TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/21 2007/17/0002

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Veröffentlicht am 21.12.2007
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Index

L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art119a Abs5;
LAO NÖ 1977 §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §53 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. der MB und

2. des JB, beide in Breitenfurt, beide vertreten durch Dr. Peter H. Jandl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. November 2006, Zl. IVW3-BE-3170301/008-2006, betreffend Vorstellung i.A. Feststellungen nach dem NÖ KanalG 1977 (mitbeteiligte Partei:

Marktgemeinde Breitenfurt, 2384 Breitenfurt, Hirschentanzstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Auf Grund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird der Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

3. Das Land Niederösterreich hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4. Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde

vom 24. Jänner 2005 wurde nach näher genannten Bestimmungen des

Niederösterreichischen Kanalgesetzes 1997, LGBl. 8230,

festgestellt, dass

     1.        eine näher genannte Liegenschaft an den

Mischwasserkanal, nicht jedoch an den Regenwasserkanal der

mitbeteiligten Marktgemeinde angeschlossen sei,

     2.        dass am Tag der Bescheiderlassung das Dachgeschoß

eines dort errichteten Gebäudes an den Schmutzwasserkanal angeschlossen sei und

3. dass die Geschoßfläche des Dachgeschoßes 185,17 m2 betrage.

Nach der Zustellverfügung sollte dieser Bescheid an beide Beschwerdeführer zugestellt werden.

In den Verwaltungsakten findet sich lediglich ein Rückschein betreffend die Zustellung desselben an die Erstbeschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtete sich eine am 22. Februar 2005 eingelangte Eingabe des Zweitbeschwerdeführers, in welcher dieser erklärte, innerhalb offener Frist gegen den genannten Bescheid Berufung zu erheben.

In der Begründung dieser Eingabe führt der Zweitbeschwerdeführer aus, es gehe weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hervor, wer dessen Adressat sei. Es sei dem Zweitbeschwerdeführer daher unmöglich festzustellen, ob er vorliegendenfalls als Partei oder als Parteienvertreter einzuschreiten habe.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2006 entschied der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde "über die rechtzeitig eingebrachte Berufung des Zweitbeschwerdeführers" gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Jänner 2005 dahingehend, dass diese Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werde.

Die Berufungsbehörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides an beide Beschwerdeführer.

Nach Maßgabe der im Akt erliegenden Rückscheine erfolgte diese Zustellung an beide Beschwerdeführer, und zwar jeweils am 5. Mai 2006.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. November 2006 gab die belangte Behörde der Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers Folge und hob den angefochtenen Berufungsbescheid, soweit er den Zweitbeschwerdeführer betrifft, unter Verweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde auf (Spruchpunkt 1.). Schließlich wurde auch der Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin Folge gegeben und der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf sie beziehe, ersatzlos behoben (Spruchpunkt 2.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. Jänner 2005 hätte zwar an beide Vorstellungswerber ergehen sollen, er sei jedoch nach Maßgabe der vorgelegten Akten lediglich (am 27. Jänner 2005) der Erstbeschwerdeführerin zugestellt worden.

Gegen diesen Bescheid habe sich eine Berufung des Zweitbeschwerdeführers gerichtet.

Diese sei mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen worden.

Aus dieser Sachverhaltsdarstellung folge, dass lediglich gegen die Erstbeschwerdeführerin ein erstinstanzlicher Bescheid erlassen worden sei. Die allein vom Zweitbeschwerdeführer eingebrachte Berufung gegen diesen Bescheid erweise sich im Ergebnis als unzulässig. Der Berufungsbehörde sei es daher verwehrt gewesen, über diese Berufung des Zweitbeschwerdeführers eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Sie hätte vielmehr den Zurückweisungsgrund (Fehlen eines gegen den Zweitbeschwerdeführer gerichteten erstinstanzlichen Bescheides) amtswegig aufzugreifen gehabt. Durch die Erlassung einer inhaltlichen Entscheidung über die Berufung des Zweitbeschwerdeführers habe die Berufungsbehörde der mitbeteiligten Marktgemeinde die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten.

