TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/19 2007/20/0210

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Veröffentlicht am 19.12.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §37;
AVG §52;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/20/0228 2007/20/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerden des Bundesministers für Inneres, 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 20. Dezember 2006, Zlen 257.597/1- II/04/06 (1.), 257.599/1-II/04/06 (2.), und 257.598/1-II/04/06 (3.), betreffend Behebung von auf §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 gestützten Bescheiden gemäß § 66 Abs. 2 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Die Anträge der Asylwerber 1. Z, geboren am 2. April 1995;

2. A, geboren am 8. Juni 1996, und 3. Al, geboren am 13. Juli 2003; alle in Bruck an der Mur, alle vertreten durch Mag. Christof Korp, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 22/II, den Amtsbeschwerden stattzugeben und der belangten Behörde aufzutragen, in der Sache selbst nach Ergänzung der Ermittlungsverfahren im Sinne der Antragstellung zu entscheiden, werden zurückgewiesen.

Begründung

Z, A und Al reisten gemeinsam mit ihren Eltern (Mitbeteiligte zu hg. Zlen. 2006/20/0768 und 2006/20/0771) am 16. März 2004 in das Bundesgebiet ein; sie stellten am selben Tag (Al am 24. März 2004) Anträge auf Gewährung von Asyl.

Die Asylwerber sind Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.

Das Bundesasylamt wies diese Asylanträge mit Bescheiden vom 21. Jänner 2005 jeweils gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I), stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II), und wies die Asylwerber gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III).

In Erledigung der gegen diese Entscheidungen erhobenen Berufungen hob die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden die erstinstanzlichen Bescheide auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Die belangte Behörde habe zu einer Vielzahl gleichartiger Verfahren unlängst ein umfängliches Ermittlungsverfahren durchgeführt und sei in sämtlichen derartigen Fällen zu einer Asylgewährung gelangt. Diese Ermittlungsergebnisse seien in den angefochtenen Bescheiden noch nicht berücksichtigt. Es sei unumgänglich, dass eine Entscheidung über das Schutzbegehren der Mitbeteiligten nicht ohne Auseinandersetzung der Verfahrensparteien mit diesem jüngsten Ermittlungsstand erfolge. Eine solche Auseinandersetzung vor der belangten Behörde erscheine im Hinblick auf die Komplexität nicht zielführend. Eine unmittelbare Asylgewährung an die Mitbeteiligten auf Grundlage des in anderen Verfahren erzielten Ermittlungsstandes würde das auch in diesem Verfahren der erstinstanzlichen Behörde zustehende rechtliche Gehör verletzen.

Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden Amtsbeschwerden. Die Asylwerber brachten rechtsfreundlich vertreten als "mitbeteiligte Parteien" "Stellungnahmen" zu den Amtsbeschwerden ein, in denen sie beantragten, den Amtsbeschwerden stattzugeben und der belangten Behörde aufzutragen, in der Sache selbst nach Ergänzung der Ermittlungsverfahren unter Zugrundelegung der in den bekämpften Bescheiden angeführten Gutachten bzw. Stellungnahmen im Sinne der Antragstellung zu entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Amtsbeschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG). Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall immer in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist.

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Einem zurückverweisenden Bescheid im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG muss entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (hg. Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zuletzt Erkenntnis vom 17. Oktober 2006, Zl. 2005/20/0459).

Die belangte Behörde trug der erstinstanzlichen Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auf, sich mit dem "jüngsten Ermittlungsstand" auseinander zu setzen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2006/20/0771, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, sind die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen, welche in den Verfahren, auf die im angefochtenen Bescheid pauschal verwiesen wird, erstattet wurden (also der in den angefochtenen Bescheiden bezeichnete "jüngste Ermittlungsstand"), nicht nachvollziehbar. Sie sind in sich widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen.

Mangelhafte Gutachten bilden aber keinen "Ermittlungsstand", der vom Bundesasylamt zu beachten und zu dessen Behandlung eine mündliche Verhandlung unvermeidlich ist.

Da die angefochtenen Bescheide keine anderen Gründe aufzeigen, aufgrund derer die Behebung der erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 66 Abs. 2 AVG gerechtfertigt gewesen wäre, waren sie gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Anträge der Asylwerber, den Amtsbeschwerden stattzugeben und der belangten Behörde aufzutragen, in der Sache selbst nach Ergänzung der Ermittlungsverfahren im Sinne der Antragstellung zu entscheiden, waren zurückzuweisen, da das VwGG einen Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seiten des (Amts-)Beschwerdeführers nicht kennt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2006, Zl. 2003/04/0185, mwN; ebenso das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/19/0114). Ein Kostenzuspruch kommt daher nicht in Betracht.

Wien, am 19. Dezember 2007

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Gutachten Verwertung aus anderen Verfahren Besondere Rechtsgebiete Anforderung an ein Gutachten Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007200210.X00

Im RIS seit

04.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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