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58/02 Energierecht;Norm
MinroG 1999 §82 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schenk, über die Beschwerde der SSK GmbH in S, vertreten durch Eisenberger und Herzog, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 26. Februar 2004, GZ: FA14A-12.1/53-2003/12, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach dem MinroG (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Tillmitsch, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 26. Februar 2004 wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L (in der Folge: BH) vom 14. April 2003, mit dem der Gewinnungsbetriebsplan der Beschwerdeführerin genehmigt worden war, Folge gegeben und die Genehmigung dieses Gewinnungsbetriebsplanes versagt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, eine Definition des Begriffes "Wohnbauten" sei weder im Mineralrohstoffgesetz (MinroG) noch im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz (Stmk. ROG) enthalten. Nach den vorgelegten Projektunterlagen grenze die beantragte Abbaufläche unmittelbar an ein im Flächenwidmungsplan als "Industrie- und Gewerbegebiet II" (in der Folge I-GG II) ausgewiesenes Grundstück an. Aus § 23 Abs. 5 Stmk. ROG 1974 ergebe sich eindeutig, dass I-GG II zum Bauland zähle, in dem die zur Aufrechterhaltung der Anlagen erforderlichen Wohnungen errichtet werden dürften. § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG diene dem Schutz jeglicher Personen, die in Bereichen wohnen, in denen nach den jeweiligen Raumordnungsvorschriften der Länder der Aufenthalt zu Wohnzwecken zulässig sei. Es komme nicht darauf an, ob in den jeweiligen Vorschriften von "Wohnbauten", "Wohngebäuden" oder "Wohnungen" die Rede sei. Es sei auch möglich, dass Wohnungen im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. e Stmk. ROG 1974 in einem eigenen, nur Wohnzwecken dienenden Bau, also einem "Wohnbau" gelegen seien, wenn diese Wohnungen zur Aufrechterhaltung der Anlage erforderlich seien. I-GG II stelle daher Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen, dar und bilde somit eine Abbauverbotszone im Sinne des § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG, weshalb die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes zu versagen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erstattete eine Stellungnahme.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik.
Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG), BGBl. I 1999/38 idF BGBl. I 21/2002, lauten:
"§ 81. Parteien im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für die obertägige Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe sind neben den in § 116 Abs. 3 genannten Parteien:
...
2. die Gemeinde (Standortgemeinde), auf deren Gebiet der Aufschluss und/oder Abbau beabsichtigt ist und die unmittelbar angrenzenden Gemeinden, zum Schutz der in § 116 Abs. 1 Z. 4 bis 9 sowie §§ 82 und 83 genannten Interessen. Die Gemeinde ist berechtigt, den Schutz der genannten Interessen als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Davon wird eine allfällige Parteistellung der Gemeinde als Trägerin von Privatrechten nicht beeinträchtigt.
...
Gewinnungsbetriebsplan - Raumordnung
§ 82. (1) Die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für die obertägige Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe ist von der Behörde zu versagen, wenn im Zeitpunkt des Ansuchens nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde (Standortgemeinde), in deren Gebiet die bekannt gegebenen Grundstücke nach § 80 Abs. 2 Z 2 liegen, diese Grundstücke als
1.
Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen,
2.
erweitertes Wohngebiet: das sind Bauhoffnungsgebiete und Flächen, die für die künftige Errichtung von Wohnhäusern, Appartementhäusern, Ferienhäusern, Wochenendhäusern und Wochenendsiedlungen, Garten- und Kleingartensiedlungen,
3. Gebiete, die für Kinderbetreuungseinrichtungen, Kinderspielplätze, Schulen oder ähnliche Einrichtungen, Krankenhäuser, Kuranstalten, Seniorenheime, Friedhöfe, Kirchen und gleichwertige Einrichtungen anerkannter Religionsgesellschaften, Parkanlagen, Campingplätze und Freibeckenbäder oder
4. Naturschutz- und Nationalparkgebiete, Naturparks, Ruhegebiete sowie als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel in Wien festgelegt oder ausgewiesen sind (Abbauverbotsbereich). Dies gilt auch für Grundstücke in einer Entfernung bis zu 300 m von den in
Z 1 bis 3 genannten Gebieten, unabhängig davon, ob diese Grundstücke in der Standortgemeinde oder in einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde liegen.
..."
Die Materialien führen dazu aus (EB RV 1428 BlgNR. XX. GP 93):
"Zu § 82. Gewinnungsbetriebsplan - Raumordnung:
In Hinkunft soll der Flächenwidmung einer Gemeinde im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes verstärkt Berücksichtigung finden. Zum Schutze der in einer örtlichen Gemeinschaft sich aufhaltenden Personen soll dann ein Ansuchen um Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes bescheidmäßig abzuweisen sein, wenn die begehrten Abbaugrundstücke in einem Abstand von weniger als 300 m zu bewohnten Objekten oder von besonders schützenswerten Einrichtungen (§ 82 Abs. 1 Z. 1 bis 3) ... liegen würden. Die taxative Aufzählung der in Abs. 1 angeführten Gebiete und schützenswerten Einrichtungen dient der Rechtsicherheit. Festzuhalten ist, dass es sich jeweils um gewidmete und im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Gebiete handeln muss. ..."
