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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des KR in N, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 30. Oktober 2003, Zl. uvs- 2003/K4/003-3, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 12. Dezember 2002 in B, Hotel K, vier näher bezeichnete ausländische Staatsbürger, nämlich drei slowakische Personen und eine polnische Person beschäftigt, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung vorgelegen, noch diese im Besitz einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und auch keine Entsendebewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt gewesen seien. Er habe dadurch Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Über den Beschwerdeführer wurden vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von jeweils fünf Tagen verhängt.
In der Begründung traf die belangte Behörde Feststellungen in Form der Wiedergabe der Aussagen von zwei Zeugen bei der mündlichen Verhandlung und führte aus, es bestehe kein Hinweis, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Daraus könne die Feststellung erschlossen werden, dass eine Ausländerin künstlerisch gemalt habe und die drei weiteren Ausländer mit Modellieren beschäftigt gewesen seien, dies im Wellnessbereich eines Hotels. Mit den Ausländern seien anlässlich ihrer Betretung Niederschriften angefertigt worden, sie hätten dabei ausgesagt, der Beschwerdeführer sei ihr Chef, die Ausländerin habe angegeben, sie "lerne" bei ihm. Die Niederschriften seien von den Ausländern nicht unterschrieben worden, jedoch hätte eine Zeugin bestätigt, dass die Angaben so gemacht worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 160/2002 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 3 AuslBG einen Ausländer ohne ein in dieser Bestimmung angeführtes Papier beschäftigt, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis zu 10 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis zu 20 000 Euro.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde, dass die angeführten Ausländer im Bereich eines Hotels Arbeitsleistungen erbracht haben, hinsichtlich dessen er einen Auftrag auf künstlerische Ausgestaltung übernommen hatte. Er hält den angefochtenen Bescheid jedoch deswegen für rechtswidrig, weil die Ausländer als selbständige Künstler tätig gewesen seien und auch im Fall ihrer Unselbständigkeit keine Beschäftigungsbewilligung benötigt hätten. Dies sei ihm durch Auskünfte in Telephongesprächen mit einem Mitarbeiter des Bundesministeriums für Inneres sowie des Arbeitsmarktservice in Innsbruck bestätigt worden. Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren die Namen dieser Personen und entsprechende Gesprächsnotizen bekannt gegeben.
Schon mit letzterem Einwand zeigt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Jedenfalls beim Arbeitsmarktservice (dem Landesgeschäftsführer) handelt es sich nämlich um eine zur Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuständige Behörde. Die Erteilung einer (auch unrichtigen) Auskunft durch die für die Vollziehung eines Gesetzes zuständige Behörde, ein bestimmtes Verhalten sei nicht strafbar, stellt aber einen Schuldausschließungsgrund dar (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0176, und vom 19. November 2002, Zl. 2002/21/0096). Indem die belangte Behörde es in Verkennung dieser Rechtslage unterließ, dem ausreichend konkreten Hinweis des Beschwerdeführers nachzugehen, er habe vom Arbeitsmarktservice eine bestimmte Auskunft erhalten, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat sie somit die Rechtslage verkannt.
Der Beschwerdeführer rügt weiters zu Recht, dass die belangte Behörde keine ausreichend konkreten Feststellungen hinsichtlich der Tätigkeit der Ausländer, insbesondere des persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses der Arbeitskräfte zu ihm (bestand insoferne eine Abhängigkeit?), hinsichtlich der verwendeten Arbeitsmittel, der Arbeitszeit oder der Überwachung durch den Beschwerdeführer getroffen hat. Erst auf Grund derartiger genauerer Feststellungen hätte sich beurteilen lassen, ob tatsächlich eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2, 3 und 4 AuslBG - oder aber eine selbständige Tätigkeit der Ausländer - vorlag.
Des Weiteren hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, dass sie keinen Versuch unternahm, die vier Ausländer, deren ausländische Adressen der Beschwerdeführer bekannt gegeben und deren Einvernahme er beantragt hatte, zur öffentlichen mündlichen Verhandlung zu laden. Die Ausländer wurden jeweils am 20. Dezember 2002 vor der Bezirkshauptmannschaft R einvernommen. Ihre Angaben wurden von der als "Dolmetscherin" beigezogenen Kellnerin des Hotels, JS, in deren Muttersprache (tschechisch) übersetzt. Alle Ausländer haben die mit ihnen angefertigten Niederschriften nicht unterzeichnet.
Im angefochtenen Bescheid verweist die belangte Behörde zu Feststellungen des entscheidungswesentlichen Sachverhalts jedoch ausschließlich auf den "aus dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses samt der ha. vorgenommenen Berichtigung ersichtlichen Sachverhalt". Dieser stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben in den Niederschriften vor der Bezirkshauptmannschaft R, denen der Beschwerdeführer in seiner Berufung sachverhaltsmäßig entgegentritt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass aus dem Umstand allein, dass ein Zeuge ins Ausland abgeschoben wurde, nicht geschlossen werden dürfe, es handle sich bei seiner Aussage um ein nicht greifbares Beweismittel, weshalb eine Bestrafung ohne jeden Versuch, eine relevante Aussage des im Ausland aufhältigen Zeugen zu erlangen, eine Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK darstellen würde. Die belangte Behörde hat daher auf geeignete Weise den Versuch zu machen, mit im Ausland aufhältigen Zeugen, deren Aussagen relevant sein könnten, und auf geeignete Weise in Kontakt zu treten, um ihre grundsätzlich gemäß § 51i VStG gebotene unmittelbare Aussage vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu ermöglichen oder zumindest eine schriftliche Erklärung zu erwirken.
Diesen Grundsätzen hat das Vorgehen der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Die belangte Behörde hat keinen Versuch unternommen, mit diesen Zeugen unter deren aktenkundigen Anschriften Kontakt aufzunehmen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Zeugen nicht, (ohne Androhung von Zwangsfolgen für den Fall ihres Fernbleibens, also freiwillig) bereit gewesen wären, zu einem von der belangten Behörde festgesetzten Verhandlungstermin zu kommen und eine unmittelbare Aussage vor der belangten Behörde abzulegen, oder zumindest eine schriftliche Erklärung an die belangte Behörde zu übermitteln. Die belangte Behörde hat hiezu keinen Versuch angestellt, so dass fallbezogen nicht feststeht, ob derartige Bemühungen fehlgeschlagen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2004/09/0122).
Weil der angefochtene Bescheid sohin sowohl an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet, als auch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war er im Hinblick darauf, dass der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG jenen der Z 3 leg. cit. prävaliert, nach der erstgenannten Vorschrift aufzuheben.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 3, 4 und 6 VwGG entbehrlich.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde bei der Strafbemessung im Grunde des gemäß § 19 Abs. 2 dritter Satz VStG grundsätzlich anzuwendenden § 34 Abs. 2 StGB den seit der Begehung der Tat erfolgten Zeitablauf als mildernd zu berücksichtigen haben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. Dezember 2007
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Beweise Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Beweismittel ZeugenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004090063.X00Im RIS seit
24.01.2008Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008