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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. Franz Haunschmidt, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Skopje vom 13. Februar 2007, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, stellte im Jänner 2007 bei der österreichischen Botschaft in Skopje den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" zum Zweck des Besuchs ihres Sohnes in Linz für den Zeitraum 27. Jänner 2007 bis 26. April 2007. Mit Schreiben vom 26. Jänner 2007 teilte die genannte Botschaft der Beschwerdeführerin mit, dass ihrem Antrag nicht stattgegeben werden könne; es bestehe Grund zur Annahme, dass sie das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde, da sie nicht überzeugend nachweisen habe können, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz habe. Vor einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag werde der Beschwerdeführerin jedoch die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zwei Wochen eine abschließende Stellungnahme zu erstatten.
Die Beschwerdeführerin gab in der Folge, rechtsfreundlich vertreten, eine derartige Stellungnahme ab. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass sie ihr Sohn bereits dreimal nach Österreich eingeladen habe, wobei von der österreichischen Botschaft in Skopje jeweils das beantragte Visum C ausgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe bei ihren Aufenthalten in Österreich in der Wohnung ihres Sohnes gewohnt und sei jeweils einige Tage vor Ablauf des Visums aus Österreich abgereist.
Ungeachtet dieser Stellungnahme wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als nicht erfüllt erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde und nach Abgabe weiterer Äußerungen durch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erwogen:
Wie dargestellt, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).
Unter diesem Gesichtspunkt findet sich am Antrag der Beschwerdeführerin neben dem angekreuzten Feld "Visum abgelehnt" ein botschaftsinterner Vermerk, wonach die Beschwerdeführerin am 30. August 2006 einen "NB Antrag" gestellt habe. Daraus kann gerade noch abgeleitet werden, dass die Visumsversagung im Grunde des § 21 Abs. 1 Z 2 FPG auf eben jenem Umstand beruhen sollte. In der behördlichen Gegenschrift wird in diesem Sinn ergänzend ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit dem im August 2006 eingebrachten Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eindeutig ihre Migrationsabsicht dargelegt.
In der vorliegenden Beschwerde wurde demgegenüber sachverhaltsbezogen, wie schon in der vor Bescheiderlassung gegenüber der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahme, damit argumentiert, dass der Beschwerdeführerin bereits dreimal ein Reisevisum zu Besuchszwecken (Besuch des Sohnes in Österreich) ausgestellt worden sei, und zwar für die Zeiträume vom 29. August 2003 bis 28. November 2003, vom 28. Juni 2004 bis 27. September 2004 und vom 17. September 2005 bis 16. Dezember 2005. Die Beschwerdeführerin habe dabei stets bei ihrem Sohn gewohnt und sei jeweils einige Tage vor Ablauf des Visums wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Nunmehr werde ihr, ohne dass sich ihre Lebensverhältnisse geändert hätten, das beantragte Visum versagt. In einer Äußerung zur behördlichen Gegenschrift wird ergänzend vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin bereits vor Beantragung des gegenständlichen Visums - am 15. November 2006 - ihren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zurückgezogen habe. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof - so die Beschwerdeführerin im Rahmen von rechtlichen Überlegungen - ausgeführt, dass selbst die im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Ausdruck gebrachte Absicht eines längerfristigen Aufenthalts in Österreich für sich genommen nicht die Schlussfolgerung zulasse, der betreffende Fremde werde seiner Pflicht, mit Ablauf des Visums auszureisen, nicht nachkommen.
Mit diesem Verweis nimmt die Beschwerdeführerin auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dem (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) § 10 Abs. 2 Z 5 Fremdengesetz 1997 - FrG Bezug. Gemäß dieser Bestimmung konnte die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn Grund zur Annahme bestand, der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach zur zitierten Vorschrift aus, es komme wesentlich darauf an, ob dem Fremden ein in der Vergangenheit liegendes fremdenrechtliches Fehlverhalten anzulasten sei (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0025, vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0029, vom 25. April 2006, Zl. 2003/21/0024, und Zl. 2005/21/0017, vom 18. Mai 2006, Zl. 2003/21/0134, und Zl. 2005/21/0313, sowie vom 31. August 2006, Zl. 2003/21/0170). Ein Grund für die in § 10 Abs. 2 Z 5 FrG umschriebene Annahme könne nur dann bestehen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass der Fremde die Absicht habe, seinen Aufenthalt auf illegale Weise zu verlängern (vgl. insbesondere das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004). Bloße Zweifel an der Nichtausreise nach Ablauf des Visums könnten den genannten Tatbestand nicht erfüllen (so etwa das zuvor genannte hg. Erkenntnis zur Zl. 2003/21/0024).
