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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §200 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Ing. FS in Wien, vertreten durch Dr. Stefan Kovacsevich, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Jacquingasse 35, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 12. Juli 2004, GZ. RV/0161- W/04, betreffend Antrag auf Endgültigerklärung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Antrages auf Endgültigerklärung des Einkommensteuerbescheides 2001 keine Folge.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2001 neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit solche aus Gewerbebetrieb, nämlich der Herstellung von Oblaten, erzielt. Der Beschwerdeführer habe darauf hingewiesen, dass der Gewerbebetrieb bereits seit dem Jahr 1912 bestünde. Er habe die Namen sämtlicher Vorbesitzer bekannt gegeben und erklärt, den Betrieb seinerseits im Jahr 1997 erworben zu haben. Die Vorbesitzer hätten - wie deren Akten entnommen werden könne - laufend Gewinne erzielt. Der Betrieb sei daher objektiv ertragsfähig. In der mündlichen Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer betont, dass die Verluste in den fehlenden Rezepturen (von insgesamt vier Rezepturen fehlen dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage noch drei) und den noch nicht abgeschlossenen Verfahren beim Patentamt begründet seien.
Festzustellen sei, so die belangte Behörde weiter, dass der Beschwerdeführer Oblaten erzeuge und sie sowohl im eigenen Lokal als auch an andere Handelsunternehmen verkaufe. Der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1997 bis 2001 nur Verluste erzielt. Das Finanzamt habe die Verluste der ersten vier Jahre anerkannt. Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung sei der Prüfer zum Ergebnis gelangt, dass für die Beurteilung, ob Liebhaberei gegeben sei, noch die Entwicklung der Umsätze in den folgenden Jahren abgewartet werden müsse. Es müsse beobachtet werden, ob der Beschwerdeführer Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage setze. Die "Kriterien der Umsatzentwicklung und der zu setzenden Rationalisierungsmaßnahmen" seien im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht ausreichend gegeben, sodass der Prüfer zu Recht die Ansicht vertreten habe, dass eine Kriterienprüfung im Sinne der Liebhabereiverordnung nicht durchgeführt werden könne. Mangels Vorliegens eines ausreichenden Zeitraumes für die Beurteilung der Umsatzentwicklung habe im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht endgültig darüber abgesprochen werden können, ob von Seiten des Beschwerdeführers entsprechende Maßnahmen gesetzt würden, um den Betrieb in die Gewinnzone zu führen. Damit stehe die Ertragsfähigkeit des Unternehmens auf Grund der Ermittlungsergebnisse nach wie vor nicht fest. Der Tatbestand für eine vorläufige Abgabenfestsetzung sei daher verwirklicht.
Der Beschwerdeführer habe in seinen Schriftsätzen umfangreiches Vorbringen erstattet, das sich im Wesentlichen auf die mögliche Beurteilung der Betätigung als Liebhaberei bezogen habe. Ob es sich bei der strittigen Tätigkeit um eine Einkunftsquelle handle, sei jedoch nicht Gegenstand der Berufung. Streitgegenständlich sei lediglich, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Abgabenfestsetzung vorlägen. Mit dem Instrument der Vorläufigkeit werde nicht zu einem späteren Zeitpunkt ein erst später verwirklichter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde gelegt, wie der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht habe, sondern der früher verwirklichte, aber aus den Umständen erst später mit aller Gewissheit erkannte Sachverhalt zur Besteuerung herangezogen. Eine künftige Gewinnsteigerung stelle einen weiteren Anhaltspunkt dafür dar, ob die Betätigung des Beschwerdeführers objektiv geeignet sei, Gewinne zu erzielen, und ob die Betätigung mit Gewinnabsicht betrieben werde. Dabei handle es sich um jene Sachverhaltselemente, die bei der Beurteilung der Betätigung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch keiner endgültigen Klärung hätten zugeführt werden können.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund komme den Beweisanträgen des Beschwerdeführers keine rechtliche Relevanz zu. Weder durch eine Anfrage an das Patentamt noch durch Einsicht in den Akt über den Rechtsstreit der Patentvorbesitzer lasse sich eine Aussage darüber treffen, ob für die Behörde eine Ungewissheit hinsichtlich der Abgabepflicht des Beschwerdeführers bestehe. Auch für den Beschwerdeführer könne aus diesen Akten keine Aufklärung darüber gewonnen werden, ob die Behörde zu Recht von einer Ungewissheit ausgegangen sei. Nicht zu folgen sei auch dem Antrag des Beschwerdeführers, darüber abzusprechen, dass "keine Liebhaberei vorhanden sein könne, solange der Staat durch eine andere staatliche Stelle, diesfalls des Patentamtes, keine rechtsverbindliche Entscheidung getroffen habe". Für einen derartigen Abspruch fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Von den beantragten Zeugenvernehmungen sei gleichfalls abzusehen, weil den genannten Beweisthemen entweder keine Aussagekraft im gegenständlichen Verfahren zukomme oder Beweisthemen gar nicht angeführt worden seien.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. September 2005, B 1555/04-4, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:
Die Liebhabereiverordnung 1993, BGBl. Nr. 33/1993 (im Folgenden: LVO), stellt in erster Linie auf die Absicht des Steuerpflichtigen ab, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über Werbungskosten zu erzielen. Im Falle von Betätigungen im Sinn des § 1 Abs. 1 LVO ist das Vorliegen von Einkünften anzunehmen. Voraussetzung ist, dass die Absicht an Hand objektiver Umstände nachvollziehbar ist, und zwar - wenn die Betätigung nicht in der entgeltlichen Überlassung von Gebäuden besteht - an Hand objektiver Umstände im Sinne des § 2 Abs. 1 LVO.
