Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil und die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert Z*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, St. Pölten, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. Josef M*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei B***** Transport GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.411,95 EUR brutto und 533 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 2008, GZ 7 Ra 68/08h-23, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. November 2007, GZ 22 Cga 44/07k-18, bestätigt, wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden als Teilurteil bestätigt, welches einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung wie folgt zu lauten hat:
„1.) Die Klageforderung besteht mit dem Betrag von 8.172,71 EUR brutto und mit dem Betrag von 533 EUR netto zu Recht.
2.) Die eingewendete Gegenforderung besteht mit einem Teilbetrag von 500 EUR nicht zu Recht.
3.) Die beklagte Partei ist daher schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den Betrag von 8.172,71 EUR brutto und den Betrag von 533 EUR netto samt 9,97 % Zinsen aus 200,93 EUR brutto für den Zeitraum vom 1. bis 31. 8. 2006, aus 2.010,30 EUR brutto für die Zeit vom 1. bis 30. 9. 2006 und aus 4.279,94 EUR brutto vom 1. bis 20. 10. 2006 und 10,67 % Zinsen aus 7.281,02 EUR brutto vom 21. bis 29. 10. 2006 und 8.172,71 EUR brutto seit 30. 10. 2006 sowie 9,97 % Zinsen aus 155 EUR netto vom 1. 9. bis 20. 10. 2006 und 10,67 % Zinsen aus 533 EUR netto seit 21. 10. 2006, soweit nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung unpfändbar, an den Kläger zu Handen des Klagevertreters und im Übrigen an den Nebenintervenienten Dr. Josef M***** zu Handen der Nebenintervenientenvertreter zu zahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei auch schuldig, weitere 239,24 EUR brutto samt 9,97 % Zinsen vom 1. 9. bis 20. 10. 2006 und 10,67 % Zinsen seit 21. 10. 2006 zu zahlen, wird abgewiesen. Die Entscheidung über die hierauf entfallenden Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten."
Die Kosten des hierauf entfallenden Revisionsverfahrens bleiben ebenfalls der Endentscheidung vorbehalten.
Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Entscheidung über eine Gegenforderung von 955,50 EUR, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des hierauf entfallenden Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 26. 7. 2006 bis 21. 10. 2006 als Kraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitigen Austritt des Klägers.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger nicht bezahltes Überstundenentgelt, rückständigen Lohn, Beträge aus ungerechtfertigten Lohnabzügen, anteilige Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 21. 10. bis 29. 10. 2006 einschließlich Sonderzahlungen. Trotz rechtzeitiger Geltendmachung sei die Beklagte mit der Zahlung der vorangeführten Ansprüche im Rückstand gewesen. Insbesondere habe die Beklagte ungerechtfertigte Lohnabzüge für einen nicht erhaltenen Gehaltsvorschuss, für einen nicht vom Kläger verursachten Schaden am Fahrzeug sowie Kilometergeld in Abzug gebracht. Dem Kläger sei gestattet worden, nach Abschluss der ihm aufgetragenen Fahrten mit dem LKW nach Hause zu fahren, sodass ein Lohnabzug aus diesem Grunde nicht berechtigt sei. Infolge Verzugs der Beklagten sei der Kläger zum vorzeitigen Austritt berechtigt gewesen.
Soweit im Revisionsverfahren noch erheblich, wendete die Beklagte ein, dass die Lohnabzüge zu Recht erfolgt seien und daher die Beklagte keinen Grund zum vorzeitigen Austritt des Klägers gesetzt habe. Die Auszahlungen haben im Übrigen den tatsächlich erbrachten Stundenleistungen des Klägers entsprochen. Dem Kläger sei im Dienstvertrag ausdrücklich untersagt worden, ohne Zustimmung durch die Beklagte das Fahrzeug zu privaten Fahrten zu verwenden. Für 910 ohne vertragliche Grundlage durch Privatfahrten verursachte Fahrkilometer sei ein Abzug von 955,50 EUR berechtigt. Der Kläger habe überdies einen Schaden am Fahrzeug verursacht, den er nicht gemeldet habe. Hiefür seien dem Kläger angemessene 500 EUR verrechnet worden.
Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 8.172,71 EUR brutto und 533 EUR netto als zu Recht und die eingewendete Gegenforderung von 1.455,50 EUR als nicht zu Recht bestehend fest und erkannte die Beklagte daher schuldig zur Zahlung der Klagsforderung samt Anhang und zwar soweit unpfändbar nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung an den Kläger zu Handen der Klagevertreter und im Übrigen an den Nebenintervenienten Dr. Josef M***** zu Handen seines Vertreters. Ein Mehrbegehren von 239,24 EUR brutto sA wies es (unbekämpft) ab. Ergänzend zum eingangs dargestellten Sachverhalt stellte es fest: Der Kläger hat keinen Gehaltsvorschuss in Anspruch genommen. Er verursachte auch keinen Schaden am Fahrzeug. Mit Siegfried A*****, der für die Beklagte die Fahrzeugkontrolle und die Fahrerakquisition vornahm, hatte er vereinbart, dass er mit dem LKW der Beklagten am Ende eines jeden Arbeitstages nach N***** fahren, das Fahrzeug dort auf einem Parkplatz abstellen und jeweils am Morgen des nächsten Tages von N***** wieder zur Abholung von Rundholz auf die vorgesehene Route fahren dürfe. Dies hat der Kläger auch so eingehalten.