An die Stelle von § 10 Abs. 2 Z 5 FrG ist nunmehr § 21 Abs. 1 Z 2 FPG getreten. § 21 Abs. 1 FPG lautet insgesamt wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
1.
dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;
2.
die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;
3.
öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und
4. kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird."
Die Gesetzesmaterialien bieten keine Begründung für die vorgenommene Änderung. Ungeachtet dessen kann kein Zweifel bestehen, dass sich die Struktur des hier in Rede stehenden Kriteriums "Wiederausreise" grundsätzlich gewandelt hat. War es bisher als Versagungsgrund konzipiert, so ist es nunmehr zu einer Erteilungsvoraussetzung geworden, womit einhergeht, dass die Visumserteilung jetzt positiv voraussetzt, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint, wohingegen bisher - im gegebenen Zusammenhang - ein Visum grundsätzlich zu erteilen war, es sei denn, es bestand "Grund zur Annahme", der Fremde werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Titels das Bundesgebiet nicht unaufgefordert verlassen. Im Ergebnis ist es damit funktional betrachtet insbesondere zu einer Beweislastumkehr gekommen; war es bisher Sache der Behörde, Anhaltspunkte für ein Verbleiben des Fremden in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus darzutun, andernfalls das beantragte Visum zu erteilen war, muss sich auf Basis des § 21 Abs. 1 Z 2 FPG ein derartiges Verbleiben - soll es zu einer Visumerteilung kommen - als unwahrscheinlich erweisen. Zweifel gehen anders als nach der alten Rechtslage daher nunmehr zu Lasten des Fremden.
Die dargestellte Rechtsänderung lässt freilich unberührt, was der Verwaltungsgerichtshof ergänzend zu § 10 Abs. 2 Z 5 FrG ausgesprochen hat, nämlich dass nicht ohne Weiteres ("generell") unterstellt werden kann, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Nach wie vor wird es daher konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung bedürfen und kann die Behörde die Versagung eines Visums nicht quasi mit einem "Generalverdacht" zu Lasten aller Fremden begründen (in diesem Sinn ist wohl auch die Anmerkung zu § 21 FPG in Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht (2006) zu verstehen). Regelmäßig wird daher, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt sind, davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint. Liegen allerdings entsprechende Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vor, die die Behörde im Rahmen ihrer sich aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierenden Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Fremden konkret darzulegen hat, so ist es dessen Sache, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen.
Was den gegenständlichen Beschwerdefall anlangt, so kann der belangten Behörde auf der Basis dieser Überlegungen zur nunmehr geänderten Rechtslage nicht grundsätzlich entgegengetreten werden, wenn sie den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Indiz dafür wertete, dass die Ausreise nicht gesichert erscheine. Die Beschwerdeführerin hat allerdings schon im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass ihr in der Vergangenheit dreimal ein Visum erteilt worden und dass sie jedes Mal unaufgefordert vor Ablauf des Visums in ihre Heimat zurückkehrte. Angesichts dieses, durch die Vorlage des Reisepasses bescheinigten Vorbringens hat die Beschwerdeführerin die grundsätzlich zu Recht an ihrer Wiederausreise bestehenden Zweifel im Sinn des Vorgesagten ausreichend klar aus dem Weg geräumt. Das wäre ihr, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, beispielsweise auch durch Präsentation eines "Rückkehrtickets" gelungen (zu einem derartigen Fall vgl. etwa das - schon zur neuen Rechtslage ergangene - hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0117), weil auch in einem solchen Fall für eine vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ausreichende "Verdachtslage" regelmäßig kein Raum bleibt.
Die belangte Behörde hat die Bedeutung, die dem fremdenrechtlich betrachtet korrekten Vorverhalten der Beschwerdeführerin zukommt, verkannt. Soweit sie in ihrer Gegenschrift und in ihrer Replik auf die zu dieser Gegenschrift erstattete Äußerung der Beschwerdeführerin überdies darauf hinweist, dass die Ablehnung des gegenständlichen Visumsantrages auch deshalb geboten gewesen sei, weil die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im Ausland abzuwarten ist, unterliegt sie im Übrigen auch einem Rechtsirrtum, uzw. schon deshalb, weil die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht mit jenen für die Erteilung eines Visums vermengt werden dürfen. Der angefochtene Bescheid war aber schon aus den vorangeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Ergänzend sei darüber hinaus zu der (formularmäßigen) Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides noch darauf hingewiesen, dass gegen Bescheide der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten - abgesehen von der für begünstigte Drittstaatsangehörige vorgesehenen Berufungsmöglichkeit an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 9 Abs. 4 FPG - nicht nur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, sondern gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG (bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen) auch an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden kann.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 20. Dezember 2007
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210104.X00Im RIS seit
04.02.2008Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011