Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Sabine Nicole S*****, 2. Alexander K*****, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. S***** GmbH, 2. Kurt P*****, beide *****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 19.620 EUR), Widerrufs (Streitwert 2.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Mai 2008, GZ 6 R 5/08i-119, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 8. November 2007, GZ 43 Cg 11/06f-113, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern die mit 1.607,57 EUR (darin 267,93 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Beklagten abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es „könnte auch die Auffassung vertreten werden, dass die Behauptung, jemand stehe 'hinter' einem Unternehmen, das unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen, erfundenen Ärzten, erfundenen Kliniken und nicht existenten Testreihen schwer kranken, verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche locke, keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil darstellt, das im Rahmen des Rechts auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt ist".
Am 11. 11. 2005 veröffentlichten die Beklagten (der Zweitbeklagte ist der Geschäftsführer der Erstbeklagten) in ihrer 14-tägig erscheinenden periodischen Druckschrift „nova - Das Gratismagazin" einen Artikel mit der Überschrift „Falsches Spiel mit kranken Menschen", in dem es unter anderem heißt: „Immer mehr ausländische Firmen entdecken Österreich als Spielwiese für ihre zweifelhaften Geschäfte. Ein besonders dreistes Beispiel, wie unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen, erfundenen Ärzten, erfundenen Kliniken und nicht existenten Testreihen mit höchst positivem Ergebnis schwer kranken, verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche gelockt wird, ist die Firma H***** Ltd mit Sitz in London". Weiter wird ausgeführt, dass dieses nur an einer Briefkastenadresse in London residierende Unternehmen Hersteller und Vertreiber von Produkten wie „C*****", „C*****-H*****" und „S*****" sei und beim Vertrieb dieser Produkte die geschilderte Vorgangsweise einhalte. In diesem Zusammenhang finden sich auch die Behauptungen: „Hinter dem Unternehmen steht jedoch das Geschwisterpaar K***** aus V*****." und weiter „Es ist zu hoffen, dass eine eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachtes betrügerischer Handlungen bei der Staatsanwaltschaft Graz gegen besagtes Geschwisterpaar aus V***** diesem Treiben endlich ein Ende setzt."
Die Kläger sind das in diesem Artikel genannte Geschwisterpaar; die Erstklägerin führte bis zu ihrer Verehelichung den Familiennamen K*****. Sie stand und steht jedoch in keinen Rechtsbeziehungen zu H*****. Außer dass sie für ihren Vater im Februar 2005 bei einer Präsentation von Produkten von H***** unentgeltlich das Catering organisierte, hat sie keinen Kontakt zu diesem Unternehmen. Der Zweitkläger wiederum ist Inhaber der Marke „C*****" und räumte H***** daran ein Nutzungsrecht ein. Mit einer Anzeigenverkäuferin der Kronen Zeitung besprach er Inserate für H***** und deren Gestaltung, ohne seine Rechtsbeziehungen zu dem Unternehmen offen zu legen. Die Entwürfe für diese Inserate in der Kronen Zeitung wurden nach England geschickt, wo daran Korrekturen vorgenommen und die Freigabe erteilt wurde, und zwar von Kerstin D*****.
Aufgrund einer Ende 2003/Anfang 2004 zwischen Michael W***** und H*****, wobei für dieses Unternehmen damals Georg B***** und der Zweitkläger auftraten, getroffenen Vereinbarung lässt H***** die Produkte „C*****-H***** Aktivator" und „C*****-H***** Shampoo" im Unternehmen des Michael W***** in H***** produzieren. Die für die laufende Geschäftsbeziehung notwendigen Vereinbarungen über Mengen, Preise, Rezepturen, Lieferbedingungen und Produktionstermine trifft Michael W***** mit dem Zweitkläger, der dabei den Eindruck erweckt, für H***** in diesen Angelegenheiten Entscheidungen treffen zu dürfen.
