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L00203 Auskunftspflicht InformationsweiterverwendungNorm
AuskunftsG NÖ 1988 §4 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Mag. Gerold Beneder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG/9, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 30. April 2003, Zl. 15J-1- 03/107, betreffend Verweigerung einer Auskunft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer lebte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum getrennt von seiner Ehefrau und der bei ihr verbliebenen gemeinsamen minderjährigen Tochter (im Folgenden: Tochter). Er stand im Streit mit seiner Ehefrau bezüglich der Obsorge für die Tochter.
Wie sich aus dem vorgelegten (umfangreichen) Verwaltungsakt - unbedenklich - ergibt, trat der Beschwerdeführer jedenfalls seit September 2001 auf vielfältige Weise und wiederholt mit Anbringen an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (BH) als Jugendwohlfahrtsbehörde heran, u.a. mit Auskunftsersuchen und mit sog. Sachverhaltsbekanntgaben, zum Teil verbunden mit zahlreichen Urkundenvorlagen (darunter Berichten eines vom Beschwerdeführer zur Beobachtung seiner Ehefrau beauftragten Detektivs), aber auch durch persönliches Erscheinen bei der Behörde sowie durch telefonische Kontaktaufnahme. Der Beschwerdeführer gab dabei regelmäßig zu erkennen, dass er einerseits Zweifel an der Fähigkeit seiner Ehefrau hege, die Tochter zu erziehen, andererseits bezweifle, dass die zuständigen Beamten der BH seine Angaben ausreichend ernst nähmen.
Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere folgende Aktenvorgänge von Interesse:
Mit Auskunftsersuchen vom 20. September 2001 wurde von der BH erfragt, an welchen Tagen die BH an der Wohnstätte der Tochter Nachschau gehalten, die Pflege und Erziehungssituation der Ehefrau erhoben hätte und ob über insgesamt sieben näher bezeichnete Telefonate Aktenvermerke und Niederschriften aufgenommen worden seien. Mit Bescheid vom 19. November 2001 verweigerte die BH über die mit Schreiben vom 6. November 2001 bereits ergangenen Mitteilungen hinaus die begehrten Auskünfte und wies unter einem einen Antrag des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht zurück. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung, das Schriftstück gelangte mit dem Vermerk "Nicht behoben" an die BH zurück (ein auf das Auskunftsersuchen bezogener Devolutionsantrag wurde von der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 10. Jänner 2002 zurückgewiesen).
Am 13. März 2002 verlangte der Beschwerdeführer (niederschriftlich) bei der BH Auskunft darüber, welche Maßnahmen die BH zur Sicherung des Kindeswohls der Tochter auf Grund von näher genannten Angaben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers getroffen hätte und ob diese Angaben protokolliert worden wären. Mit Schreiben vom 2. April 2002 teilte die BH dem Beschwerdeführer mit, das Landesgericht Korneuburg habe mit Beschluss vom 13. Dezember 2001 festgestellt, dass die Pflege und Erziehung der Tochter durch die Kindesmutter nicht gefährdet sei. Aus den Angaben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers hätten sich keine Informationen ergeben, die auf einen Missbrauch oder eine Misshandlung der Tochter (durch die Ehefrau) schließen ließen. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung, das Schriftstück gelangte mit dem Vermerk "Nicht behoben" zurück an die BH (ein auf das Auskunftsersuchen vom 13. März 2002 bezogener Devolutionsantrag wurde von der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 21. November 2002 zurückgewiesen).
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 begehrte der Beschwerdeführer von der BH Auskunft darüber, welche Maßnahmen die BH zur Sicherung des Wohls der Tochter "auf die Bekanntgabe des Sachverhaltes hin" (gemeint: vom Beschwerdeführer behaupteter Alkoholkonsum seiner Ehefrau) ergangen seien, auf welcher Basis die BH der Ehefrau Einsicht in einen näher bezeichneten Krankenhausbericht gewährt hätte und unter welcher Geschäftszahl dies erfolgt sei, schließlich auch darüber, wann Bedienstete des Jugendwohlfahrtsträgers im Jahr 2002 Hausbesuche bei der Tochter durchgeführt hätten und ob eine Vorausinformation der Ehefrau erfolgt wäre. Die BH beantwortete dieses Begehren mit einem Schreiben vom 28. November 2002. Die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung, auch dieses Schriftstück gelangte mit dem Vermerk "Nicht behoben" zurück an die BH.
