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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2005/21/0030 E 20. Dezember 2007Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 29. Oktober 2004, Zl. Fr-4250a-164/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 33 Abs. 1 und § 37 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet aus.
Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer vermutlich im August 2000 - nachdem ihm am 13. August 2000 ein vom 13. August 2000 bis 12. November 2000 gültiges Reisevisum (Visum "C") von der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara ausgestellt worden sei - gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder zu seinem in Österreich aufhältigen Vater gereist sei. Nach Ablauf der Gültigkeit dieses Visums sei er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern in Österreich geblieben und habe am 12. November 2000 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung eingebracht. Dieser Antrag (und der seiner Mutter und Brüder) sei rechtskräftig abgewiesen worden. (Die dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0187 bis 0190, als unbegründet abgewiesen.)
Da der Beschwerdeführer - so die weitere Bescheidbegründung - gegenüber der Botschaft in Ankara unrichtige Angaben über den Zweck seines Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu erschleichen, wäre der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt. Wegen des jugendlichen Alters des Beschwerdeführers könne jedoch mit dem Rechtsinstitut der Ausweisung "gerade noch" das Auslangen gefunden werden. Da dem Beschwerdeführer nie eine Genehmigung nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu seinem Vater zu ziehen, erteilt worden sei, könne er keine Rechte aus dem ARB ableiten. Als türkischer Staatsangehöriger könne er sich nicht auf Gemeinschaftsrecht berufen. Der Beschwerdeführer halte sich seit Ablauf seiner "Aufenthaltsbewilligung", somit seit 13. November 2000, unrechtmäßig in Österreich auf. Von der Möglichkeit der Erlassung der Ausweisung werde Gebrauch gemacht, weil der Beschwerdeführer durch sein Gesamtfehlverhalten schwer gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen habe. Dem Beschwerdeführer könne die Integration, die er auf Grund des jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich erlangt habe, "kaum positiv" angerechnet werden. Auch seine Mutter und sein jüngerer Bruder hielten sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Da ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse sei und den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme, sei die Ausweisung nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Eine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG sei bei einer Ausweisung nicht vorgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid an einer - von Amts wegen aufzugreifenden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 581 angeführte Rechtsprechung) - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde leidet. Die erstinstanzliche Behörde hatte nämlich mit Bescheid vom 1. Juni 2004 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 6 FrG ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diesen Ausspruch änderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dahin ab, dass der Beschwerdeführer - wie bereits zitiert - gemäß § 33 Abs. 1 FrG ausgewiesen werde. Somit stellt sich die Frage des Verhältnisses eines Aufenthaltsverbotes zu einer Ausweisung. Die Berufungsbehörde darf nämlich sachlich nicht über mehr absprechen, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz war; andernfalls leidet der Berufungsbescheid an einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Rechtsmittelbehörde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz. 59, 60, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Grundsätzlich kann die zu prüfende "Sache" nicht generell, sondern nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, welche die konkrete Sache bestimmt, eruiert werden (Hengstschläger/Leeb, a.a.O., unter Hinweis insbesondere auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Zl. 82/11/0270, VwSlg. 11.237 A).
Die fremdenpolizeiliche Ausweisung ist der durchsetzbare Auftrag an den Fremden, "unverzüglich auszureisen" (§ 40 Abs. 1 FrG). Auch im Fall der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes hat der Fremde gemäß dieser Bestimmung unverzüglich auszureisen; dazu kommt aber, dass er gemäß § 41 Abs. 1 FrG während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder einreisen darf.