Gegenüber pharmazeutischen Großhändlern, als Abnehmern von H*****-Produkten, traten Georg B***** und der Zweitkläger - zuletzt der Zweitkläger allein - als Repräsentanten von H***** auf, ohne offen zu legen, in welcher Rechtsbeziehung sie zu H***** stehen. Christina H***** war von September/Oktober 2004 bis Sommer 2005 als selbständige Handelsvertreterin für H***** tätig. Sowohl der Begründung als auch der Auflösung dieser Rechtsbeziehung lagen mündliche Vereinbarungen mit dem Zweitkläger, der für H***** auftrat, zugrunde. Ansprechpartner für die Handelsvertreterin waren während der aufrechten Vertragsbeziehung zunächst der Zweitkläger und Georg B*****, zuletzt nur noch der Zweitkläger, mit dem Christina H***** auch alle Vereinbarungen über Media-Pläne, Verkaufskonditionen und Provisionen traf und an den sie ihre Provisionsabrechnungen schickte. Die als Werbetexterin für H***** tätige Mag. Petra P***** arbeitete im Rahmen dieser Tätigkeit mit Georg B***** und dem Zweitkläger zusammen; die Freigabe der Werbetexte und eines Radiowerbespots erfolgte aber durch Kerstin D*****, an die Mag. Petra P***** auch ihre Honorarnoten richtete.
Außer den angeführten stehen keine weiteren Rechtsbeziehungen zwischen dem Zweitkläger und H***** fest.
Die Vorinstanzen verboten übereinstimmend den Beklagten - insbesondere in periodischen Druckschriften - das Verbreiten der Behauptung, dass die Kläger hinter dem Unternehmen H***** Ltd mit Sitz in London stehen, zumal im Zusammenhang mit dem Vorwurf, dass dieses Unternehmen unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen, erfundenen Ärzten, erfundenen Kliniken und nicht existenten Testreihen schwer kranken, verzweifelten Menschen das Geld aus der Tasche locke, oder einer Behauptung ähnlichen Inhalts. Weiters verpflichteten sie die Beklagten zur Zurücknahme dieser Behauptung als unrichtig, sohin unwahr, und zu ihrem Widerruf in der Zeitschrift „nova - Das Gratismagazin". Das Berufungsgericht vertrat dabei die Auffassung, die unmittelbare Einflussnahme auf die Entscheidungen einer juristischen Person setze zwingend Rechtsbeziehungen - sei es in Form von Gesellschaftsanteilen, sei es in Form von übertragener Vertretungsmacht - voraus. Auch ein „wirtschaftlicher" Einfluss, den die Beklagten gar nicht näher konkretisiert hätten, sei ohne Rechtsbeziehungen nicht denkbar. Selbst wenn die Kläger die Vorarbeiten zur Produkteinführung, zur Listung im Großhandel und zur Bewerbung von Österreich aus durchgeführt hätten, müssten entsprechende Vertragsbeziehungen zu H***** vorliegen, die einen wesentlichen Teil der Geschäfte dieses Unternehmens ausmachten; sonst wäre ein wirtschaftlicher Einfluss auf die Entscheidungen der vertretungsbefugten Organe der Gesellschaft gar nicht denkbar. Die Beklagten hätten auch kein Vorbringen zu konkreten wirtschaftlichen, faktischen Einflussmöglichkeiten der Kläger auf H*****, die nicht auf Rechtsbeziehungen zurückzuführen sind, erstattet. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Zweitkläger der H***** die Marke „C*****" zur Nutzung zur Verfügung stellte und sich um die Herstellung des Produkts und die Bewerbung dieses Produkts bemühte, sei noch keine bestimmende Einflussmöglichkeit auf die Entscheidungen der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft nachgewiesen. Der Wahrheitsbeweis sei von den Beklagten nicht erbracht worden; hinsichtlich der Erstklägerin habe keine Rechtsbeziehung zu H***** nachgewiesen werden können. Der Vorwurf, hinter einem Unternehmen zu stehen, das mit betrügerischen Mitteln für seine Produkte werbe und mit der Verzweiflung kranker Menschen Geschäfte mache, bedürfe des Nachweises, dass die Kläger tatsächlich in die Gesellschaftsstruktur des Unternehmens eingebunden seien, sei es als organschaftlicher Vertreter oder als Gesellschafter, oder aber in der Lage seien, einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens auszuüben. Ein solches Tatsachensubstrat sei nicht bewiesen. Auch ein wirtschaftlicher Einfluss des Zweitklägers auf das Unternehmen H***** sei nicht erwiesen, stehe doch in keiner Weise fest und sei auch gar nicht behauptet, dass die Produkte, die unter der vom Zweitkläger dem Unternehmen zur Nutzung überlassenen Marke vertrieben wurden, die einzigen von diesem Unternehmen hergestellten Produkte waren und einen erheblichen Teil des Umsatzes dieses Unternehmens ausmachten.