Gemäß § 2 Abs. 1 LVO ist das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, insbesondere an Hand der in den Z. 1 bis 6 des § 2 Abs. 1 LVO genannten Kriterien zu beurteilen. Gemäß § 2 Abs. 2 LVO ist nach Ablauf des Anlaufzeitraumes unter Berücksichtigung der Verhältnisse auch innerhalb dieses Zeitraumes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob weiterhin vom Vorliegen von Einkünften auszugehen ist.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei der gegenständlichen Tätigkeit um eine solche gemäß § 1 Abs. 1 LVO handelt, sodass die für die Qualifizierung als Einkunftsquelle maßgebliche Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen, zunächst zu vermuten ist.
Stellt sich bei einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO (mit Ausnahme der Vermietung) objektiv erst nach mehreren Jahren heraus, dass sie niemals erfolgbringend sein kann, kann sie dennoch bis zu diesem Zeitpunkt als Einkunftsquelle anzusehen sein. Erst wenn die Tätigkeit dann nicht eingestellt wird, ist sie für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt als Liebhaberei zu qualifizieren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 2003, 99/15/0209, und vom 23. Februar 2005, 2002/14/0024).
Da die LVO das subjektive Ertragstreben in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, ist im Rahmen der durch § 2 Abs. 1 leg. cit. normierten Kriterienprüfung das Schwergewicht auf die bis zum jeweiligen Veranlagungsjahr eingetretene Entwicklung, nicht hingegen auf nachfolgende Jahre zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, 96/15/0219, VwSlg. 7.687/F).
Wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, die Einkommensteuer des Jahres 2001 sei zu Recht vorläufig festgesetzt, weil die (künftige) Umsatzentwicklung ebenso ungewiss sei, wie die Frage, ob "von Seiten des Bw. entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, um den Betrieb in die Gewinnzone zu führen", verkennt sie die Rechtslage. Es kommt nicht darauf an, ob die vom Steuerpflichtigen gesetzten Maßnahmen tatsächlich "in die Gewinnzone" führen, vielmehr ist die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Verfolgung der in § 1 Abs. 1 LVO beschriebenen Absicht ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Erfolg zu prüfen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, 2003/14/0022).
Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die von der belangten Behörde gesehenen Gründe für die Erlassung eines vorläufigen Bescheides, die künftige Umsatzentwicklung und das Setzen von "Rationalisierungsmaßnahmen" des Beschwerdeführers seien abzuwarten, vermögen den Bescheid nach dem Gesagten nicht zu tragen. Vor dem Hintergrund des Parteienvorbringens, die aufgetretenen Verluste seien zum einen auf nachgeholte Investitionen, zum anderen auf den andauernden Patentstreit zurückzuführen, wird im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar aufgezeigt, dass das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO noch ungewiss sei. Wie lange beim vorliegenden Sachverhalt - dem Fehlen notwendiger Patente - die (vorübergehende) Fortsetzung der Tätigkeit noch als wirtschaftlich vernünftige Reaktion eines mit Gewinnabsicht handelnden Steuerpflichtigen betrachtet werden kann, ist nach den Umständen des konkreten Patentstreites - jedenfalls nicht rückwirkend in einer Art ex post Betrachtung - zu beurteilen.
Ob bei dieser Rechtslage schon bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2001 - objektiv gesehen - keine Ungewissheit bestanden hat, kann dahingestellt bleiben, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine endgültige Abgabenfestsetzung auch in diesem Fall zu erfolgen hätte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. August 1994, 94/14/0055, und vom 28. März 2001, 98/13/0032).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 12. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006150075.X00Im RIS seit
30.01.2008Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008