
Stiftungsvorstandes und des Wirtschaftstreuhänders ... mit Herr
Direktor Werner R statt.
Im Zuge der Diskussion ergab sich für mich der absolute Eindruck, dass Herr Direktor Werner R mir Informationen geben wollte, die absolut vertraulich sind.
Ich hab daher die Herren ... darum gebeten, das Zimmer des
Herrn Direktor Werner R kurzfristig zu verlassen, um mich mit ihm unter vier Augen besprechen zu können.
Hierauf eröffnete er mir unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit, dass P.S. Inhaberpapiere (Kassenobligationen) um ATS 15 Mio. gekauft und, um die Quellensteuer zu umgehen, unter dem Namen Brian C bei ihm angelegt hat. In seinen (Werner R) Händen befindet sich auch das zugrunde liegende Sparbuch, auf dem die jeweiligen Zinsen gutgeschrieben werden. Diese Zinsen wurden bisher von P.S. stets behoben bzw. wurde über sie verfügt, dennoch weist das Sparbuch einen positiven Saldo auf.
Verfügungsberechtigt über die Wertpapiere ist der Inhaber, allerdings muss der Inhaber das Losungswort (das mir Direktor Werner R nicht mitteilte) kennen, um die Papiere einlösen zu können. Wo sich die Papiere befinden, wusste Herr Direktor Werner R nicht.
Im Zuge der weiteren Besprechung stellte sich heraus, dass der der Stiftung zugewendete Betrag von ATS 1 Mio. vom Sparbuch stammt.
Herr Direktor Werner R wird, falls von irgendeiner Seite, etwa von P.S. die Wertpapiere präsentiert werden, sich auf den Standpunkt stellen, dass er ohne Losungswort nicht auszahlen kann.
Nach Ermessen des Direktor Werner R stehen die Papiere nach den ihm von XX gegebenen Informationen der Stiftung zu, allerdings müsste die Stiftung in den Besitz der Wertpapiere gelangen und auch das Losungswort wissen."
Das Finanzamt erstattete daraufhin Anzeige gegen Werner R, den Direktor der Beschwerdeführerin, wegen des Verdachtes, dass dieser im Zusammenwirken mit P.S. eine Abgabenhinterziehung durch Unterlassung des Abzuges von Kapitalertragsteuer bewirkt habe.
Im Auftrag des Landesgerichtes wurde Werner R am 25. August 2004 vom Finanzamt als Beschuldigter einvernommen. Aus der Niederschrift über die Einvernahme ergibt sich ua:
"Antwort: Mitte der 90er Jahre - der genaue Zeitpunkt ist mir nicht mehr erinnerlich - erschien Herr P.S. mit seinem Stiefsohn, Herrn Brian C, bei mir in der Bank der Beschwerdeführerin und ersuchte mich darum, eine optimale Veranlagung für ATS 15 Mio. durchzuführen. Als Berechtigter für dieses Geld legalisierte sich Herr Brian C, , welcher nicht österreichischer Staatsbürger war, und unterfertigte diesbezüglich das vorgesehene Legitimationsprotokoll. Wie das Geld seinerzeit zur Bank der Beschwerdeführerin transferiert wurde, ist mir nicht mehr erinnerlich. Dies müsste sich vielleicht bei der Bank feststellen lassen. Die ATS 15 Mio. wurden in Kassenobligationen mit einer Laufzeit zwischen 5 oder 6 Jahren veranlagt, wobei die jährlich anfallenden Zinsen auf einem anonymen Sparbuch gutgeschrieben wurden.
Frage: Was führte Sie dazu, dem Stiftungsvorstand der von P.S. gegründeten Privatstiftung, Herrn Rechtsanwalt Dr. A, mitzuteilen, dass vermutlich Geld des P.S. bei der Beschwerdeführerin veranlagt wurde?
Antwort: Über das Sparbuch, worauf die Erträge der Veranlagung gutgeschrieben wurden, verfügte meines Wissens nach Herr P.S. Dieser Umstand bewog mich dazu, dem Stiftungsvorstand Rechtsanwalt Dr. A vertraulich mitzuteilen, dass außer dem bereits bekannten Vermögen des P.S. noch weitere Vermögenswerte vorhanden sind, deren wirtschaftlicher Eigentümer P.S. sein könnte. Rechtsanwalt Dr. A teilte mir mit, dass P.S. sein gesamtes Vermögen der Stiftung vermacht habe, und er fragte mich zudem, welche Vermögenswerte bzw. Konten bei der Beschwerdeführerin vorhanden seien. Aus diesem Grund sah ich mich veranlasst, obige Vermutung zu äußern.
Frage: War Ihnen zum Zeitpunkt der Mitteilung an Rechtsanwalt Dr. A bekannt, wer der Eigentümer bzw. Inhaber der veranlagten Kassenobligationen ist?