In Ansehung der Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei lediglich ihr gegenüber erlassen und ihr zugestellt worden. Dieser Bescheid sei unbekämpft geblieben und damit in Rechtskraft erwachsen. In Ermangelung einer Berufung der Erstbeschwerdeführerin sei der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde auch unzuständig gewesen, eine Berufungsentscheidung gegenüber der Erstbeschwerdeführerin zu treffen. Durch den Bescheid vom 2. Mai 2006 sei die Erstbeschwerdeführerin durch ungerechtfertigtes Treffen einer Sachentscheidung in ihrem Recht auf Einhaltung der Behördenzuständigkeit verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Marktgemeinde verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers:

Mit dem Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. Mai 2006 wurde nach dem klaren Spruch über die vom Zweitbeschwerdeführer eingebrachte Berufung im abweislichen Sinne abgesprochen. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte u.a. auch an den Zweitbeschwerdeführer. Hieraus folgt, dass die Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers zulässig war.

Die belangte Behörde hat nun mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides der Vorstellung des Zweitbeschwerdeführers Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid, soweit er den Zweitbeschwerdeführer betrifft, aufgehoben und die Rechtssache an die mitbeteiligte Marktgemeinde verwiesen.

In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde der Berufungsbehörde die Rechtsansicht überbunden, dass eine inhaltliche Erledigung über die Berufung des Zweitbeschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Jänner 2005 keinesfalls zu ergehen habe, weil ein erstinstanzlicher Bescheid gegen den Zweitbeschwerdeführer nicht ergangen sei.

Insofern der Zweitbeschwerdeführer in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt, dass die Zurückverweisung nicht an die mitbeteiligte Marktgemeinde, sondern an deren Gemeindevorstand zu erfolgen gehabt hätte, genügt es, ihn auf den klaren Wortlaut des § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, LGBl. 1000-0, zu verweisen, welcher lautet:

"(4) Die Aufsichtsbehörde hat den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen."

Im Übrigen war lediglich zu prüfen, ob der Zweitbeschwerdeführer durch die Überbindung der für die Aufhebung tragenden und ausdrücklich geäußerten Auffassung der Vorstellungsbehörde in Rechten verletzt wurde. Die belangte Behörde überband der Gemeinde (mit Wirkung für den Zweitbeschwerdeführer) die Rechtsauffassung, wonach eine inhaltliche Entscheidung über die Berufung des Zweitbeschwerdeführers nicht zu ergehen habe, weil es an einem gegen ihn gerichteten erstinstanzlichen Bescheid mangle.

Zwar bringt der Zweitbeschwerdeführer in diesem Zusammenhang vor, der erstinstanzliche Bescheid sei auch an ihn "verschickt worden". Darauf kommt es jedoch nicht an, sondern vielmehr lediglich darauf, ob eine Zustellung an ihn erfolgt ist. Dies wird vom Zweitbeschwerdeführer aber vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht behauptet.

Im Übrigen wäre aber auch im Falle einer von der Vorstellungsbehörde zu Unrecht getroffenen Annahme, ein den Zweitbeschwerdeführer belastender erstinstanzlicher Bescheid sei ihm gegenüber gar nicht ergangen, weshalb dessen Berufung aus diesem Grund zurückzuweisen sei, eine Verletzung von Rechten des Zweitbeschwerdeführers nicht erkennbar. Im Falle einer Zurückweisung der Berufung des Zweitbeschwerdeführers aus dem der Berufungsbehörde von der belangten Behörde überbundenen Grund stünde nämlich rechtskräftig fest, dass die erstinstanzliche Erledigung gegen den Zweitbeschwerdeführer nicht ergangen ist.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

II. Zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Nach dem klaren Wortlaut des auch von der Erstbeschwerdeführerin mit Vorstellung angefochtenen Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde lediglich eine vom Zweitbeschwerdeführer eingebrachte Berufung gegen den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Zwar wurde diese Berufungsentscheidung auch der Erstbeschwerdeführerin zugestellt, was jedoch nichts daran ändert, dass sie sich auf die Erledigung der Berufung des Zweitbeschwerdeführers beschränkte.

