TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/12 2006/19/0320

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Veröffentlicht am 12.12.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §31 Abs2 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §44 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §44 Abs3 idF 2003/I/101;
AVG §13a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. Juni 2004, Zl. 212.453/7-IV/11/04, betreffend ersatzlose Behebung eines Bescheides in einer Asylsache wegen Zurückziehung des Asylantrages (mitbeteiligte Partei: G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Indien, beantragte am 1. März 1999 in Österreich Asyl.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24. August 1999 den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig. Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit Bescheid vom 28. September 1999 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, Zl. 2000/20/0004, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2004, beim Bundesasylamt eingelangt am 14. Juni 2004, erklärte der durch einen Rechtsanwalt vertretene Mitbeteiligte, dass er "trotz der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2000/20/0004-7 vom 12. Dezember 2002 seinen Antrag auf Gewährung von Asyl in Österreich" zurückziehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos. Eine ersatzlose Behebung eines Bescheides habe nämlich nach Ansicht der belangten Behörde dann zu erfolgen, wenn der dem Bescheid der Erstinstanz zu Grunde liegende Antrag, der durch den in Berufung gezogenen Bescheid der Erstinstanz erledigt worden sei, zurückgezogen werde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde zu der die belangte Behörde mit der Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift erstattet hat. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Bezug auf die Zurückziehung von Asylanträgen bestimmt der am 1. Mai 2004 in Kraft getretene § 23 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003:

"(3) Die Zurückziehung eines Asylantrages ist unzulässig (§ 31 Abs. 2); die Behörde hat jedenfalls über den Asylantrag abzusprechen, es sei denn, das Verfahren wird eingestellt oder der Antrag wird als gegenstandslos abgelegt (§ 40a Abs. 3). Eine Zurückziehung des Asylantrages im Stadium der Berufung gilt als Zurückziehung der Berufung."

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen. Gemäß § 44 Abs. 3 AsylG sind aber "die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (...) auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden".

Die Vorgangsweise der belangten Behörde entspräche - bezogen auf die Rechtslage vor der AsylG-Novelle 2003 - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in Asylsachen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/01/0289).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. März 2006, Zl. 2003/20/0345, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, aber ausgesprochen hat, ergibt sich aus der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 und 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, dass die im § 23 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 normierte Unzulässigkeit der Zurückziehung des Asylantrages und die im Zusammenhang damit getroffene Regelung, dass eine solche Antragsrückziehung im Stadium der Berufung als Zurückziehung der Berufung gelte, grundsätzlich auch für Asylanträge maßgeblich ist, die - wie im vorliegenden Fall - bis zum 30. April 2004 gestellt und nach diesem Zeitpunkt zurückgezogen wurden. Im Beschwerdefall galt daher die im Stadium der Berufung vorgenommene Antragszurückziehung als Zurückziehung der Berufung (vgl. dazu auch die hg. Beschlüsse vom 21. März 2006, Zl. 2005/01/0328, und vom 27. April 2006, Zl. 2006/20/0050).

Das im bereits zitierten Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/01/0289, aufgestellte Wirksamkeitserfordernis einer dem Asylwerber zu erteilenden Rechtsbelehrung über die gesetzliche Umdeutung der Antragszurückziehung in eine (umfassende) Berufungszurückziehung wurde für den Fall des § 23 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 durch einen näher begründeten zwingenden Größenschluss aus § 31 Abs. 2 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 gezogen.

Die behördliche Belehrung ist somit Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eintritt der in § 23 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 vorgesehenen Rechtsfolge. Damit liegt eine lex specialis zu der ebenfalls eine Rechtsbelehrung anordnenden Bestimmung des § 13a AVG vor. Diese spezielle Anordnung einer Belehrungspflicht hat zudem eine gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des AVG atypische Rechtsfolge zum Gegenstand.

Einer Belehrung nach § 31 Abs. 2 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 bedarf es daher im Gegensatz zu § 13a AVG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1994, Zl. 93/07/0166, und vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0070) auch bei Vertretung des Asylwerbers durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter.

Dies hat zur Folge, dass die Fiktion einer Berufungszurückziehung im vorliegenden Fall - mangels aktenkundiger Belehrung - entgegen der in der Amtsbeschwerde vertretenen Auffassung nicht eingetreten ist. Der belangten Behörde war es allerdings auch verwehrt, der Antragzurückziehung die allgemein und bis zur AsylG-Novelle 2003 auch im Asylverfahren gültige Rechtswirkung beizumessen (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/01/0289).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 12. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190320.X00

Im RIS seit

16.01.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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