Antwort: Nein. Irgendwann nach dem Ableben des Herrn P.S. erschien bei mir seine Tochter Verena S (verstorben 2004) und legte mir einen persönlichen, handgeschriebenen Brief ihres Vaters, welchen sie angeblich von einer Vertrauensperson erhielt, vor. Darin wurde sie von ihm informiert, dass bei der Beschwerdeführerin eine Veranlagung einer größeren Summe besteht. Sie wusste das Losungswort des Wertpapierdepots, sie war aber nicht im Besitz der originalen Wertpapiere. Daraufhin wurde sie von mir darauf aufmerksam gemacht, dass sie diesbezüglich ein so genanntes Aufgebotsverfahren (ähnlich einer Verlustanzeige) einleiten müsste. Dies wurde dann in weiterer Folge von uns veranlasst. Meiner Meinung nach müsste im Zuge dessen auch eine Nachversteuerung der Kapitalerträge erfolgt sein, da sich eine österreichische Staatsbürgerin als Eigentümerin der Wertpapiere deklarierte.
Frage: Kamen die angesprochenen Wertpapiere anlässlich des Aufgebotsverfahrens zum Vorschein?
Antwort: Meines Wissens nach ist einige Tage vor Ablauf der 6- Monats-Frist über eine andere Bank (B-Bank) die Einreichung der Dokumente erfolgt und das Geld wurde an diese transferiert."
Am 13. Dezember 2004 erließ das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin einen Bescheid betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs 2 EStG betreffend die Jahre 1995 bis 1999. Zur Begründung wird ausgeführt, aus einem vom Rechtsanwalt Dr. A angefertigten Aktenvermerk ergebe sich, dass P.S. 15 Mio ATS unter wissentlich falscher Angabe eines ausländischen Kontoinhabers (Brian C) zur Vermeidung des Kapitalertragsteuerabzuges angelegt habe. Die Veranlagung sei am 31. August 1995 erfolgt. Brian C sei der Sohn der Gattin des P.S., Hannelore S. Er halte sich in Südafrika an einem unbekannten Ort auf. Es werde vermutet, dass die Vorgangsweise (Benennung eines unrichtigen Kontoinhabers) eine Abgabenhinterziehung darstelle. P.S. habe die anlaufenden Wertpapierzinsen stets behoben, da er als Verfügungsberechtigter der Wertpapierkonten bei der Bank geführt worden sei.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen diesen Bescheid. Darin wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des Finanzamtes. Das Finanzamt stütze sich auf einen Aktenvermerk des Rechtsanwaltes Dr. A. Dabei sei es eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Aktennotizen stets nur den subjektiven Eindruck des Verfassers wiedergäben und diese subjektive Einschätzung durchaus objektiv unrichtig sein könne. Es lägen auch Beweisergebnisse vor, welche dieser Aktennotiz widersprächen. Die Beschwerdeführerin legte der Berufung die Kopie eines an sie gerichteten Schreibens des Rechtsanwaltes Dr. A vom 11. Jänner 2005 bei. In diesem Schreiben führt Dr. A u.a. aus, er dürfte Herrn Werner R falsch verstanden haben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wird ausgeführt, am 31. August 1995 seien bei der Beschwerdeführerin 15 Mio. S in Forderungswertpapiere (Kassenobligationen) veranlagt worden, wobei als Konteninhaber der Devisenausländer Brian C aufgeschienen sei. Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass der Deviseninländer P.S. unter wissentlich falscher Angabe eines ausländischen Konteninhabers eine Wertpapierveranlagung beim ehemaligen Direktor der Beschwerdeführerin Werner R vorgenommen habe. Die Erträge aus den Forderungswertpapieren seien deshalb für einen Devisenausländer "angelegt" worden, um die Quellensteuer zu vermeiden.
In Bezug auf die erwähnten Kassenobligationen sei die Beschwerdeführerin sowohl als Emmitent als auch als kuponauszahlende Stelle im Sinne des § 95 Abs 3 Z 2 EStG 1988 aufgetreten. Ein Anknüpfungsmerkmal für die Verpflichtung zum Abzug von Kapitalertragsteuer sei daher gegeben. Nach § 98 Z 5 EStG 1988 unterlägen Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren bei einem Devisenausländer nicht der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Den Richtlinien zur Erhebung der Kapitalertragsteuer von Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (AÖF 1993/158) zufolge dürfe der Kapitalertragsteuerabzug nur unterbleiben, wenn der Anleger nachweise oder glaubhaft mache, dass er im Inland weder über Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfüge. Die Bank oder der Emmitent müsse den Namen des Anlegers, sowie die Daten seines Lichtbildausweises schriftlich festhalten.
