TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/14 2006/10/0196

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Veröffentlicht am 14.12.2007
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Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;

Norm

SHG EigenmittelV NÖ 2000 §3;
SHG NÖ 2000 §10 Abs5;
SHG NÖ 2000 §15 Abs1;
SHG NÖ 2000 §15 Abs2;
SHG NÖ 2000 §9 Abs1;
SHG NÖ 2000 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der KG in B, vertreten durch Mag. Bernhard Schuller, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 38, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Mai 2006, Zl. GS5-SH- 9106/005-2006, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Mai 2006 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Sozialhilfe durch "Hilfe zum Lebensunterhalt" abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin lebe mit ihrer Mutter und dem Stiefvater im gemeinsamen Haushalt. Ihre Mutter habe bis März 2006 ein Nettoeinkommen aus unselbständiger Beschäftigung in Höhe von monatlich EUR 750,-- bezogen, seit dem 3. März 2006 beziehe sie Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich EUR 701,50. Ihr Stiefvater beziehe ein Einkommen von monatlich EUR 1.400,--. Die Beschwerdeführerin beziehe erhöhte Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag in der Höhe von monatlich EUR 341,90 sowie Landespflegegeld der Stufe 5 in der Höhe von monatlich EUR 799,30. Sie stehe in der alleinigen elterlichen Obsorge ihrer Mutter, die sie betreue und pflege.

Der "fiktive Sozialhilfeanspruch" der Beschwerdeführerin errechne sich wie folgt: Der Richtsatz für unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe betrage im Jahr 2006 monatlich EUR 133,80. Dieser Richtsatz sei auf die Beschwerdeführerin jedoch nur für den Fall anzuwenden, dass sie von ihren unterhaltspflichtigen Angehörigen keine Leistungen erhalte. Berücksichtige man behinderungsbedingte Mehraufwendungen iSd § 9 Abs. 3 NÖ SHG für Kleidung und Schuhe in Höhe von EUR 100,-

- monatlich und EUR 62,50 monatlich für Möbel, so ergebe sich ein "fiktiver Bedarf" der Beschwerdeführerin zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe von EUR 296,30 monatlich. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten, zukünftig entstehenden Zahnsanierungskosten könnten im gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden, zur Finanzierung medizinischtherapeutischer Aufwendungen (ca. EUR 160,-- monatlich) und wiederkehrender Untersuchungen im Krankenhaus (EUR 400,--) stehe ihr - nach Abzug der Leistungen des zuständigen Krankenversicherungsträgers - u.a. die erhöhte Familienbeihilfe (einschließlich Kinderabsetzbetrag) zur Verfügung; Gleiches gelte für die damit verbundenen Fahrten mit dem Pkw, Zeitaufwand etc.

Mit dem anrechenbaren Einkommen ihrer Mutter könne der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin (einschließlich des behinderungsbedingten Sonderbedarfes) jedenfalls abgedeckt werden. Auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 10 Abs. 5 NÖ SHG sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter den Lebensunterhalt (einschließlich des behinderungsbedingten Sonderbedarfes) erhalte. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin über verwertbares Vermögen, nämlich einen "Wertpapierplan" mit einem Einlagestand von EUR 2.241,46 und über eine Sterbesparversicherung mit einem Rückkaufwert von EUR 452,81, somit über insgesamt EUR 2.694,27 verfüge. Die Verwertung des Vermögens sei der Beschwerdeführerin trotz des Umstandes, dass der Rückkaufwert der Sterbeversicherung um EUR 50,27 unter dem eingezahlten Betrag liege, zumutbar, zumal ihr weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe (einschließlich Kinderabsetzbetrag) von monatlich EUR 341,90 zur Gänze zur Verfügung stehe. Die Einbeziehung der Sterbeversicherung in das verwertbare Vermögen stelle daher keine soziale Härte dar, der finanzielle Verlust durch den Rückkauf sei als gering zu bewerten. Da vor Gewährung von Sozialhilfe der Hilfe Suchende sein Vermögen einzusetzen habe und der errechnete Sozialhilfeanspruch der Beschwerdeführerin aus dem vorhandenen Vermögen abgedeckt werden könne, habe sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe durch "Hilfe zum Lebensunterhalt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Niederösterreichisches Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) hat die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Bei der Leistung der Sozialhilfe sind gemäß § 2 NÖ SHG u. a. folgende Grundsätze einzuhalten:

1. Die Hilfe ist so weit zu leisten, als der jeweilige Bedarf nicht durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (Subsidiaritätsprinzip).

