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L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AlVG 1977 §23 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der SG in Judenburg, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Juni 2006, Zl. FA11A-32-1154/06-9, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Februar 2006 bis Juni 2006 Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs in Höhe von monatlich EUR 266,51, ein Energiekostenbeitrag für den Monat Februar 2006 in Höhe von EUR 43,-- und eine Sonderzahlung für den Monat Juni 2006 in Höhe von EUR 449,10 gewährt. Weiters wurden für den Zeitraum Februar 2006 bis Juni 2006 die Wohnungskosten der Beschwerdeführerin in Höhe von monatlich EUR 89,54 aus Mitteln der Sozialhilfe übernommen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe um Invaliditätspension angesucht, das Pensionsverfahren laufe. Sie erhalte einen Pensionsvorschuss von EUR 6,67 täglich. Die Beschwerdeführerin habe keine Betreuungspflichten und sei trotz gegebener Arbeitsfähigkeit nicht gewillt, ihre Arbeitskraft zur Sicherung ihres Lebensbedarfs einzusetzen. Mehrmaligen Aufforderungen, ihre Bemühungen um den Erhalt einer Beschäftigung in glaubhafter Form nachzuweisen, sei sie nicht nachgekommen. Als Pensionsvorschussbezieherin werde die Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice zwar nicht vermittelt, sie dürfe aber einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Dies sei ihr auch möglich und zumutbar. Sie sei allerdings dazu nicht bereit, sodass die ihr in Form einer richtsatzgemäßen Geldleistung zu gewährende Sozialhilfe um 10 % zu kürzen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Stmk Sozialhilfegesetz (Stmk SHG) umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch eine angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben gehören.
Als Maßnahmen zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhaltes, ausgenommen den Aufwand für Unterkunft, können gemäß § 8 Abs. 2 Stmk SHG fortlaufende monatliche Geldleistungen gewährt werden. Solche Geldleistungen sind nach Richtsätzen zu bemessen (richtsatzgemäße Geldleistung).
Die richtsatzgemäße Geldleistung kann gemäß § 8 Abs. 4 Stmk SHG im Einzelfall auf das zum Lebensunterhalt unerlässliche Maß beschränkt werden, wenn der Hilfeempfänger trotz wiederholter Aufforderung mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht sparsam umgeht oder trotz Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeit nicht gewillt ist, seine Arbeitskraft zur Sicherung seines Lebensbedarfes einzusetzen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Stmk SHG sind Art und Ausmaß der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes davon abhängig zu machen, dass der Hilfeempfänger bereit ist, seine Arbeitskraft in zumutbarer Weise zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen. Dabei ist auf den gesundheitlichen Zustand, das Lebensalter und nach Möglichkeit auf die berufliche Eignung und Vorbildung des Hilfeempfängers sowie auf die familiären Verhältnisse, insbesondere auf die geordnete Erziehung der unterhaltsberechtigten Kinder Bedacht zu nehmen.
Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft darf gemäß § 6 Abs. 2 lit. b Stmk SHG insbesondere von erwerbsunfähigen Personen nicht verlangt werden.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Beschwerdeführerin sei trotz gegebener Erwerbsfähigkeit mehrmaligen Aufforderungen, ihre Bemühungen zur Erlangung einer (geringfügigen) Beschäftigung nachzuweisen, nicht nachgekommen. Da sie somit nicht gewillt sei, ihre Arbeitskraft zur Sicherung ihres Lebensbedarfs einzusetzen, sei ihr die in Form einer richtsatzgemäßen Geldleistung zu gewährende Sozialhilfe um 10 % zu kürzen.
Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, sie beziehe einen Pensionsvorschuss gemäß § 23 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Dieser Bezug sei jedoch nur möglich, "wenn sie nicht arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitsbereit" sei. Die belangte Behörde könne von ihr daher nicht den Einsatz der eigenen Kräfte zur Beschaffung des Lebensbedarfs verlangen. Vielmehr hätte sie von der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin ausgehen und eine Kürzung der richtsatzgemäßen Geldleistung um 10 % unterlassen müssen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) kann Arbeitslosen, die die Zuerkennung
1. einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit oder eines Übergangsgeldes aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung oder
2. einer Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz oder eines Sonderruhegeldes nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz beantragt haben,
bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen vorschussweise Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden.