Am 31. August 1995 sei P.S. mit seinem Stiefsohn Brian C bei Direktor Werner R erschienen und habe ersucht, bei der Beschwerdeführerin eine optimale Veranlagung für 15 Mio durchzuführen. Brian C habe sich als Berechtigter für diesen Geldbetrag "legalisiert". Der Betrag sei in Kassenobligationen veranlagt worden, wobei als Konteninhaber der Devisenausländer Brian C aufgeschienen sei. Damals sei die Vorgangsweise so gewesen, dass der Erwerber von Kassenobligationen "Wertpapierkassenbons" erhalten habe, welche ein Verfügungsrecht über die am Depot verwahrten Wertpapiere verbrieften. Werner R habe seinerzeit ein "Kapitalertragsteuer-Befreiungsprotokoll gemäß § 98 Z 5 EStG 1988 für private Devisenausländer" aufgenommen und am 4. September 1995 unterfertigt. Dieses Protokoll weise die Nationalität ("USA") und den ständigen Wohnsitz ("Australien") des angegebenen Depotinhabers Brian C aus. Überdies sei im Protokoll folgendes festgehalten:
"Für den Inhaber des genannten Wertpapierdepots bzw. für die Person, die oben angeführtes Kassageschäft eröffnet hat, sowie für die angeführten Einlagekonten wurde
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die Legitimierung vorgenommen
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in ein Personaldokument, aus dem zweifelsfrei die Identität hervorgeht, Einsicht genommen und die Daten aufgezeichnet
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die Devisenausländereigenschaft geprüft, sowie
-
bei österreichischen Staatsbürgern bzw. Angehörigen von Nachbarstaaten (Liechtenstein, Schweiz, Deutschland, Ungarn, Slowenien, Tschechei, Slowakei, Italien) die Erklärung einbehalten, dass er/sie keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 26 BAO in Österreich haben."
Der veranlagte Betrag von 15 Mio ATS habe jährlich Zinsen in Höhe von 900.000 ATS abgeworfen, welche auf einem anonymen Sparbuch gutgeschrieben worden seien.
Es stehe fest, dass P.S. wirtschaftlicher Eigentümer der am 31. August 1995 veranlagten 15 Mio ATS gewesen sei und dass die Kassenobligationen von ihm und nicht vom Devisenausländer Brian C erworben worden seien. Die Wertpapiere seien also von Beginn an P.S. zuzurechnen gewesen. P.S. habe die Wertpapierveranlagung beim seinerzeitigen Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin Werner R unter wissentlich falscher Angabe eines ausländischen Kontoinhabers vorgenommen, um dadurch einen Kapitalertragsteuerabzug zu vermeiden.
Das wirtschaftliche Eigentum des P.S. an den Forderungswertpapieren ergebe sich insbesondere aus einem persönlichen, handgeschriebenen Brief des P.S. an seine Tochter Verena S vom 11. Februar 1999. Dieser Brief habe "Vermächtnisse und Schlüssel" zum Inhalt. In diesem Brief werde Verena S von ihrem Vater vertraulich darüber informiert, dass bei der Beschwerdeführerin 15 Mio S veranlagt seien, wofür jährlich 900.000 ATS an Zinsen abreiften. Aus dem Brief gehe unmissverständlich hervor, dass die dieser Veranlagung zu Grunde liegenden Forderungswertpapiere P.S. gehörten und nunmehr seiner Tochter Verena S vermacht sein sollten.
Im Brief vom 11. Februar 1999 sei Verena S auch darüber informiert worden, wo die in Gewahrsame des P.S. befindlichen Wertpapierkassabons verwahrt seien und wie sie an diese gelange. P.S. habe seiner Tochter Verena S auch das Losungswort für die Papiere mitgeteilt. Zu beachten sei auch, dass P.S. die jährlich angefallenen, auf einem anonymen Sparbuch gutgeschriebenen Zinsen von 900.000 ATS selbst behoben habe, was ebenfalls für sein wirtschaftliches Eigentum an den Wertpapieren spreche. Weiters spreche für dieses wirtschaftliche Eigentum des P.S. auch die am 13. September 2001 zwischen der Tochter Verena S und der Witwe Hannelore S geschlossene Vereinbarung. Verena S stütze ihren Anspruch auf Herausgabe der Kassenobligationen auf die letztwillige Verfügung des P.S. vom 11. Februar 1999. Da die Kassenobligationen in der Verlassenschaft des P.S. aber nicht auffindbar gewesen seien, habe sie am 12. Dezember 2000 über die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Kraftloserklärung von Wertpapieren" gestellt. Im Zuge dessen habe sich herausgestellt, dass Hannelore S die Kassenobligationen in Händen halte, worauf das Kraftloserklärungsverfahren mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 18. Juni 2001 eingestellt worden sei. Hannelore S habe ihren Anspruch auf einen mit P.S. abgeschlossenen Schenkungsvertrag, verbunden mit tatsächlicher Übergabe und der Bekanntgabe des Losungswortes, gestützt. Mit der Vereinbarung vom 13. September 2001 habe Hannelore S aber hinsichtlich eines Teiles der Kassenobligationen den von Verena S angemeldeten Anspruch auf Übereignung anerkannt, während andererseits Verena S für den restlichen Teil der Kassenobligationen das auf den Titel der Schenkung gegründete Eigentumsrecht der Hannelore S anerkannt habe.
Da somit die Wertpapierveranlagung vom 31. August 1995 durch den Deviseninländer P.S. vorgenommen worden sei, hätte Kapitalertragsteuer abgezogen und abgeführt werden müssen.
Für die weitere Betrachtung sei entscheidend, ob bzw ab welchem Zeitpunkt Direktor Werner R (und damit die Beschwerdeführerin) vom wirtschaftlichen Eigentum des P.S. Kenntnis gehabt habe. Nach Ansicht der belangten Behörde sei ein solcher Kenntnisstand des Werner S von Beginn an gegeben gewesen. In diesem Zusammenhang werde auf die Aktennotiz des Dr. A vom 21. August 2000 verwiesen. Dieser Aktennotiz liege eine am gleichen Tag in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin abgehaltene Besprechung des genannten Rechtsanwaltes sowie eines Wirtschaftsprüfers mit Direktor Werner R zugrunde. Im Zuge dieser Besprechung habe es auch ein Vieraugengespräch zwischen dem Rechtsanwalt einerseits und Direktor Werner R andererseits gegeben, über welches die in Rede stehende Aktennotiz verfasst worden sei.
