TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/14 2007/02/0295

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Veröffentlicht am 14.12.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

ABGB §6;
BodenmarkierungsV 1996 §13 Abs2;
BodenmarkierungsV 1996 §13 Abs3;
BodenmarkierungsV 1996 §13;
BodenmarkierungsV 1996 §20;
B-VG Art129a Abs3;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art89 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z7a;
StVO 1960 §24 Abs1 litk;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über den Antrag des Landesgerichtes Wels vom 5. Oktober 2007, Gz. 3 Cg 42/07x-10, betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. März 2007, Zl. VwSen-162005/5/Ki/Da, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (weitere Parteien gemäß § 64 VwGG:

1. PS, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pfarrgasse 15a, 2. Land Oberösterreich, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 6- 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben; es wird festgestellt, dass der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 10. Jänner 2007 wurde P.St. für schuldig befunden, er habe am 12. September 2006 um 11.45 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher umschriebenen Ort verbotenerweise auf dem dort befindlichen Radfahrstreifen geparkt, obwohl das Halten und Parken auf Radfahrstreifen verboten sei; er habe dadurch § 24 Abs. 1 lit. k StVO verletzt. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen von P.St. erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) mit Bescheid vom 6. März 2007 Folge, behob dieses Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

In der Begründung wurde im Wesentlichen - soweit für die Erledigung des vorliegenden Antrages von Belang - ausgeführt, von der Berufungsbehörde sei Einsicht in Lichtbildkopien sowie in den Akt, betreffend die Erlassung der verfahrensgegenständlichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (vom 22. August 2006, betreffend einen "Mehrzweckstreifen") genommen worden. Bei der Einmündung in die L.-Straße sei der "Mehrzweckstreifen" mit dem Schriftzug "Ende" versehen gewesen. Diese Bezeichnung habe bei der Einmündung in die B 1 bzw. dem rechtsseitig parallel zur B 1 in Richtung W. verlaufenden Geh- und Radweg (§ 2 Abs. 1 Z. 11a StVO) gefehlt.

Unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Z. 7a und § 44 Abs. 1 erster Satz StVO sowie § 13 Abs. 3 und § 20 der Bodenmarkierungsverordung (BGBl. Nr. 848/1995 idF BGBl. II Nr. 370/2002, im Folgenden: BMVO) ging der UVS davon aus, dass die der Bestrafung des P.St. zu Grunde liegende Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei und das Abstellen des Fahrzeuges im Sinne des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses daher keine Verwaltungsübertretung gebildet habe.

Das Landesgericht Wels bringt zu seinem, auf § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz gestützten Antrag vor, bei ihm sei ein Verfahren anhängig, mit dem P.St. als klagende Partei vom Land Oberösterreich den Ersatz seiner anwaltlichen Verfahrenskosten, die er im Verfahren betreffend die Bekämpfung des zitierten erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufgewendet habe, begehre. Die Entscheidung dieses Amtshaftungsverfahrens sei von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides des UVS vom 6. März 2007 abhängig. Dem gemäß habe dieses Gericht den Beschluss auf Unterbrechung dieses Verfahrens gefasst.

Das Landesgericht Wels ist (zusammengefasst) der Auffassung, es bestehe keine gesetzliche Regelung dahin, dass das Wort "Ende" bei "Mehrzweckstreifen" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 7a StVO kundgemacht werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die hier interessierenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 StVO

lauten:

"Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

7. Radfahrstreifen: ein für den Fahrradverkehr bestimmter und besonders gekennzeichneter Teil der Fahrbahn, wobei der Verlauf durch wiederholte Markierung mit Fahrradsymbolen und das Ende durch die Schriftzeichenmarkierung 'Ende' angezeigt wird;

7a. Mehrzweckstreifen: ein Radfahrstreifen oder ein Abschnitt eines Radfahrstreifens, der unter besonderer Rücksichtnahme auf die Radfahrer von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, wenn für diese der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist;

...

11a. Geh- und Radweg: ein für den Fußgänger- und Fahrradverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg;".

