TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/19 2006/20/0425

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Veröffentlicht am 19.12.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Janko Tischler jun., Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Neuer Platz 7/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Juni 2006, Zl. 252.194/0-XI/34/04, betreffend §§ 7 sowie 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria) wird infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianische Staatsangehöriger, reiste am 15. Juli 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl.

Nach Einvernahmen am 19. und 21. Juli 2004 wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 30. Juli 2004 diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde, die in Anwendung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG von der Durchführung einer Verhandlung Abstand nahm, mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er sein Heimatland verlassen habe, weil er es abgelehnt habe, die Nachfolge seines verstorbenen Vaters als Medizinmann anzutreten, den Juju-Geist anzubeten und diesem kleine Kinder zu opfern, weshalb mehrere Dorfbewohner gestorben seien und er mit seiner Mutter (vorerst) zum Dorfpriester geflüchtet, jedoch nirgends in Nigeria sicher gewesen sei, da er von Juju überall seelisch belästigt worden wäre, sei - so die zusammengefasste Begründung dieser Entscheidung, die im Wesentlichen auf die erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung verweist - aus näher dargestellten Gründen kein Glauben zu schenken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zu I.:

Hinsichtlich der Entscheidung zur Ausweisung rügt die Beschwerde, dass - entgegen den Feststellungen der Asylbehörden - familiäre Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich bestünden, auf die nicht Rücksicht genommen worden sei. Dazu wird unter Vorlage einer Kopie einer entsprechenden Heiratsurkunde zur Eintragungsnummer 224/2006 des Standesamtes der Landeshauptstadt Graz vom 22. April 2006 erstmals behauptet, dass der Beschwerdeführer seit diesem Tag mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, mit dieser in Österreich lebe und beide für den 20. Oktober 2006 die Geburt des gemeinsamen Kindes erwarten würden; dadurch würde die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet gegen Artikel 8 EMRK verstoßen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Schon im Hinblick auf den seit den Einvernahmen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt vom 19. und 21. Juli 2004 bis zur Erlassung der angefochtenen Entscheidung vergangenen Zeitraum von knapp zwei Jahren hätte die Asylbehörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanter Umstände zu geben. Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das (neue) Vorbringen in der Beschwerde nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2007, Zl. 2007/20/1043, m.w.N.).

Überdies lagen der belangten Behörde Anhaltspunkte dafür bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vor, zumal nach der in den Verwaltungsakten einliegenden Kopie eines Protokolls der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 21. März 2006 (die spätere Ehefrau des Beschwerdeführers) Anja Kezar von dieser Behörde in einem wegen der beabsichtigten Eheschließung mit dem Beschwerdeführer geführten Verfahren zum Verdacht der Scheinehe einvernommen worden war. Deren dabei getätigte Aussagen wurden von der Asylbehörde lediglich zur Stützung der Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers verwendet, eine Auseinandersetzung, ob daraus allenfalls Hinderungsgründe im Sinne des Art. 8 EMRK gegen eine Ausweisung resultieren könnten, erfolgte jedoch nicht.

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung hinsichtlich der Ausweisung gelangen hätte können, weshalb Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides richtet, abzulehnen.

Wien, am 19. Dezember 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete "zu einem anderen Bescheid" Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006200425.X00

Im RIS seit

11.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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