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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §26 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der P Ltd. Company in L, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 7. August 2007, Zl. RV/0020-I/07, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 4. Juli 2006 verkaufte Roman C an die Beschwerdeführerin eine Liegenschaft in der Katastralgemeinde F. Der Kaufvertrag nannte die Beschwerdeführerin "in Österreich vertreten durch Managing Director Hr. Hannes C".
Die Beschwerdeführerin erstattete am 6. Juli 2006 an das Finanzamt Innsbruck eine Abgabenerklärung gemäß § 10 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987.
In einer Eingabe vom 8. November 2006 nahm die Beschwerdeführerin gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz - offenbar zu fernmündlich aufgeworfenen Fragen - Stellung. Die Eingabe endete mit dem Postskriptum: "Der Einfachheit halber bitte die Korrespondenz direkt an Tweg 26 in A F".
Mit zwei Bescheiden vom 10. November 2006 setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Beschwerdeführerin - unter der Anschrift Tweg 5 F - Grunderwerbsteuer mit dem Betrag von EUR 1.365,-- und Schenkungssteuer mit dem Betrag von EUR 13.491,57 fest. Diese Bescheide wurden ohne Zustellnachweis im Wege der Post zugestellt.
Gegen den Schenkungssteuerbescheid erhob die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 18. Dezember 2006, am 19. Dezember 2006 rekommandiert zur Post gegeben, Berufung, die die Abgabenbehörde erster Instanz mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Jänner 2007 - adressiert an die Beschwerdeführerin unter der Anschrift Tweg 26 F - als unbegründet abwies. In einer weiteren Eingabe vom 16. Jänner 2006 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid "Berufung".
Mit Erledigung vom 3. Juli 2007, gerichtet an die Beschwerdeführerin "zu Hden. Herrn Hannes C Tweg 26 F", ersuchte die belangte Behörde um schriftliche Stellungnahme bis längstens 25. Juli 2007: Der bekämpfte Schenkungssteuerbescheid sei am 10. November 2006 erlassen worden. Die dagegen erhobene Berufung sei am 19. Dezember 2006 zur Post gegeben und am 22. d.M. beim Finanzamt eingelangt. Nach weiterer Wiedergabe aus den §§ 245 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BAO und § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 führt die belangte Behörde weiter aus, zufolge "obiger gesetzlicher Vermutung" gelte die Zustellung des Schenkungssteuerbescheides vom Freitag, 10. November 2006, spätestens als am 15. November 2006 bewirkt; damit habe die einmonatige Berufungsfrist am Freitag, 15. Dezember 2006, geendet. Die Postaufgabe der Berufung sei nachweislich erst am 19. Dezember 2006 erfolgt, weshalb die belangte Behörde von einer verspäteten Berufung ausgehe und beabsichtige, die Berufung aus diesem Grund zurückweisen. Es werde daher gebeten, allenfalls vorhandene, für eine rechtzeitige Einbringung der Berufung sprechende Umstände dazutun und zum Nachweis des diesbezüglichen Vorbringens geeignete Unterlagen vorzulegen. Im Schreiben vom 8. November 2006 sei um Zustellung der Korrespondenz "direkt an Tweg 26 in F" gebeten worden. Nach Zustellung der Berufungsvorentscheidungen an die Beschwerdeführerin unter dieser Anschrift habe die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag ausgeführt, dieser Bescheid hätte sie auf Umwegen erreicht, der "an die falsche Person gerichtet" wäre. Es werde daher um Mitteilung gebeten, an wen und unter welcher Zustelladresse Zustellungen zu erfolgen hätten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom 10. November 2006 als verspätet zurück und hob die Berufungsvorentscheidung vom 9. Jänner 2007 auf. Begründend führte die belangte Behörde im Rahmen der Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister sei der inländische Vertreter der Beschwerdeführerin, Hannes C, mit Hauptwohnsitz an der Adresse Tweg 26 in F gemeldet; er scheine unter dieser Adresse auch im Telefonbuch (Herold.at) auf. Im Zuge der Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung durch die belangte Behörde sei die Beschwerdeführerin mit Vorhaltschreiben vom 3. Juli 2007 (zu Handen des Vertreters an die genannte Adresse) davon in Kenntnis gesetzt worden, dass im Hinblick auf die einmonatige Berufungsfrist und die Postaufgabe der Berufung am 19. Dezember 2006 deren Einbringung als verspätet zu betrachten wäre. Das Vorhaltschreiben mit der Fristsetzung bis längstens 25. Juli 2007, nachweislich zugestellt am 9. Juli 2007, sei bis dato unbeantwortet geblieben. Es sei auch keinerlei (eventuell telefonisches) Ansuchen um etwaige Fristverlängerung gestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht erwog die belangte Behörde - unter anderem unter Wiedergabe des § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 -, im vorliegenden Fall bedeute dies, dass nach der gesetzlichen Vermutung der Schenkungssteuerbescheid vom 10. November 2006 spätestens am 15. d.M. als zugestellt gelte. Mit diesem Tag habe die Frist zur Stellung einer Berufung begonnen und die einmonatige Berufungsfrist am Freitag, 15. Dezember 2006, geendet. Ein dem widersprechendes Vorbringen samt Nachweis sei trotz Aufforderung von der Beschwerdeführerin nicht erstattet worden. Das Vorhaltschreiben vom 3. Juli 2007 sei unbeantwortet geblieben. Die gegenständliche Berufung wäre sohin nur dann fristgerecht gewesen, wenn sie spätestens am letzten Tag der Berufungsfrist eingebracht worden wäre. Dem gegenüber sei die Postaufgabe jedoch nachweislich erst am 19. Dezember 2006 und der Eingang der Berufung beim Finanzamt erst am 22. d.M. und damit verspätet erfolgt. Gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO habe die Abgabenbehörde eine Berufung, die