Die belangte Behörde nehme sohin an, dass Werner R darüber in Kenntnis gewesen sei, dass die Kassenobligationen von P.S. und damit einem Deviseninländer erworben worden seien und dass ein Devisenausländer lediglich vorgeschoben worden sei, um die Quellensteuer zu umgehen. Diese Hinterziehungsabsicht sei für Werner R der Grund gewesen, die Information nur "unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit" weiterzugeben.
Die belangte Behörde habe keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit und am Wahrheitsgehalt der Aktennotiz des Rechtsanwaltes Dr. A zu zweifeln. Dies umso mehr, als Dr. A diese Aktennotiz noch am Tage der Besprechung angefertigt habe und dieses Schriftstück daher unter dem Eindruck der Unmittelbarkeit stehe. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Dr. A eine solche Aktennotiz verfasst hätte, wenn Werner R nicht entsprechende Aussagen getätigt hätte.
Die Beschwerdeführerin stütze ihre Berufung auf ein Schreiben des Dr. A an ihren Rechtsvertreter vom 11. Jänner 2005. In diesem Schreiben schwäche Dr. A den Inhalt seiner Aktennotiz ab, indem er formulier e, er habe Werner R offensichtlich falsch verstanden. In diesem Schreiben werde u.a. ausgeführt, Direktor Werner R habe Dr. A bei einer späteren Besprechung mitgeteilt, er habe seinerzeit gesagt, dass die Erträge aus den Papieren deshalb für Brian C angelegt worden seien, weil in diesem Fall keine Quellensteuer anfalle.
Nach Ansicht der belangten Behörde sei selbst diesem Schreiben vom 11. Jänner 2005 zu entnehmen, dass nach dem Kenntnisstand des Direktor Werner R ein Devisenausländer vorgeschoben worden sei, um einen Kapitalertragsteuerabzug zu vermeiden. Ein Widerspruch zur Aktennotiz vom 21. August 2000 sei somit in der nachträglichen Darstellung des Rechtsanwaltes Dr. A im Schreiben vom 11. Jänner 2005 nicht zu erblicken.
Auch die vom Finanzamt im Auftrag des Landesgerichtes durchgeführte Einvernahme des Beschuldigten Direktor Werner R vom 25. August 2004 habe zu keinem Ergebnis geführt, dass für eine andere Sachverhaltsannahme spräche. Werner R habe nämlich u. a. ausgesagt:
"Über das Sparbuch, worauf die Erträge der Veranlagung gutgeschrieben wurden, verfügte meines Wissens nach Herr P.S. Dieser Umstand bewog mich dazu, dem Stiftungsvorstand (Rechtsanwalt Dr. A) vertraulich mitzuteilen, dass außer dem bereits bekannten Vermögen des P.S. noch weitere Vermögenswerte vorhanden sind, deren wirtschaftlicher Eigentümer P.S. sein könnte."
Wenn Werner R in der Vernehmung vom 25. August 2004 lediglich eine "Vermutung" über das wirtschaftliche Eigentum des P.S. zum Ausdruck gebracht habe, so sei diese Aussage "differenziert" vor dem Hintergrund einer Beschuldigtenvernehmung zu betrachten.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass Direktor Werner R den wahren wirtschaftlichen Eigentümer der Forderungswertpapiere von Anfang an gekannt habe, werde auch durch den handschriftlichen Brief des P.S. an seine Tochter Verena S vom 11. Februar 1999 gestützt. In diesem Brief, der das Vermächtnis der bei der Beschwerdeführerin veranlagten Gelder zum Inhalt habe, finde sich folgende Aussage:
"Direktor Werner R weiß Bescheid."
Nach Ansicht der belangten Behörde habe sich dieses Wissen
offenkundig auf die Eigentümerstellung bezogen.
Darauf hingewiesen sei, dass für die Beschwerdeführerin im übrigen auch dann nichts gewonnen wäre, wenn es zuträfe, das Direktor Werner R erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis über den wahren wirtschaftlichen Eigentümer der Forderungswertpapiere erlangte. Nach dem Ableben des P.S. habe Werner R auf Grund einer Vorsprache von Verena S jedenfalls davon Kenntnis erlangt, dass P.S. wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere gewesen sei. Solches habe Werner R im Rahmen seiner Einvernahme vom 25. August 2004 auch bestätigt. Verena S habe Direktor Werner R den persönlichen handgeschriebenen Brief ihres Vaters vom 11. Februar 1999 vorgelegt, mit welchem sie darüber informiert worden sei, dass von ihrem Vater 15 Mio S bei der Beschwerdeführerin veranlagt worden seien, welche ihr vermacht worden seien.