Anders als die belangte Behörde annahm, beinhaltet der mit Vorstellung angefochtene Bescheid vom 2. Mai 2006 keine Entscheidung über eine (von der zweitinstanzlichen Abgabenbehörde) der Erstbeschwerdeführerin zugerechnete Berufung. Die Zustellung des - ausschließlich den Zweitbeschwerdeführer betreffenden - Berufungsbescheides an die Erstbeschwerdeführerin bewirkte für sich genommen nicht die Erlassung einer Berufungsentscheidung gegen die Erstbeschwerdeführerin.

Daraus wiederum folgt, dass die belangte Behörde die von der Erstbeschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung in Ermangelung eines gegen die Erstbeschwerdeführerin ergangenen Berufungsbescheides als unzulässig zurückzuweisen gehabt hätte.

Indem die belangte Behörde über diese Vorstellung nunmehr eine inhaltliche Erledigung traf, wobei sie der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Wirkung für die Erstbeschwerdeführerin die für letztere nachteilige Rechtsauffassung überband, wonach der erstinstanzliche Bescheid vom 24. Jänner 2005 mangels Erhebung einer Berufung durch die Erstbeschwerdeführerin ihr gegenüber in Rechtskraft erwachsen sei, also über die am 22. Februar 2005 eingelangte Eingabe in Ansehung der Erstbeschwerdeführerin keinesfalls eine Berufungsentscheidung in der Sache zu ergehen habe, belastete sie den angefochtenen Vorstellungsbescheid, soweit er die Erstbeschwerdeführerin betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 93/17/0267).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Hinzuweisen ist darauf, dass § 53 Abs. 1 VwGG vorliegendenfalls nicht zum Tragen kam, weil die Beschwerden der beiden Beschwerdeführer nicht denselben Erfolg hatten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. November 2001, Zl. 98/17/0321).

Für das fortgesetzte Verfahren ist Folgendes auszuführen:

Die belangte Behörde wird die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin somit zurückzuweisen haben.

Zur Beurteilung der Frage, ob der erstinstanzliche Feststellungsbescheid gegenüber der Erstbeschwerdeführerin in Rechtskraft erwachsen ist, werden die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Marktgemeinde Folgendes zu beachten haben:

Die Zustellung der genannten Erledigung an die Erstbeschwerdeführerin wäre dann wirksam gewesen, wenn diese nicht - wie sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet - eine das vorliegende Feststellungsverfahren umfassende Vertretungsvollmacht an den Zweitbeschwerdeführer erteilt hätte (vgl. hiezu § 60 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400, im Folgenden: NÖ AO). Dies wird zunächst von den Abgabenbehörden zu prüfen sein.

Wäre eine solche Vollmacht an den Zweitbeschwerdeführer erteilt worden und läge kein Fall des § 78 Abs. 2 NÖ AO vor, so wäre gemäß § 75 leg. cit. in Verbindung mit § 9 ZustellG die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides rechtens an die Erstbeschwerdeführerin zu Handen des Zweitbeschwerdeführers zu verfügen gewesen. Infolge Fehlens einer solchen Zustellverfügung hätte die Zustellung des genannten Bescheides an die Erstbeschwerdeführerin persönlich keine Rechtswirkung entfaltet.

Wäre aber - in Ermangelung einer das gegenständliche Abgabenverfahren erfassenden Bevollmächtigung des Zweitbeschwerdeführers durch die Erstbeschwerdeführerin - von einer gültigen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Erstbeschwerdeführerin auszugehen, so wäre weiters durch Einleitung eines diesbezüglichen Verbesserungsverfahrens zu klären, ob die am 22. Februar 2005 eingelangte Eingabe vom Zweitbeschwerdeführer auch namens der Erstbeschwerdeführerin erhoben werden sollte, zumal der erste Absatz der Berufungsbegründung zumindest eine Deutung in diese Richtung offen lässt. Bejahendenfalls wäre der Zweitbeschwerdeführer zur - dann erstmaligen - Vorlage einer Vollmacht zur Vornahme dieser Prozesshandlung namens der Erstbeschwerdeführerin aufzufordern. Im Falle, dass er dieser Aufforderung nachkommt, wäre die Eingabe vom 22. Februar 2005 einer inhaltlichen Erledigung durch (erstmalige) Erlassung eines Berufungsbescheides gegen die Erstbeschwerdeführerin zuzuführen.

Wien, am 21. Dezember 2007

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007170002.X00

Im RIS seit

07.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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