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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §6 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des G, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. September 2004, Zl. 224.455/5-VIII/22/04, betreffend §§ 6 Z 2 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, stellte am 11. Juli 2003 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, dass er auf keinen Fall in die Ukraine zurückkehren könne. Er könnte "umgebracht werden". Im Jahre 1999 habe er in der Ukraine in einer Militärfabrik gearbeitet. Er sei in dieser Fabrik von einer Arbeitshalle in eine andere versetzt worden. Wegen behaupteter mangelnder Arbeitsleistung habe man ihn kündigen wollen. Er sei gegen seinen Arbeitgeber gerichtlich vorgegangen. Diesen Prozess habe er auch gewonnen. Während des Gerichtsverfahrens sei er Drohungen durch den Firmenchef ausgesetzt gewesen. Auch habe er in einer Filiale der Militärfabrik Arbeitsmaterial für sein Haus bestellt. Diese Filiale habe ihm weder das Baumaterial geliefert noch die bereits entrichteten Geldleistungen zurückgezahlt. In einem darüber geführten weiteren Gerichtsprozess habe er erreicht, dass die Filiale ihm das Geld hätte zurückzahlen müssen. Später habe er selbst in der Militärfabrik gekündigt und auf Grund von Warnungen durch seine Bekannten unverzüglich die Ukraine verlassen. Er sei von den Führungskräften der Militärfabrik verfolgt worden. Der Chef der Fabrik sei ein "großer Mann in der Stadt". Auch würden ihn diese "Leute nie in Ruhe lassen". Sie hätten schließlich Gerichtsverhandlungen verloren.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24. Juni 2004 den Asylantrag gemäß § 6 Z 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet ab (Spruchpunkt I), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III).
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer als zentrales Vorbringen die Furcht vor Führungskräften der Fabrik auf Grund der erfolgreichen Führung eines Arbeitsprozesses vorgebracht habe. Damit beziehe er sich jedoch offensichtlich auf die "Vetternwirtschaft", die keine asylrelevanten Momente beinhalte. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgelegten Entscheidungen ukrainischer Gerichte würden auf eine hohe Rechtsstaatlichkeit hinweisen. Es gäbe keinen Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer "allenfalls unfair" behandelt worden sei. Jedenfalls sei auszuschließen, dass der Beschwerdeführer aus asylrelevanten Motiven nicht zu seinem Recht gekommen wäre. Aus dem Vorbringen und den übersetzten Unterlagen gehe schließlich noch hervor, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Kauf von Arbeitsmaterial für sein Haus Geschädigter eines Konkursverfahrens geworden sei. Auch daraus lasse sich kein Asylgrund für den Beschwerdeführer herleiten. Die Unterlagen würden vielmehr gegen jegliche asylrelevante Verfolgung sprechen. Dies decke sich auch mit der Aussage des Beschwerdeführers, dass er legal aus der Ukraine ausgereist sei und weder politisch noch religiös tätig gewesen sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht einmal geeignet gewesen, die "asylrechtliche Schwelle" überhaupt zu erreichen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. In dieser führt er aus, dass er zwar die ukrainische Staatsbürgerschaft besitze, von seiner "Nationalität her" jedoch Weißrusse sei. Seine Probleme stünden in engem Zusammenhang mit seiner Nationalität. Er sei 1977 als russischer Offizier in die Ukraine gekommen. Dort habe er in einer Militärfabrik für Radiotechnik gearbeitet. Um zu verhindern, dass seine Ehefrau, eine Russin, in die Probleme, die er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gehabt hätte, hineingezogen würde, habe er sich von dieser scheiden lassen. Die Annahme des Bundesasylamtes, wonach die von ihm behauptete Verfolgungsgefahr nicht auf die in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) genannten Gründe zurückzuführen sei, sei somit keineswegs zutreffend.
In einer handschriftlichen Ergänzung seiner Berufung führte der Beschwerdeführer weiters aus, dass er vor Gericht über ein Jahr lang um die Rückgabe einer Gartenparzelle prozessiert habe, die ihm auf Grund eines Beschlusses der Gartenbaugenossenschaft entzogen worden sei. Seine Probleme hätten mit dem Zerfall der Sowjetunion begonnen. In der Militärfabrik habe er sich geweigert, den Treueeid auf die Ukraine zu leisten. Dieser Umstand und auch seine Nationalität seien Grund für die "ganze Kette der nachfolgenden Ereignisse" gewesen. Im Winter 2000 habe er auch an den Aktionen "Ukraine ohne Kutschma" teilgenommen. Seine von ihm geschiedene Frau werde dauernd von der Stadtverwaltung sowie von Bekannten und Nachbarn nach seinem Aufenthaltsort befragt. Er könne auf keinen Fall in die Ukraine zurück. Eine solche Rückkehr sei nicht nur für seine Freiheit gefährlich, sondern hätte auch negative Folgen für seine in der Ukraine verbliebenen Kinder und seine geschiedene Frau.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung "gemäß §§ 6, 8 AsylG" ab.
Nach Ansicht der belangten Behörde werde im Bescheid des Bundesasylamtes zutreffend ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevanten Momente aufweise. Insbesondere lasse sich die behauptete Verfolgungsgefahr nicht auf die im Artikel 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückführen. Zudem würden die vom Beschwerdeführer vorgelegten zahlreichen Dokumente - insbesondere die Entscheidungen der verschiedenen Gerichte - auf eine hohe Rechtsstaatlichkeit hinweisen. Es läge geradezu in der Natur der Sache, dass bei gerichtlichen Entscheidungen häufig eine oder mehrere Verfahrensparteien nicht zufrieden gestellt würden. Jedenfalls würden sich daraus keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner weißrussischen Nationalität in asylrelevanter Weise benachteiligt worden wäre. Auch hätten die vom Bundesasylamt zitierten Länderfeststellungen keine Hinweise auf irgendeine Diskriminierung oder gar Verfolgung von Personen, die der weißrussischen Volksgruppe in der Ukraine angehörten, ergeben.
Die Berufung des Beschwerdeführers sei daher ohne Durchführung der von diesem in der Berufung beantragten mündlichen Verhandlung abzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach § 6 AsylG (Stammfassung) sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist nach § 6 Z 2 AsylG der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat die behauptete Verfolgungsgefahr nach dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht auf die im Artikel 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen ist.
Bei der Prüfung, ob ein Fall des § 6 Z 2 AsylG vorliegt, ist von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen eine Verfolgung aus den im Artikel 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründen offensichtlich nicht entnehmen lässt. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung einen Zusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung seiner Person und seiner weißrussischen Abstammung hergestellt. Er hat sich damit auf einen Konventionsgrund bezogen, der eine Heranziehung des § 6 Z 2 AsylG ausschloss.
Die von der belangten Behörde zur Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens angestellten Überlegungen sind bei Anwendung des § 6 Z 2 AsylG verfehlt, weil der genannte Tatbestand ausschließlich auf das Vorbringen der Asylwerber abstellt und insofern für eine Beurteilung auf Basis ergänzender oder gar gegenteiliger (Länder-)Feststellungen - ebenso wie § 6 Z 1 leg. cit. - keinen Raum bietet (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2003, Zlen. 99/20/0453 und 99/20/0454).
Darüber hinaus hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Abspruch über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides) unverändert bestätigt. In einem Fall wie dem Vorliegenden sind die Asylbehörden jedoch nicht berechtigt, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Aus diesen Gründen war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 12. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190329.X00Im RIS seit
13.02.2008