2. Die Hilfe ist nicht nur zur Beseitigung einer bestehenden Notlage, sondern auch vorbeugend zu gewähren, um dadurch einer drohenden Notlage entgegenzuwirken (Präventionsprinzip). Die Sozialhilfe ist auch nach Beseitigung der Notlage fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern oder um Rückschläge zu vermeiden.

Die Sozialhilfe umfasst gemäß § 3 Abs. 1 NÖ SHG:

1. Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes,

2.

Hilfe in besonderen Lebenslagen,

3.

Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Gemäß § 8 Abs. 1 NÖ SHG umfasst die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes:

1. Hilfe zum Lebensunterhalt,

2.

Hilfe bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung,

3.

Hilfe bei stationärer Pflege sowie

4.

Übernahme der Bestattungskosten.

Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 9 Abs. 1 NÖ SHG, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt oder den seiner mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend decken kann und ihn nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Der notwendige Lebensunterhalt umfasst gemäß § 9 Abs. 2 NÖ SHG den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Unterkunft, Beheizung, Beleuchtung, Kleinhausrat und andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt.

Die Hilfe zum Lebensunterhalt erfolgt gemäß § 9 Abs. 3 NÖ SHG durch laufende oder durch einmalige Geldleistungen, Sachleistungen oder in Form stationärer Hilfe.

Zur Bemessung laufender monatlicher Geldleistungen hat die Landesregierung gemäß § 10 Abs. 1 NÖ SHG Richtsätze durch Verordnung so festzusetzen, dass mit dem jeweiligen Betrag die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse im Rahmen des Lebensunterhaltes (§ 9 Abs. 2) unter Berücksichtigung der bei einer gemeinsamen Haushaltsführung erzielten Einsparungen gedeckt werde.

Lebt ein Hilfe Suchender in Haushaltsgemeinschaft mit unterhaltspflichtigen Angehörigen, so wird gemäß § 10 Abs. 5 NÖ SHG vermutet, dass er von diesen den Lebensunterhalt erhält, soweit dies auf Grund ihres Einkommens und Vermögens erwartet werden kann. Die richtsatzmäßige Leistung ist daher um den Unterhaltsanspruch zu reduzieren. In jedem Fall sind zumindest die tatsächlich erbrachten Naturalleistungen gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. Nr. 642/1992, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 423/1998, bei der Bemessung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes abzuziehen. Falls der Hilfe Suchende jedoch keine Leistungen erhält, ist ihm der Richtsatz für einen Haushaltsangehörigen zu gewähren.

Gemäß § 1 Abs. 1 der NÖ Richtsatzverordnung, LGBl. 9200/1-6, betragen die Richtsätze zur Bemessung laufender monatlicher Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes, ausgenommen Kosten der Unterkunft, für

1. Menschen, die nicht in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben (Alleinstehende) EUR 493,40;

2. Menschen, die mit unterhaltsberechtigten/-pflichtigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben:

a)

für den unterhaltspflichtigen Hauptunterstützten EUR 433,30,

b)

für jeden unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen mit Anspruch auf Familienbeihilfe EUR 133,80.

              c)              für jeden unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen ohne Anspruch auf Familienbeihilfe EUR 238,50.

Gemäß § 15 Abs. 1 NÖ SHG hat die Leistung der Hilfe zum Lebensbedarf unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfeempfängers, bei Hilfe zur stationären Pflege gemäß § 12 auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundes- und landesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind, zu erfolgen.

Hat der hilfebedürftige Mensch Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann die Leistung der Hilfe gemäß § 15 Abs. 2 NÖ SHG von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden.

Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf gemäß § 15 Abs. 3 NÖ SHG nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder vorläufig verschlimmert würde.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der sozialhilferechtliche Bedarf der Beschwerdeführerin zur Deckung des Lebensunterhaltes betrage - unter Berücksichtigung behinderungsbedingter Mehraufwendungen - monatlich EUR 296,30. Dieser Bedarf werde sowohl durch das anrechenbare Einkommen ihrer Mutter, die (mangels Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin) für sie unterhaltspflichtig sei und mit der sie im gemeinsamen Haushalt wohne, als auch durch das verwertbare Vermögen der Beschwerdeführerin selbst in Höhe von EUR 2.694,27 gedeckt, sodass sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe durch Hilfe zum Lebensunterhalt habe.

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Annahme der belangten Behörde betreffend ihren Bedarf zur Deckung des Lebensunterhaltes nicht. Sie wendet gegen den angefochtenen Bescheid vielmehr ein, es dürfe das Einkommen ihres Stiefvaters, zu dem mangels Adoption oder Legitimation kein Verwandtschaftsverhältnis bestehe, nicht berücksichtigt werden. Auch das Pflegegeld dürfe nicht auf das verfügbare Familieneinkommen angerechnet werden, sondern lediglich das Einkommen ihrer Mutter. Ihr eigenes Vermögen dürfe jedoch nicht berücksichtigt werden, weil es so gering sei, dass dadurch bloß kurzfristig eine Verbesserung der Lage erzielt werden könnte. Auch sei es angespart worden, um medizinisch-therapeutische Maßnahmen zu finanzieren, die von keinem Leistungsträger bezahlt würden.

Bei ihrem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin zunächst, dass der angefochtene Bescheid auf das Einkommen ihres Stiefvaters nicht Bedacht nimmt, sondern davon ausgeht, dass sie den Lebensunterhalt (einschließlich des behinderungsbedingten Mehrbedarfes) von ihrer mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Mutter erhält, die dazu auf Grund ihres Einkommens auch in der Lage sei. Dass eine Anrechnung des Pflegegeldes auf das verfügbare Familieneinkommen ausgeschlossen sei, obwohl die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter gepflegt wird, trifft nicht zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 95/08/0189, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dass die Beschwerdeführerin aber von ihrer Mutter tatsächlich keine Leistungen im Sinne des § 10 Abs. 5 NÖ SHG erhält, bringt sie selbst nicht vor.

Bei diesem Ergebnis ist die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe nach dem NÖ SHG keinen Anspruch auf Sozialhilfe durch Hilfe zum Lebensunterhalt, weil ihr sozialhilferechtlicher Bedarf gedeckt sei, nicht rechtswidrig.

Im Übrigen sei bemerkt, dass der angefochtene Bescheid auch insoweit, als er das Vermögen der Beschwerdeführerin berücksichtigt, nicht rechtswidrig ist. Wie dargelegt, hat die Hilfeleistung nämlich unter Berücksichtigung des verwertbaren Vermögens des Hilfebedürftigen zu erfolgen. Eine Hilfeleistung kommt also so lange nicht in Betracht, als der Hilfebedürftige über Vermögen verfügt, aus dessen Verwertung sein Lebensbedarf bestritten werden kann. Ob das Vermögen nur für eine relativ kurze Zeit ausreicht, um den Lebensbedarf zu sichern, ist nicht entscheidend; ein Sozialhilfeanspruch bestünde diesfalls nur für kurze Zeit nicht. Dass das Vermögen jedoch für unmittelbar bevorstehende medizinische oder sonstige gleichermaßen bedeutsame Maßnahmen benötigt würde, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass sie den angesparten Betrag bestimmten Zwecken gewidmet habe. Diese Zweckwidmung macht eine Vermögensverwertung jedoch weder unmöglich, noch unzumutbar. Beim angesparten Betrag handelt es sich auch nicht um anrechenfreies Vermögen (vgl. § 3 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. 9200/2).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100196.X00

Im RIS seit

04.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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