Dittrich-Stolzlechner (Österreichisches Straßenverkehrsrecht, I. Teil: Straßenverkehrsordnung 1960, 3. Auflage) führen in Rz 28 zu § 2 Abs. 1 Z. 7 StVO, betreffend Radfahrstreifen (nach dem Hinweis auf § 13 BMVO hinsichtlich der Kennzeichnung) zutreffend Folgendes aus:

"Bei Errichtung eines Radfahrstreifens wird ein Teil der Fahrbahn dem übrigen Fahrzeugverkehr vorbehalten; dies ist durch straßenpolizeiliche V(erordnung) anzuordnen (vgl. grundsätzlich dazu § 43). Die Kundmachung dieser V(erordnung) erfolgt durch 'besondere Kennzeichnung' durch gesetzlich vorgeschriebene Bodenmarkierungen (wiederholte Markierung mit Fahrradsymbolen; Anzeige des Endes durch die Schriftzeichenmarkierung 'ENDE')."

Die rechtswirksame Kundmachung einer Verordnung, mit welcher ein Radfahrstreifen angeordnet wird (vgl. § 44 Abs. 1 StVO), erfordert daher u.a., dass das Ende desselben - und zwar im Sinne des § 13 Abs. 3 letzter Satz BMVO durch die Schriftzeichenmarkierung "Ende" (entsprechend § 20 BMVO) - anzuzeigen ist. Dies gilt auch für den in § 2 Abs. 1 Z. 7a StVO geregelten "Mehrzweckstreifen":

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung eines Gesetzes vom Vorrang des Wortlautes auszugehen. Es ist nach der objektiven Methode die Frage zu beantworten, was der kundgemachte Text bedeutet; führt diese Vorgangsweise zu einem klaren Ergebnis, so ist sie maßgeblich. Lässt der Wortlaut (Wortsinn) keine Zweifel offen, so ist für eine teleologische oder historische Auslegung kein Raum (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/07/0127).

Aus der - oben dargestellten - Definition des "Mehrzweckstreifens" in § 2 Abs. 1 Z. 7a StVO ergibt sich allerdings schon aus deren Wortlaut das klare Ergebnis, dass dieser einen "Radfahrstreifen" (oder einen Abschnitt eines solchen) darstellt, der unter den dort näher angeführten Bedingungen von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, woraus sich somit die Erforderlichkeit der Anzeige des "Endes" eines Mehrzweckstreifens im Sinne des zum Radfahrstreifen Gesagten ergibt (wobei im Falle, dass nur ein "Abschnitt" des Radfahrstreifens einen Mehrzweckstreifen bildet, die erforderliche Markierung "Ende" durch die diesbezügliche Markierung dieses Radfahrstreifens gegeben ist).

Zu bemerken ist, dass dem § 13 Abs. 2 BMVO, betreffend die Anbringung von Bodenmarkierungen bei Mehrzweckstreifen - trotz des Fehlens einer speziellen Regelung über die Kennzeichnung des "Endes" eines solchen - nicht widerspricht, behandelt doch § 13 BMVO nach seiner Überschrift Bodenmarkierungen auf "Radfahrstreifen" und somit auch solche, die als "Mehrzweckstreifen" verordnet wurden, sodass die zitierte Vorschrift des § 13 Abs. 3 letzter Satz BMVO auch für diese gilt (sofern sie nicht nur einen "Teil" eines Radfahrstreifens bilden - vgl. die obigen Ausführungen dazu).

Die gegenständliche Verordnung hätte daher zu ihrer ordnungsgemäßen Kundmachung der - zum Tatzeitpunkt der dem P.St. angelasteten Verwaltungsübertretung nicht existenten - Bodenmarkierung "Ende" bedurft. Daran ändert - entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes - auch nichts der Umstand, dass der "Mehrzweckstreifen" in einen "Geh- und Radweg" mündet.

Der UVS hat daher, da er berechtigt war, die gehörige Kundmachung der in Rede stehenden Verordnung zu prüfen (vgl. Art. 129a Abs. 3 iVm Art. 89 Abs. 1 B-VG), diese zutreffend nicht angewendet und daher auch die Rechtsansicht vertreten, dass die davon abgeleitete Bestrafung des P.St. zu Unrecht erfolgte (vgl. dazu näher sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 28. März 1977, Slg. Nr. 9283/A, den Verwaltungsgerichtshof betreffend).

Dem vorliegenden Antrag des Landesgerichtes Wels war daher nicht stattzugeben und im Grunde des § 67 VwGG festzustellen, dass der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist.

Wien, am 14. Dezember 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007020295.X00

Im RIS seit

16.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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