nicht fristgerecht eingebracht worden sei, (zwingend) durch Bescheid zurückzuweisen. Abschließend begründet die belangte Behörde die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin u.a. in ihrem Recht auf eine Sachentscheidung über ihre Berufung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, die belangte Behörde gehe zu Unrecht nach § 26 Abs. 2 ZustG davon aus, dass der Erstbescheid als am 15. November 2006 zugestellt gälte. Die Beschwerdeführerin habe von vornherein bestritten, dass ihr der Bescheid zugestellt worden wäre. Die belangte Behörde hätte "im Zweifel" die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen feststellen müssen. Diesbezüglich habe die belangte Behörde lediglich ein Vorhaltschreiben an die Beschwerdeführerin verschickt. Erhebungen beim Zusteller seien keine veranlasst worden. Die Beschwerdeführerin habe sich am 16. Juli 2007 mittels eingeschriebener Briefsendung zum Vorhalt der belangte Behörde gerechtfertigt und auf Grund eines Telefonates mit der belangten Behörde, wonach dieses Schreiben nicht beim Finanzamt eingelangt wäre, die Stellungnahme am 31. August 2007 neuerlich übermittelt. Die belangte Behörde hätte Erhebungen darüber pflegen müssen, an wen und ob überhaupt zugestellt worden sei.
Nach § 26 Abs. 2 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, wurde vermutet, dass die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe vorgenommen wurde, wenn das Schriftstück der Gemeinde oder dem behördlichen Zusteller übergeben worden war. Im Zweifel hatte die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung galt als nicht bewirkt, wenn sich ergab, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wurde die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 erhielt § 26 über die Zustellung ohne Zustellnachweis eine Neufassung. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Den ErläutRV zur Neufassung des § 26 ZustG durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004, 252 BlgNR XXII. GP 16, zufolge werden die Regelungen über die Zustellung ohne Zustellnachweis im Bereich der "postalischen" Zustellung nunmehr zusammenfassend im neuen § 26 getroffen (- bisher § 2a Abs. 2 und § 26).
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in ständiger Rechtsprechung zu § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 die Ansicht, bei Zustellungen ohne Zustellnachweis müsse die Behörde die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie hätte ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegen getreten werden könne. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis habe die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall müsse - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgen Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelinge dies nicht, müsse die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. März 2003, Zl. 2001/13/0302, sowie vom 20. September 2006, Zl. 2004/08/0087, jeweils betreffend § 26 Abs. 2 ZustG idF BGBl. I Nr. 158/1998, mwN).
Den wiedergegebenen ErläutRV zufolge sollte durch die Neufassung des § 26 ZustG nur eine Zusammenfassung von Regelungen erfolgen; Anhaltspunke dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinausgehend die bisher in § 26 Abs. 2 ZustG getroffene Regelung über den Beweis der Zustellung ändern wollte, sind nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG, wonach die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt "gilt", eine Vermutung der Zustellung vorsieht (vgl. Walter/Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze16 (2004), Anm. 3 zu § 26 ZustG), und zwar deshalb, weil andernfalls die vom Gesetzt für den Zweifelsfall angeordnete Pflicht der Behörde, das tatsächliche Zustelldatum festzustellen, sinnlos wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass in Anbetracht der Vergleichbarkeit der Regelung des § 26 Abs. 2 ZustG in der Fassung vor und in der Fassung seit der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 seine oben wiedergegebene Rechtsprechung zu dieser Bestimmung weiterhin maßgeblich ist.
Die belangte Behörde erkannte zutreffend, dass die Beschwerdeführerin eine Zustellung des Erstbescheides vom 10. November 2006 mehr als einen Monat vor dem 19. Dezember 2006 bestritten hat. Nach dem Gesagten hatte daher die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Zweifelsfalles die Tatsache der Zustellung nachzuweisen und musste den Beweis der erfolgten Zustellung erbringen.
Die belangte Behörde traf im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen über die Zustellung des Erstbescheides vom 10. November 2006 an die Beschwerdeführerin, d.h. in welchem Zeitpunkt diese Sendung entweder einem organschaftlichen Vertreter der Beschwerdeführerin - offenbar einer Gesellschaft englischen Rechts - oder einem zur Empfangnahme solcher Sendungen Bevollmächtigten tatsächlich zugekommen wäre, sondern beließ es in Ansehung dessen, dass das Vorhaltschreiben vom 3. Juli 2007 unbeantwortet geblieben sei, bei der Vermutung des § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG. Dieser Vermutung war jedoch durch die erfolgte Bestreitung der Beschwerdeführerin die Grundlage entzogen.
Schon damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war; in der Gegenschrift dazu nachgetragene Überlegungen der belangten Behörde vermögen an dem Feststellungsmangel nichts zu ändern.
Der Spruch über den Aufwandersatz sowie die Abweisung des Mehrbegehrens an solchem gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, die insbesondere einen Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand nicht vorsehen.
Wien, am 20. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007160175.X00Im RIS seit
07.02.2008Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013