Nach mehreren Anrufen bei der BH im Laufe des Dezembers 2002 begehrte der Beschwerdeführer bei der BH mit Schreiben vom 19. März 2003 schließlich Auskunft darüber, wann die Behörde im Jahr 2002 Nachschau "an der Wohnstatt" der Tochter durchgeführt habe und ob die jeweiligen Nachschauen angekündigt oder unangekündigt erfolgt seien (dieses Begehren wurde mit Schreiben vom 29. April 2003 wiederholt). Weiters begehrte der Beschwerdeführer die Auskunft, auf welcher Rechtsgrundlage die Aufforderung des Beschwerdeführers durch einen Sozialarbeiter der Behörde ergangen sei, der Ehefrau den Zutritt zu einer bestimmten Wohnung zu ermöglichen.
Mit Bescheid vom 30. April 2003 verweigerte die BH gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 und § 5 Abs. 1 des NÖ Auskunftsgesetzes, LGBl. 0020-1, die Erteilung von Auskünften, um die der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. März und vom 29. April 2003 ersucht hatte.
Begründend führte die BH aus, dass die Auskunft verweigert werden dürfe, wenn sie offenbar mutwillig verlangt würde. Da dem Beschwerdeführer auf seine "bis dato gestellten Anträge auf Akteneinsicht bzw. Auskunftsverlangen schon mehrmals mittels RSa-Briefen geantwortet" worden sei, diese Schriftstücke ordnungsgemäß zugestellt und jedes Mal mit dem Vermerk "nicht behoben" retourniert worden seien, müsse geschlossen werden, dass "diese Auskunftsbegehren offenbar mutwillig" gestellt würden. Der Beschwerdeführer habe durch die Nichtbehebung der von der Bezirkshauptmannschaft zugestellten Briefe erkennen lassen, dass er an den ihm gegebenen Informationen kein Interesse habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der eine Darstellung zahlreicher Interventionen des Beschwerdeführers enthalten ist und darauf hingewiesen wird, dass nach einem erstinstanzlichen Beschluss des Bezirksgerichtes Schwechat über Rekurs des Beschwerdeführers das Landesgericht Korneuburg am 13. Dezember 2001 den Beschluss gefasst habe, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers und Mutter des gemeinsamen Kindes vorläufig mit der Pflege und Erziehung allein betraut werde und dem Vater weiterhin sein Besuchsrecht laut Vereinbarung vom 29. August 2000 zustehe. Der Beschwerdeführer habe trotz des Hinweises, dass es sich bei den Aufzeichnungen des Jugendwohlfahrtsträgers über Minderjährige in Besuchsrechts- und Obsorgeangelegenheiten nicht um AVG-Verfahren handle, weiterhin Auskünfte über das Anlegen von Aktenvermerken und Einsicht in dieselben begehrt. In der Gegenschrift sind ua. die oben erwähnten Fälle genannt, in denen dem Beschwerdeführer ein Schriftstück über seine Anfrage zugestellt worden sei, das Schriftstück jedoch mit dem Vermerk "nicht behoben" an die Behörde retourniert worden sei. Die belangte Behörde beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Niederösterreichischen Auskunftsgesetzes, LGBl. 0020-1 (in der Folge: NÖ Auskunftsgesetz), die die Regelungen des Auskunftspflicht-Grundsatzgesetzes, BGBl. Nr. 286/1987, ausführen, lauten:
"§ 1
Recht auf Auskunft
(1) Jeder hat das Recht, Auskunft von Organen des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung zu erhalten.
...