Das Verhältnis dieser administrativ-rechtlichen Institute zueinander - die ansonsten ohne Änderung ihres Wesens übernommen wurden - wurde durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, gesetzlich klar erfasst. Das Fremdenpolizeigesetz 2005 sieht nämlich in seinem § 62 die Maßnahme des Rückkehrverbotes gegen Asylwerber vor. Dem liegt die Intention des Gesetzgebers zu Grunde, dass die Verhängung einer Ausweisung während eines laufenden Asylverfahrens dem Grundsatz widerspreche, während eines Asylverfahrens keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu setzen. Nach den Erläuterungen ist ein Aufenthaltsverbot "eine Ausweisung mit einem korrespondierenden Rückkehrverbot nach Österreich (952 BlgNR 22. GP 100)." Auch damit ist jedenfalls klargestellt, dass ein Aufenthaltsverbot aus einer Ausreiseverpflichtung und der Verpflichtung, innerhalb des festgelegten Zeitraums (oder auf Dauer) nicht zurückzukehren, besteht (Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, a.a.O.). Aus diesem Wesen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist in eindeutiger Weise zu folgern, dass eine Ausweisung als Teil eines Aufenthaltsverbotes gegenüber diesem nicht ein Aliud, sondern ein Minus ist. Demnach überschreitet die Berufungsbehörde, wenn sie an Stelle eines Aufenthaltsverbotes nur die Ausreiseverpflichtung in Form einer Ausweisung ausspricht, nicht die "Sache" des Berufungsverfahrens.
Wohl aber ist die Berufungsbehörde verpflichtet, der Partei Gehör zu der nun im Fall der Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG relevanten Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu gewähren (vgl. zum Recht auf Parteiengehör allgemein die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45 Rz. 23 ff angeführte hg. Rechtsprechung). Tut sie dies nicht, ist der Berufungsbescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet, sofern die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt wird. Im vorliegenden Fall releviert die Beschwerde wie schon in der Berufung lediglich die behaupteten Berechtigungen aus dem ARB (Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation; dazu im Folgenden), behauptet aber sonst in keiner Weise das Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung. Davon ausgehend bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass sich der Beschwerdeführer seit Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Visums unrechtmäßig in Österreich aufhalte und demnach der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei.
Der Gerichtshof sprach bei Abweisung der Beschwerde gegen die Verweigerung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem oben zitierten Erkenntnis vom 21. Dezember 2004 bereits aus, dass der Beschwerdeführer nicht "assoziationsintegriert" sei, weshalb auch hier den Beschwerdeausführungen zum Umfang der Berechtigungen aus dem ARB ebenso der Boden entzogen ist wie den daraus abgeleiteten und auf das Gemeinschaftsrecht bezogenen Schlussfolgerungen. Eine Berechtigung aus dem ARB vermag der Beschwerdeführer auch aus seiner in der Beschwerde behaupteten einjährigen Beschäftigung auf Grund eines Befreiungsscheines nicht abzuleiten, setzt doch die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinn des Art. 6 ARB eine "gesicherte und nicht nur vorläufige Position" des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates voraus, wofür ein Aufenthaltstitel nach § 7 Abs. 1 FrG erforderlich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2004, Zl. 2004/21/0153, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH; so auch das nach Vorliegen des Urteils des EuGH vom 2. Juni 2005, Rs. C-136/03 "Dörr, Ünal", ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zlen. 2005/21/0323, 2006/21/0313, 0314).
Der verfügten Ausweisung steht auch § 37 Abs. 1 FrG nicht entgegen. Zum einen kommt - worauf die belangte Behörde bereits zutreffend hingewiesen hat - den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2003/21/0035). Zum anderen sprach der Gerichtshof in dem schon genannten, die Familie des Beschwerdeführers betreffenden Erkenntnis vom 21. Dezember 2004 bereits aus, dass in der gegebenen Konstellation kein Recht auf Familienzusammenführung in Österreich besteht. Somit ist die Ausweisung auch angesichts des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Letztlich vermag die Beschwerde auch keinen Umstand aufzuzeigen, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.
Da dem angefochtenen Bescheid daher die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet und die belangte Behörde auch nicht ihre Zuständigkeit überschritten hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.
Eine Kostenentscheidung zu Gunsten der belangten Behörde hatte mangels Verzeichnung von Kosten zu entfallen.
Wien, am 20. Dezember 2007
Schlagworte
Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des RechtsgrundesAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004210328.X00Im RIS seit
12.02.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009