§ 23 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 (Stmk. ROG 1974), LGBl. 127/1974 idF LGBl. 41/1991 (diese Fassung ist im Hinblick auf die am 20. Juli 2002 erfolgte Antragstellung maßgeblich), lautet:
"§ 23
Bauland
...
(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:
...
e) Industrie- und Gewerbegebiete II, das sind Flächen, die für solche Betriebe und Anlagen bestimmt sind, die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdende Immissionen verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden können. Innerhalb dieser Gebiete können Flächen mit besonderer Standplatzeignung (z.B. Möglichkeit eines direkten Anschlusses an Eisenbahn- oder Fernstraßenverkehr, Energieversorgung, Beseitigung der Abwässer und sonstiger Schadstoffe) besonders gekennzeichnet werden und sind dann Betrieben und Anlagen, die solche besonderen Anforderungen an die Qualität des Standplatzes stellen, vorzubehalten;"
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Verfassungsmäßigkeit des § 82 MinroG bereits im Erkenntnis vom 10. März 2000, B 1651/99, Folgendes ausgeführt hat:
"Auch der Behauptung der beschwerdeführenden Gesellschaft, dass Regelungen im Bereich des Bergwesens die Raumordnungskompetenz der Länder verdrängten und somit zur Verfassungswidrigkeit des § 82 MinroG führten, kann im Lichte des der vorliegenden Beschwerde zu Grunde liegenden Sachverhalts nicht gefolgt werden: § 82 MinroG knüpft an die raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder an, in dem er für Abbaustandorte bestimmte Mindestentfernungen zu solchen Gebieten normiert, die näher genannten raumordnungsrechtlichen Widmungskategorien angehören. Dem Bundesgesetzgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er bestimmte raumordnungsrechtliche Festlegungen der Länder bei seinen Regelungen über den Abbau mineralischer Rohstoffe berücksichtigt; vielmehr entspricht dies dem vom Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung entwickelten Berücksichtigungsprinzip."
Die Beschwerdeführerin hat gegen den angefochtenen Bescheid auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben und darin angeregt, die Wortfolge "Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen" in § 82 Abs. 1 MinroG, allenfalls den ganzen Absatz in Prüfung zu ziehen Der VfGH hat mit Beschluss vom 3. Dezember 2003, B 483/04, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und zur Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens Folgendes ausgeführt:
"Dem Gesetzgeber kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn er die Bewohner von Wohnbauten vor Immissionen schützen will. Dass § 82 Abs. 1 MinroG an Bestimmungen der einzelnen Raumordnungsgesetze der Länder und konkrete Widmungen in den Gemeinden anknüpft, macht die Bestimmung noch nicht verfassungswidrig. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers oder der betreffenden Gemeinde, auf rechtspolitisch unerwünschte Ergebnisse zu reagieren und einen - seinen rechtspolitischen Vorstellungen entsprechenden - Ausgleich der Interessen der Wohnbevölkerung einerseits und von Industriegebieten andererseits zu ermöglichen (siehe hierzu auch die Reaktion des Gesetzgebers durch die Novelle zum Stm. Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 20/2003, nach der nunmehr im Industrie- und Gewerbegebiet 2 keine Wohnbauten mehr zulässig sind)."
Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der gegenständliche Gewinnungsbetriebsplan auf ein Grundstück bezieht, das unmittelbar an ein als I-GG II gewidmetes und ausgewiesenes Grundstück angrenzt.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, ein als I-GG II gewidmetes Grundstück stelle eine Abbauverbotszone im Sinne des § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG dar.
Dem hält die Beschwerdeführerin (zusammengefasst) entgegen, der Gesetzgeber des MinroG habe mit der in § 82 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. verwendeten Wortfolge "Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen" keinesfalls betriebsbedingte Wohnungen im Sinne des § 23 Abs. 5 lit. e Stmk. ROG 1974 gemeint.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken, dass die in § 82 MinroG enthaltene Anknüpfung an raumordnungsrechtliche Vorschriften dem im Zusammenhang mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung entwickelten Berücksichtigungsgebot nicht entspreche, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass § 82 MinroG nicht auf die im Entscheidungszeitpunkt aktuelle, sondern auf die im Antragszeitpunkt gegebene Widmung abstellt (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 2001/04/0226).
Nach den wiedergegebenen Materialien dient die Abstandsregelung des § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG dem "Schutz der in einer örtlichen Gemeinschaft sich aufhaltenden Personen" und soll ein Ansuchen um Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes dann abzuweisen sein, wenn die Abbaugrundstücke in einem Abstand von weniger als 300 m zu bewohnten Objekten liegen würden.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist daher unter "Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen" in § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG jede Baulandkategorie zu verstehen, bei der die Errichtung von Bauten zu Wohnzwecken - ungeachtet der unterschiedlichen Bezeichnungen in den Raumordnungsgesetzen - zulässig ist. Eine Baulandkategorie wie das vorliegend zu beurteilende I-GG II nach § 23 Abs. 5 lit e) Stmk. ROG 1974 (idF vor der Novelle zum Stmk. ROG, LGBl. Nr. 20/2003), in der Wohnungen errichtet werden dürfen, die für die Aufrechterhaltung der dort angesiedelten Betriebe und Anlagen erforderlich sind, also Wohnbauten zulässig sind, fällt darunter.
Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie vom Vorliegen einer Abbauverbotszone gemäß § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG ausgegangen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 12. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004040069.X00Im RIS seit
04.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008