Soweit in der Berufung der Beschwerdeführerin vorgebracht werde, sie habe vom Brief des P.S. vom 11. Februar 1999 keine Kenntnis gehabt, entgegne die belangte Behörde, dass Werner R der Inhalt dieses Briefes vom 11. Februar 1999 jedenfalls seit der Vorsprache von Verena S bekannt sei. Das habe Werner R im Zuge seiner Einvernahme vom 25. August 2004 auch eingeräumt. Das Handeln von Direktor Werner R sei der Beschwerdeführerin unmittelbar zuzurechnen.
Die Beschwerdeführerin habe auch den Einwand der Verjährung erhoben. Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliege gemäß § 207 Abs 1 BAO der Verjährung. Die §§ 207ff BAO seien in der am 13. Dezember 2004, dem Datum des Bescheides des Finanzamtes, geltenden Fassungen anzuwenden. Gemäß § 207 Abs 2 BAO betrage die Verjährungsfrist 5 Jahre. Bei hinterzogenen Abgaben verlängere sich - nach der damaligen Rechtslage - die Verjährungsfrist auf zehn Jahre. Die Verjährung beginne gemäß § 208 Abs 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres, in welchem der Abgabenanspruch entstanden sei. Für das Jahr 1999 ergebe sich daher, dass selbst unter Zugrundelegung einer bloß fünfjährigen Verjährungsfrist im Sinne des § 207 Abs 2 BAO die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten gewesen sei, weil der Haftungsbescheid im Jahre 2004 erlassen worden sei. Es stehe aber auch der Geltendmachung der Haftung für die Jahre 1995 bis 1998 die Verjährung nicht entgegen, weil für hinterzogene Abgaben die zehnjährige Verjährungsfrist zur Anwendung komme. Gemäß § 33 Abs 1 FinStrG mache sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirke. Gemäß § 140 BAO gälten die Bestimmungen der §§ 119 und 139 BAO auch für Personen, welche zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichtet seien. Da P.S. und somit ein Deviseninländer Eigentümer der in Rede stehenden Kassenobligationen gewesen sei, wäre die Beschwerdeführerin zum Abzug der Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge verpflichtet gewesen. Die Kapitalertragsteuer hätte spätestens am fünfzehnten Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abgeführt werden müssen. Zudem hätte innerhalb dieser Frist eine Anmeldung nach dem amtlichen Vordruck erfolgen müssen. Für den Tatbestand nach § 33 Abs 1 FinStrG genüge bereits bedingter Vorsatz. Die belangte Behörde habe - wie ausgeführt - die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass Direktor Werner R den wahren Eigentümer der Kassenobligationen (P.S.) vom Beginn der Veranlagung an gekannt habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Kapitalerträge aus diesen Kassenobligationen zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet gewesen wäre. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten und nicht an das Finanzamt abgeführt. Da die dargestellten Vorgänge wissentlich erfolgt seien, sei der Tatbestand einer Abgabenhinterziehung gegeben.
Von Abgabenhinterziehungen für die Jahre 1995 bis 1999 müsse im Übrigen selbst dann ausgegangen werden, wenn Direktor Werner R erst zu einem späteren Zeitpunkt die Deviseninländer-Eigenschaften des Anlegers bekannt geworden wäre. Die Beschwerdeführerin wäre infolge Kenntnis über die Deviseninländer-Eigenschaft des Anlegers verpflichtet gewesen, den zuständigen Abgabenbehörden unverzüglich Anzeige über die für die Jahre 1995 bis 1999 erfolgten Abgabenverkürzungen zu erstatten. Solche Maßnahmen seien aber nicht erfolgt.
Es treffe zu, dass Täter einer Abgabenhinterziehung nur eine natürliche, nicht auch eine juristische Person sein könne. Es treffe aber auch zu, dass an Stelle juristischer Personen ein Vertreter handle, der deren abgabenrechtliche Verpflichtungen wahrzunehmen habe. Direktor Werner R, dem der wirtschaftliche Eigentümer der Kassenobligationen von Anfang an bekannt gewesen sei, sei sowohl Angestellter der Beschwerdeführerin als auch deren Obmannstellvertreter gewesen. Sein Handeln sei unmittelbar der Beschwerdeführerin zuzurechnen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 1 Abs 1 bis 3 EStG 1988 lauten:
"(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.
(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte. "
§ 93 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"(1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer). "
(2) ...
(3) Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren sind Kapitalerträge aus
1. Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen und nach dem 31. Dezember 1983 in Schilling oder Euro begeben wurden,
..."
§ 98 Abs 1 EStG 1988 lautet:
"Der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3)
unterliegen nur die folgenden Einkünfte:
...
5. Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27, wenn
a) es sich dabei um Kapitalerträge gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 lit a bis d sowie gemäß § 93 Abs. 2 Z 2 handelt und Kapitalertragsteuer abzuziehen war oder
b) das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, durch inländische Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke unterliegen oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind, es sei denn es handelt sich um ein Forderungswertpapier gemäß § 93 Abs. 3 oder
c)
(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2007)
d)
es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne der §§ 40 und 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes aus Immobilien handelt, wenn diese Immobilien im Inland gelegen sind.
Von der beschränkten Steuerpflicht sind Zinsen aus Forderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen sind, ausgenommen.
..."