1. Die Beklagten bringen in ihrer Revision keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung.1. Die Beklagten bringen in ihrer Revision keine Rechtsfragen der in Paragraph 502, Absatz eins, ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung.
1.1. Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil liegt eine umfangreiche Rechtsprechung vor (RIS-Justiz RS0032212, RS0031833, RS0112211). Dies gilt auch für die Anforderungen an den Wahrheitsbeweis (RIS-Justiz RS0079693) und die Beweislast im Zusammenhang mit § 1330 ABGB (RIS-Justiz RS0031798).1.1. Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil liegt eine umfangreiche Rechtsprechung vor (RIS-Justiz RS0032212, RS0031833, RS0112211). Dies gilt auch für die Anforderungen an den Wahrheitsbeweis (RIS-Justiz RS0079693) und die Beweislast im Zusammenhang mit Paragraph 1330, ABGB (RIS-Justiz RS0031798).
1.2. Dass zwischen den Streitteilen bzw zum selben Themenkomplex mehrere ähnliche Verfahren anhängig sind, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Anderes würde nur dann gelten, wenn eine Entscheidung für die Beurteilung und Regelung der Rechtsbeziehungen bestimmter Verkehrskreise - somit eines jedenfalls größeren Teils der Bevölkerung - von Bedeutung wäre (vgl Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 [2005] § 502 Rz 59 mwN).1.2. Dass zwischen den Streitteilen bzw zum selben Themenkomplex mehrere ähnliche Verfahren anhängig sind, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO. Anderes würde nur dann gelten, wenn eine Entscheidung für die Beurteilung und Regelung der Rechtsbeziehungen bestimmter Verkehrskreise - somit eines jedenfalls größeren Teils der Bevölkerung - von Bedeutung wäre vergleiche Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 [2005] Paragraph 502, Rz 59 mwN).
2. Mit ihrer Auffassung, der festgestellte Sachverhalt decke nicht die Behauptung, die Kläger stünden „hinter" der H*****, haben die Vorinstanzen den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum jedenfalls nicht überschritten, sodass keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt. Entgegen den Revisionsbehauptungen haben sich die Vorinstanzen nicht auf die Prüfung rechtlicher Einflussmöglichkeiten beschränkt, sondern auch allfällige wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten erörtert. Insoweit haben die Beklagten aber kein ausreichendes Vorbringen erstattet. Die festgestellten Einflussmöglichkeiten tragen die Behauptung, die Kläger stünden „hinter" der H*****, jedenfalls nicht.
3. Zu ergänzen ist noch, dass die Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichts vor Veröffentlichung des Zeitungsartikels keine Recherchen darüber angestellt haben, ob die Behauptung, die Kläger stünden hinter H*****, wahr ist oder nicht; es stehe auch nicht fest, auf Basis welcher Informationsgrundlage sie diese Behauptung aufstellten.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Anmerkung
E896636Ob245.08kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00245.08K.1126.000Zuletzt aktualisiert am
16.02.2009