Für die vorschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ist gemäß § 23 Abs. 2 AlVG erforderlich, dass
1. abgesehen von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1, die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen vorliegen,
2. im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung zu rechnen ist und
3. im Falle des Abs. 1 Z. 2 überdies eine Bestätigung des Pensionsversicherungsträgers vorliegt, dass voraussichtlich eine Leistungspflicht dem Grunde nach binnen zwei Monaten nach dem Stichtag für die Pension nicht festgestellt werden kann.
Abgesehen davon, dass mit der vorschussweisen Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nach dieser Bestimmung noch keine abschließende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Antragstellers verbunden ist, wäre die Sozialhilfebehörde, selbst wenn eine Feststellung auf Grund des AlVG vorläge, nicht daran gebunden. Vielmehr obliegt es der Sozialhilfebehörde, die Frage der Erfüllung von Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Stmk SHG selbständig und nach Maßgabe dieses Gesetzes zu beantworten (vgl. z.B. das zum NÖ SHG ergangene hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1985, Zl. 85/11/0178, sowie das zum Wr SHG ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0107; vgl. auch Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (1989), S. 420 f).
Mit dem Hinweis auf den Bezug eines Pensionsvorschusses allein zeigt die Beschwerde daher nicht auf, dass die belangte Behörde zu Unrecht von der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Sinne des Stmk SHG ausgegangen wäre.
Ihre Auffassung, die Beschwerdeführerin sei grundsätzlich erwerbsfähig und es sei ihr der Einsatz ihrer Arbeitskraft auch möglich und zumutbar, hat die belangte Behörde auf ein amtsärztliches Gutachten gestützt, demzufolge die Beschwerdeführerin "unter Berücksichtigung gewisser Einschränkungen" arbeitsfähig ist. "Tätigkeiten, die mit dem Heben und Tragen von mittelschweren bzw. schweren Lasten verbunden sind, ständige Zwangshaltungen in gebückter Stellung, Kälteexposition und Durchnässung sind zu vermeiden."
Die Beschwerdeführerin erachtet dieses Gutachten als unzureichend. Es werde darin nicht gesagt, unter welchen Einschränkungen ihre Arbeitsfähigkeit als gegeben anzunehmen sei und welche Tätigkeiten für sie überhaupt in Betracht kämen. Überdies seien "jene Urkunden", die für die Gewährung des Pensionsvorschusses wesentlich gewesen seien und die ihre mangelnde Arbeitsfähigkeit ergeben hätten, nicht berücksichtigt worden.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf: Soweit sie eine sachverständige Aussage betreffend jene Einschränkungen vermisst, unter denen ihre Arbeitsfähigkeit als gegeben angenommen wurde, übersieht sie, dass das amtsärztliche Gutachten die zu vermeidenden Tätigkeiten - wie dargelegt - im Einzelnen nennt. Dem Hinweis auf die Nichtberücksichtigung von für die Gewährung des Pensionsvorschusses wesentlichen Unterlagen ist jedoch zu entgegnen, dass dem amtsärztlichen Gutachten nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde zu Grunde gelegt wurden. Dass und gegebenenfalls welche weiteren Befunde zur Beurteilung ihrer Erwerbs(un)fähigkeit vorlägen oder noch erforderlich seien, hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der vorliegenden Beschwerde konkret vorgebracht. Mit dem Hinweis, es hätten nicht näher bezeichnete "Urkunden" berücksichtigt werden müssen, wird jedoch kein relevanter Verfahrensmangel im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufgezeigt.
Die Beschwerdeführerin hat auch nicht bestritten, dass sie von der Behörde zu wiederholten Malen erfolglos aufgefordert worden sei, zur Sicherung ihres Lebensbedarfs ihre Arbeitskraft zumindest in Form der Annahme einer geringfügigen Beschäftigung einzusetzen. Die Auffassung der belangten Behörde, sie sei nicht gewillt, ihre Arbeitskraft zur Sicherung ihres Lebensbedarfes einzusetzen, ist daher nicht rechtswidrig.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006100163.X00Im RIS seit
14.02.2008Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008