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass der (unbeschränkt steuerpflichtige) P.S. am 31. August 1995 den in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Betrag von 15 Mio S bei der beschwerdeführenden Bank im Wege von Kassenobligationen veranlagt hat. Dabei habe P.S., um den Abzug von Kapitalertragsteuer von den Zinserträgen zu vermeiden, vorsätzlich unrichtige Angaben über den wirtschaftlichen Eigentümer gemacht, indem der nicht unbeschränkt steuerpflichtige Brian C als wirtschaftlicher Eigentümer bezeichnet worden sei. Der Direktor der Bank der Beschwerdeführerin, Werner R, sei von vorne herein darüber informiert gewesen, dass das wirtschaftliche Eigentum am veranlagten Kapital P.S. zugekommen sei.
In der Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid treffe die Sachverhaltsfeststellung, P.S. habe die Wertpapierveranlagung unter wissentlich falscher Angabe eines ausländischen Kontoinhabers vorgenommen, sie habe diese Sachverhaltsannahme aber nur auf einen Aktenvermerk des Rechtsanwaltes Dr. A gestützt und dabei nicht berücksichtigt, dass sich aus dem Kapitalertragsteuer-Befreiungsprotokoll gemäß § 98 Z 5 EStG für private Devisenausländer vom 31. August 1995 ergebe, dass die Veranlagung für einen Devisenausländer (gemeint den nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Brian C) vorgenommen worden sei.
Die Beschwerde bringt weiters vor, der angefochtene Bescheid stütze die Sachverhaltsfeststellung betreffend die Kenntnis des Werner R über das wirtschaftliche Eigentum des P.S. ebenfalls ausschließlich auf den Aktenvermerk des Rechtsanwaltes Dr. A vom 21. August 2000, während entgegenstehende Beweisergebnisse übergangen worden seien. Aus dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. A an den Vertreter der Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 2005 ergebe sich nämlich, dass jenem Aktenvermerk nicht die ihr von der belangten Behörde beigemessene Beweiskraft zukomme. In diesem Schreiben aus dem Jahre 2005 führe Dr. A aus, dass er Werner R seinerzeit offenkundig falsch verstanden habe. Soweit sich der angefochtene Bescheid auf ein Schreiben des P.S. an seine Tochter vom 11. Februar 1999 stütze, verweise die Beschwerdeführerin darauf, dass ihr dieses Schreiben erst im Zuge des zum angefochtenen Bescheid führenden Verwaltungsverfahren bekannt geworden sei. Für Werner R bzw die Beschwerdeführerin sei erstmals durch die Verlustmeldung der Tochter vom 18. Oktober 2000 erkennbar gewesen, dass nicht mehr der Devisenausländer Brian C, sondern eine Deviseninländerin Inhaberin der Wertpapiere geworden sein könne. Im Übrigen lägen auch keine hinreichenden Verfahrensergebnisse dafür vor, dass sich Werner R vorsätzlich an einer Abgabenhinterziehung des P.S. beteiligt habe.
Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Die Beweiswürdigung der Behörde ist insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter diesen Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, ihr mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse oder ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl das hg Erkenntnis vom 26. März 2007, 2005/14/0091).
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Die belangte Behörde hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich mit dem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. A an den Vertreter der Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 2005 auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargetan, dass dieses der Feststellung, P.S. habe vorsätzlich eine andere Person als Kapitalanleger benannt und Werner R sei darüber informiert gewesen, dass das wirtschaftliche Eigentum bei P.S. gelegen gewesen sei, nicht entgegen steht. Gleiches gilt im Bezug auf das Befreiungsprotokoll vom 31. August 1995. Die belangte Behörde hat sich auch in nachvollziehbarer und widerspruchsfreier Weise mit den übrigen Ermittlungsergebnissen, insbesondere mit der Aktennotiz des Rechtsanwalts Dr. A, mit der Aussage des Werner R (festgehalten in der Niederschrift vom 25. August 2004) mit dem Brief des P.S. an seine Tochter Verena S vom 11. Februar 1999, und mit der Vereinbarung vom 13. September 2001 zwischen Verena S und Hannelore S betreffend das weitere Schicksal der Forderungswertpapiere auseinander gesetzt.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde das Schreiben des P.S. an seine Tochter Verena S vom 11. Februar 1999 nicht als Indiz für den Kenntnisstand des Werner R im Zeitpunkt der Begründung der Veranlagung am 31. August 1995 herangezogen. Dieses Beschwerdevorbringen zeigt daher in Bezug auf die Beweiswürdigung betreffend den Kenntnisstand am und ab dem 31. August 1995 keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin dieses Schreiben erst Jahre später, nämlich als Verena S in der Bank der Beschwerdeführerin vorgesprochen hat, zur Kenntnis gelangt ist.
Im Übrigen hat die belangte Behörde das in Rede stehende Schreiben in nachvollziehbarer Weise als zusätzliches Indiz für das wirtschaftliche Eigentum des P.S. herangezogen.
Wenn die Beschwerde in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung betreffend den Vorsatz des Werner R rügt, es lägen "keine ausreichenden Verfahrensergebnisse" vor, ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Feststellung vor dem Hintergrund des bei Werner R als Direktor einer Bank unbestritten vorliegenden Wissens über die steuerliche Behandlung der Zinsen aus österreichischen Forderungswertpapieren in nicht zu beanstandender Weise aus der - wie oben ausgeführt ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffenen - Feststellung über den tatsächlichen Kenntnisstand des Werner R abgeleitet hat.
