TE Vfgh Beschluss 2003/3/12 V58/02

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Veröffentlicht am 12.03.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

ElWOG §69
VfGG §20 Abs3

Leitsatz

Gewährung von Akteneinsicht für die antragstellenden Gesellschaften in einem Verordnungsprüfungsverfahren auch in von der belangten Behörde von der Einsicht ausgenommene Aktenbestandteile; kein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von als Grundlage für die vom Endverbraucher einzuhebenden Beiträge der Netzbetreiber zur Abgeltung der sogenannten "stranded costs" von Kraftwerksbetreibern dienenden Daten

Spruch

Die Einsicht in folgende Bestandteile der im Verfahren V58/02 vorgelegten Akten betreffend das Zustandekommen der Verordnung BGBl. II Nr. 354/2001 wird zur Gänze gewährt:

1)

"Betriebswirtschaftliches und rechtliches Sachverständigengutachten betreffend Übergangsregelung nach Art24 RL 96/92/EG (Stranded Costs)" von Mag. E B und Dr. C H (Auftrag vom 28. April 1998), Z. 551.352/239/98, genehmigt am 6. Juli 1998,

2)

"Rechtsgutachten zur Beurteilung der Koordinierungsverträge und zu den entsprechenden Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetzes", von Dr. C H, Jänner 2000, Z. 551.612/10/00, genehmigt am 22. Dezember 2000,

3)

"Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die Beihilfewürdigkeit gem §69 Abs3 ElWOG der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (Verbundgesellschaft)", August 2001, Z. 551.352/94/01, genehmigt am 10. Oktober 2001.

Begründung

Begründung:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung von Teilen der "Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen", BGBl. II Nr. 354/2001, (in der Folge: Stranded Costs-VO II) anhängig.

2.1. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit als zur Verteidigung der angefochtenen Verordnung berufene Behörde legte die Akten betreffend das Zustandekommen der Verordnung mit dem nicht näher begründeten Ersuchen vor, ua die im Spruch genannten Aktenteile von der Akteneinsicht auszunehmen.

2.2. Die antragstellenden Gesellschaften ersuchten mit Schreiben vom 31. Jänner 2003 um Gewährung der Akteneinsicht hinsichtlich folgender Unterlagen:

"Gutachten betreffend betriebswirtschaftliches und rechtliches Sachverständigengutachten betreffend Übergangsregelung nach Artikel 24 RL 96/92/EG (Strandet[d] Costs) Juli 1998 mit der GZ 551.352/239/98, genehmigt am 6.7.1998,

Rechtsgutachten zur Beurteilung der Koordinierungsverträge und zu den entsprechenden Bestimmungen der[s] Elektrizitäts- Wirtschafts- und Organisationsgesetzes, Ha, H, V, Jänner 2000 (2 fach) mit der GZ 551.612/10/00, genehmigt am 22.12.2000,

Gutachten betreffend über die Beihilfewürdigkeit gem. §69 Abs3 Elektrizitäts- Wirtschafts- und Organisationsgesetz der Verbundgesellschaft, August 2001 mit der GZ 551.352/94/01, genehmigt am 10.10.2001."

Sie begründen ihren Antrag damit, dass die belangte Behörde nicht ausgeführt habe, aufgrund welcher öffentlichen Interessen die bezeichneten Unterlagen von der Akteneinsicht ausgeschlossen seien. Die Unterlagen enthielten rechtliche Ausführungen. Durch die Einsichtnahme sei keine Beeinträchtigung "der Interessen der Antragsgegnerin" zu erwarten. Die antragstellenden Gesellschaften gingen davon aus, dass die Unterlagen Aussagen bzw. Informationen enthielten, die für die Beurteilung der Sachlichkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen von Bedeutung seien. In eventu stellen sie den Antrag auf Einsichtnahme in jene Teile der bezeichneten Unterlagen, die aufgrund des fehlenden öffentlichen Interesses nicht von der Akteneinsicht auszunehmen seien.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag der belangten Behörde übermittelt und sie ersucht, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

2.4. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit teilte mit, dass der Ausschluss von der Akteneinsicht bezüglich der näher bezeichneten Unterlagen von der Überlegung getragen gewesen sei, dass "eine Schädigung berechtigter Interessen Dritter, in diesem Fall insbesondere jener Unternehmen, deren betriebswirtschaftliche Daten in diesen Gutachten enthalten sind, jedenfalls hintanzuhalten" sei. "Eine Beeinträchtigung der Erfüllung von Aufgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit oder anderer, mit der Vollziehung von Gesetzen betrauter Behörden, ist durch die Gewährung der Akteneinsicht nicht zu besorgen".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §20 Abs3 VfGG können die Behörden bei Vorlage von Akten an den Verfassungsgerichtshof bekannt geben, ob und welche Akten oder Aktenteile im öffentlichen Interesse von der sonst den Beteiligten zustehenden Einsicht auszuschließen sind. Erachtet der Referent, dass die von der Behörde mitgeteilte Ausschließung von Akten oder Aktenteilen zu weit gehe, so hat er die Behörde über seine Bedenken einzuvernehmen und kann allenfalls einen in nichtöffentlicher Sitzung zu fassenden Beschluss des Gerichtshofes darüber einholen.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird ein dem Verfassungsgerichtshof vorgelegter Akt, soweit er die anhängige Rechtssache betrifft, zum Bestandteil der verfassungsgerichtlichen Prozessakten (vgl. VfSlg. 8941/1980 und 14.307/1995, V53/01 vom 25. Februar 2002).

Für den Ausschluss von der Akteneinsicht ist - wie aus §20 Abs3 VfGG abgeleitet werden muss - das öffentliche Interesse maßgebend.

2.2. Die belangte Behörde hat bei Vorlage der Akten dargelegt, dass Grundlage für die Ausnahme der in Rede stehenden Aktenteile von der Akteneinsicht die Schädigung berechtigter Interessen Dritter, insbesondere jener Unternehmen, deren betriebswirtschaftliche Daten in diesen Gutachten enthalten sind, ist.

2.3. Die auf §69 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG, BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000, gestützte Stranded Costs-VO II hat die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zum Gegenstand, die zur Abdeckung von Erlösminderungen dienen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerks Voitsberg 3 stehen. Zur Aufbringung der erforderlichen Mittel hat der jeweilige Netzbetreiber die in der Anlage zu §6 der Verordnung festgesetzten Beiträge vom Endverbraucher einzuheben. Diese Beiträge haben die Netzbetreiber vierteljährlich an die Energie-Control GmbH abzuführen, welche die abgeführten Beiträge den begünstigten [Elektrizitätsversorgungs-]Unternehmen (§2 der Verordnung) zuteilt. Die antragstellenden Gesellschaften sind Endverbraucher, die Beiträge gemäß der Anlage zu §6 zu leisten haben.

Die Geheimhaltung der als Grundlage für die Bestimmung der Beiträge gemäß §69 ElWOG herangezogenen Daten liegt nicht im öffentlichen Interesse iSd §20 Abs3 VfGG, da es das rechtsstaatliche Prinzip erfordert, dass die durch die Verordnung zu einer Zahlung verpflichteten Endverbraucher die Gesetzmäßigkeit dieser verpflichtenden Verordnung nachprüfen können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §20 Abs3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, VfGH / Akteneinsicht, Rechtsstaatsprinzip, Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V58.2002

Dokumentnummer

JFT_09969688_02V00058_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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