§ 4
Einschränkungen des Auskunftsrechtes
(1) Die Auskunft darf nur in folgenden Fällen verweigert werden:
1. Wenn die Auskunft in einer Sache verlangt wird, die nicht in den Wirkungsbereich des Organs fällt;
2. Wenn der Erteilung der Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht;
3. Wenn durch die Erteilung der Auskunft die Besorgung der übrigen Aufgaben des Organs wesentlich beeinträchtigt wäre;
4.
Wenn die Auskunft offenbar mutwillig verlangt wird;
5.
Wenn die für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Informationen erst beschafft werden müssen und/oder wenn umfangreiche Ausarbeitungen erforderlich sind;
6. Wenn die Information dem Auskunftssuchenden anders zugänglich ist.
...
§ 5
Verweigerung der Auskunft durch Bescheid
(1) Wenn die Auskunft nicht erteilt wird, kann der Auskunftssuchende verlangen, dass die Auskunft mit Bescheid verweigert wird.
...
(5) Gegen einen gemäß Abs. 1 erlassenen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Im Übrigen gilt als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist."
2.1. Gemäß § 5 Abs. 5 NÖ Auskunftsgesetz ist gegen den Bescheid, mit dem die Auskunftserteilung verweigert wird, kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Die vorliegende Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde ist somit zulässig (Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG).
2.2. Die Beschwerde ist auch begründet.
2.2.1. Die belangte Behörde hat die Verweigerung der Auskunftserteilung auf § 4 Abs. 1 Z 4 NÖ Auskunftsgesetz (Verweigerung wegen mutwilligen Auskunftsbegehrens) gestützt, weil aus der Vielzahl der dem Beschwerdeführer bereits schriftlich erteilten Auskünfte, die jedoch vom Beschwerdeführer nicht behoben worden seien, hervorgehe, dass dem Beschwerdeführer das Interesse an der Auskunftserteilung mangle.
2.2.2. Die belangte Behörde hat es freilich unterlassen, ihre ausschließlich auf die Nichtbehebung einzelner Schriftstücke gegründete Annahme, der Beschwerdeführer habe die in Rede stehenden Auskünfte ohne ernsthaftes Auskunftsinteresse und mithin offenbar mutwillig begehrt, dem Beschwerdeführer vorzuhalten. Dieser Verfahrensfehler erweist sich als wesentlich.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe seine Tochter bereits mehr als eineinhalb Jahre nicht gesehen, er versuche über den Weg von Auskunftsverlangen zumindest minimale Information darüber zu erhalten, ob es seiner Tochter gut gehe und ob die Behörde ihrer Verpflichtung nachkomme, das Wohl der Tochter zu wahren. Die Nichtabholung von Schriftstücken könne mannigfaltige Gründe haben, so etwa eine mangelhafte Zustellung, Ortsabwesenheit oder aber den Umstand, dass der Beschwerdeführer vom Inhalt der Auskunft bereits über einen anderen Weg Kenntnis erlangen konnte. Es sei festzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Stellungnahmen auch an das Bezirksgericht Schwechat schicke, wo der Beschwerdeführer regelmäßig Akteneinsicht nehme. Der Beschwerdeführer habe sohin betreffend den Bescheid vom 28. November 2002 (gemeint wohl: das oben erwähnte Antwortschreiben der belangten Behörde vom 28. November 2002) bereits dem Pflegschaftsakt die Ausführungen der belangten Behörde entnehmen können. Hinsichtlich des Bescheides vom 19. November 2001 sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer schlicht ortsabwesend gewesen sei.
Dieses Vorbringen unterliegt nicht dem Neuerungsverbot. Sollte es zutreffen, erwiese sich die Annahme der belangten Behörde, das Auskunftsersuchen sei offenbar mutwillig gestellt, als verfehlt. Die oben wiedergegebenen Fragen des Beschwerdeführers sind auch nicht etwa so beschaffen, dass sich daraus schon für sich betrachtet offenbare Mutwilligkeit ergeben würde.
2.2.3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. Dezember 2007
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid"Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006110050.X00Im RIS seit
04.02.2008Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018