Unter dem Aspekt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerde, Handlungen des Direktors ihres Bankbetriebes könnten ihr nicht unmittelbar zugerechnet werden, entscheidend sei viel mehr die seinerzeit in der Bank gegebene formelle Aktenlage. Die Aktenlage sei aber unbedenklich gewesen, weil ein ordnungsgemäßes Kapitalertragsteuer-Befreiungsprotokoll vorliege, welches einen Devisenausländer als Inhaber der Wertpapiere ausweise. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass Werner R wusste, wem das wirtschaftliche Eigentum zugekommen sei, hätte dies am Kenntnisstand der Beschwerdeführerin nichts zu ändern vermocht. Eine Haftung der Beschwerdeführerin für Handlungen eines Dienstnehmers könne aber nur angenommen werden, wenn die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin eigene Sorgfalts- oder Prüfpflichten verletzt hätte. Solches sei aber nicht der Fall gewesen. Erst mit der Verlustmeldung von Verena S habe sich für die Beschwerdeführerin ein Hinweis darauf ergeben, dass nunmehr möglicherweise diese (eine Deviseninländerin bzw unbeschränkt Steuerpflichtige) verfügungsberechtigt sei.
Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan. Gemäß § 95 Abs 2 EStG 1988 haftet der zum Abzug der Kapitalertragsteuer Verpflichtete im Sinn des § 95 Abs 3 leg. cit. dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Der Haftungstatbestand nach § 95 Abs 2 EStG 1988 als solcher stellt nur auf die objektive Verletzung der Pflicht zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer ab. Nun liegt zwar die Geltendmachung einer Haftung im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. Ritz, BAO3, § 7 Tz 5 mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung) und kann im Rahmen der Ermessensübung auch Umständen aus dem subjektiven Bereich eines potenziell Haftungspflichtigen Bedeutung zukommen. Für den Beschwerdefall ist aber auch aus der Sicht der Ermessensübung auf die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde zu verweisen, wonach der Direktor der Bank der Beschwerdeführerin, Werner R, über einen entsprechenden Wissensstand verfügt hat. Zudem wird in der Beschwerde die Ermessensübung der belangten Behörde auch gar nicht gerügt. Dazu kommt, dass sich die Beschwerdeführerin die Bank betreffenden Handlungen des Werner R, den sie zum Direktor ihrer Bank bestellt hat, zurechnen lassen muss. Werner R war aber die Unrichtigkeit des Kapitalertragsteuer-Befreiungsprotokolls von Anfang an bekannt.
Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich dagegen, dass die belangte Behörde nicht von einer fünfjährigen Verjährungsfrist, sondern von einer auf hinterzogene Abgaben abstellenden zehnjährigen Verjährungsfrist ausgegangen sei; Werner R habe sich keiner Hinterziehung schuldig gemacht, auch für die Beschwerdeführerin habe nur die Möglichkeit bestanden, sich gemäß dem "Inhalt des Veranlagungsaktes" zu verhalten.
Zunächst ist darauf verweisen, dass diese Verjährungsfrist unabhängig davon zur Anwendung kommt, welcher konkreten Person die Hinterziehung der Abgabe vorzuwerfen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Februar 1995, 94/16/0275, 0276).
Die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in Rede stehende Kapitalertragsteuer eine hinterzogene Abgabe im Sinn des § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO sei, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Gemäß § 33 Abs 1 Finanzstrafgesetz macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Gemäß § 140 BAO gelten die §§ 119 leg. cit (abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht) und 139 leg. cit (Berichtigungspflicht) auch für Personen, die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichtet sind. Solcherart kommt als unmittelbarer Täter des Deliktes nach § 33 Abs 1 Finanzstrafgesetz auch der Abzugspflichtige der Kapitalertragsteuer im Sinne des § 95 Abs 2 EStG in Betracht (vgl. Leitner österreichisches Finanzstrafrecht2, 153). Die einer juristischen Person obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten haben gemäß § 80 Abs 1 BAO deren Organe zu erfüllen, die sich ihrerseits wieder durch gewillkürte Vertreter vertreten lassen können. Als unmittelbare Täter der Abgabenhinterziehung kommt zudem in Betracht, wer faktisch die Angelegenheiten des Abfuhrpflichtigen (bzw seines gesetzlichen) Vertreters wahrnimmt (vgl nochmals Leitner, aaO, 156). Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt (§ 11 FinStrG).
Auf der Basis des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes kann ihr nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn sie durch die Vorgangsweise des Werner R das Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 Finanzstrafgesetz als verwirklicht angesehen hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob unmittelbare Täterschaft (wenn die Stellung als Wahrnehmender vorlag) oder Beitragstäterschaft vorlag.
Die Erlassung eines Haftungsbescheides (auch nach § 95 Abs. 2 EStG 1988) ist eine Einhebungsmaßnahme; sie ist daher nur innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist nach § 238 BAO zulässig (vgl. Ritz, BAO3, § 224 Tz 4).