Mit Ausnahme des - rechtskräftig - abgewiesenen Teilbetrags folgte das Erstgericht dem Vorbringen des Klägers, dass er sämtliche Überstundenleistungen erbracht und rechtzeitig geltend gemacht habe. Abzüge für eine Schadenszufügung seien schon mangels Ursächlichkeit unzulässig, desgleichen der Lohnabzug für einen nicht erhaltenen Gehaltsvorschuss. Da der Kläger auf eine Vereinbarung verweisen könne, sei auch die Verrechnung von Kilometergeld für Privatfahrten unberechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (einschließlich der Geltendmachung eines sekundären Feststellungsmangels) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
Zur Mängelrüge: Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Mängelrüge enthält zum Teil eine unzulässige Bekämpfung der Feststellungen, zum anderen Teil eine unzulässige Geltendmachung bereits vom Berufungsgericht verneinter Mängel des Verfahrens erster Instanz.Zur Mängelrüge: Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). Die Mängelrüge enthält zum Teil eine unzulässige Bekämpfung der Feststellungen, zum anderen Teil eine unzulässige Geltendmachung bereits vom Berufungsgericht verneinter Mängel des Verfahrens erster Instanz.
Hingegen erweist sich die Rechtsrüge als teilweise berechtigt, weil die Feststellungen zur Gegenforderung für angeblich unzulässige Privatfahrten des Klägers für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichen. Nach den Feststellungen (S 17 in ON 18) war der Zeuge Siegfried A***** „auf selbstständiger Basis für die Fahrzeugkontrolle und die Fahrerakquisition" zuständig. Daraus ergibt sich noch nicht zwangsläufig der Schluss, dass er berechtigt war, in Abweichung vom schriftlichen Dienstvertrag einem Fahrer die Vornahme von Privatfahrten zu erlauben. Soweit die Vorinstanzen offensichtlich von einer Anscheinsvollmacht ausgehen, ist dies einerseits bislang unerörtert geblieben, andererseits reichen aber die vorhandenen Feststellungen zu einer solchen Annahme nicht aus. Insbesondere ist unter „Akquisition" lediglich die Anwerbung bzw Anstellung zu verstehen, eine Disponententätigkeit ergibt sich daraus allein noch nicht. Dieser Umstand wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und allenfalls werden ergänzende Feststellungen dazu zu treffen sein. Sollte sich aus diesen Feststellungen eine (Anscheins-)Vollmacht des Zeugen A***** nicht ergeben, werden Feststellungen über den Umfang allfälliger Privatfahrten und die Angemessenheit eines Ersatzes dafür zu treffen sein. Gemäß § 391 Abs 3 ZPO konnte ein Teilurteil gefällt werden: Die mangelnde Berechtigung eines Abzugs für einen Fahrzeugschaden steht schon derzeit fest. Soweit Gegenforderungen für angeblich unzulässige Privatfahrten geltend gemacht werden, handelt es sich dabei, unabhängig davon, ob es sich um Schadenersatz oder einen Verwendungsanspruch handelt, um nicht konnexe Gegenforderungen (RIS-Justiz RS0040994, RS0040844 uva).Hingegen erweist sich die Rechtsrüge als teilweise berechtigt, weil die Feststellungen zur Gegenforderung für angeblich unzulässige Privatfahrten des Klägers für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichen. Nach den Feststellungen (S 17 in ON 18) war der Zeuge Siegfried A***** „auf selbstständiger Basis für die Fahrzeugkontrolle und die Fahrerakquisition" zuständig. Daraus ergibt sich noch nicht zwangsläufig der Schluss, dass er berechtigt war, in Abweichung vom schriftlichen Dienstvertrag einem Fahrer die Vornahme von Privatfahrten zu erlauben. Soweit die Vorinstanzen offensichtlich von einer Anscheinsvollmacht ausgehen, ist dies einerseits bislang unerörtert geblieben, andererseits reichen aber die vorhandenen Feststellungen zu einer solchen Annahme nicht aus. Insbesondere ist unter „Akquisition" lediglich die Anwerbung bzw Anstellung zu verstehen, eine Disponententätigkeit ergibt sich daraus allein noch nicht. Dieser Umstand wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und allenfalls werden ergänzende Feststellungen dazu zu treffen sein. Sollte sich aus diesen Feststellungen eine (Anscheins-)Vollmacht des Zeugen A***** nicht ergeben, werden Feststellungen über den Umfang allfälliger Privatfahrten und die Angemessenheit eines Ersatzes dafür zu treffen sein. Gemäß Paragraph 391, Absatz 3, ZPO konnte ein Teilurteil gefällt werden: Die mangelnde Berechtigung eines Abzugs für einen Fahrzeugschaden steht schon derzeit fest. Soweit Gegenforderungen für angeblich unzulässige Privatfahrten geltend gemacht werden, handelt es sich dabei, unabhängig davon, ob es sich um Schadenersatz oder einen Verwendungsanspruch handelt, um nicht konnexe Gegenforderungen (RIS-Justiz RS0040994, RS0040844 uva).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E896949ObA132.08iEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:009OBA00132.08I.1125.000Zuletzt aktualisiert am
16.02.2009