§ 224 Abs 3 BAO lautet:
"Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."
§ 238 Abs 1 BAO lautet:
"Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209 a gilt sinngemäß."
Da § 224 Abs. 3 und § 238 Abs 1 BAO eine Abhängigkeit der Einhebungsverjährung vom Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 207 BAO) normieren, kommt der Festsetzungsverjährung Bedeutung zu.
Die Kapitalertragsteuer ist eine Erhebungsform der Einkommensteuer (vgl. dazu auch § 4 Abs 2 lit a Z 3 BAO). Das Recht auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer (vgl. § 95 Abs 5 EStG 1988) hängt somit von der Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Jahreseinkommensteuer ab.
Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre. Nach § 207 Abs 2 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I 2004/57, betrug die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre. Mit dem Steuerreformgesetz 2005 wurde § 207 Abs 2 zweiter Satz wie folgt neu gefasst:
"Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre."
Gemäß § 323 Abs 16 BAO ist die neue Fassung des § 207 Abs 2 BAO mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I 2004/180 wurde der Abs 18 des § 323 BAO geschaffen, welcher im vorletzten Satz normiert:
"§ 209a Abs 1 und 2 gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassung des § 207 Abs 2 zweiter Satz durch BGBl. I Nr. 57/2004 ... sinngemäß."
§ 209a Abs 1 BAO regelt, dass einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht.
Wie sich aus den ErlRV zu § 323 Abs 18 BAO (Abgabenänderungsgesetz 2004), 686 BlgNR XXII. GP, 37, ergibt, sollte mit dieser Bestimmung normiert werden, dass die Verkürzung von Verjährungsfristen keine Auswirkungen (insbesondere) auf offene Berufungsverfahren hat.
Für das Verständnis und die Anwendung des § 209a Abs 1 BAO kann man vom Falltypus ausgehen, dass innerhalb der Verjährungsfrist des § 207 BAO die erstinstanzliche Abgabenfestsetzung erfolgte und dass gegen diese ein Rechtsmittel eingelegt worden ist; Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen gemäß § 209a Abs 1 BAO einer Berufungsentscheidung nicht im Wege. Wurde hingegen eine Abgabenfestsetzung erstmals nach Ablauf der Verjährungsfrist (und außerhalb des Anwendungsbereiches des § 209a Abs 2 BAO) vorgenommen, hätte dies im Fall einer Berufung die ersatzlose Aufhebung mit Berufungsentscheidung zur Folge (vgl. hiezu Stoll, BAO-Kommentar, Band 2, 2207).
Die abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen sind Normen des Verfahrensrechtes, weshalb eine Änderung der Verjährungsbestimmungen bewirkt, dass ab dem Inkrafttreten die neue Rechtslage auch in Bezug auf Abgabenansprüche, die vor Inkrafttreten dieser Verfahrensbestimmung entstanden sind, anzuwenden ist (vgl. auch 686 BlgNR XXII. GP, 36).
Ergibt sich aus § 224 Abs. 3 und § 238 Abs 1 BAO die Maßgeblichkeit des Ablaufes der Festsetzungsverjährung für das gegenständliche Einhebungsverfahren, und wird nach § 323 Abs 18 BAO geprüft, ob in Bezug auf hinterzogene Abgaben die Festsetzungsverjährungsfrist nach § 207 Abs 2 BAO in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2005 oder in der vorangehenden Fassung maßgeblich ist, kommt es wegen der in § 323 Abs 18 angeordneten sinngemäßen Anwendung des § 209a Abs 1 BAO darauf an, ob bei Inkrafttreten des § 207 Abs 2 in der Fassung Steuerreformgesetz 2005 (mit 1. Jänner 2005) für das jeweilige Jahr ein Einkommensteuerbescheid (gegenüber P.S.) vorgelegen ist, welcher im Sinn des § 209a BAO eine Anfechtung mittels Berufung erfahren hat. Nur in einem solchen Fall bewirkte § 323 Abs 18 vorletzter Satz BAO, dass die Verjährung nicht nach § 207 Abs 2 BAO in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage bemessen wird, sondern - in sinngemäßer Anwendung des § 209a Abs 1 BAO - noch die bei Erlassung des erstinstanzlichen Festsetzungsbescheides geltende Rechtslage zur Anwendung kommt.
In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen zu prüfen, ob für die einzelnen Jahre Bescheide betreffend Festsetzung der Einkommensteuer des P.S. im Sinne der vorstehenden Ausführungen ergangen sind.
Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer für 1997 und die Folgejahre sind allerdings im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Haftungsbescheide im Jahre 2004 auch bei Zugrundelegung einer bloß siebenjährigen Festsetzungsverjährungsfrist für hinterzogene Abgaben die Festsetzungsverjährung und als Folge dessen gemäß § 238 Abs 1 BAO die Einhebungsverjährung noch nicht eingetreten gewesen. Hinsichtlich Kapitalertragsteuer 1997 bis 1999 wird die Beschwerdeführerin sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit, soweit er die Jahre 1995 und 1996 betrifft, als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 333/2003.
Wien, am 12. Dezember 2007
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Ermessen VwRallg8Sachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006150004.X00Im RIS seit
01.02.2008Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013