TE Vfgh Erkenntnis 2003/3/13 B1057/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2003
beobachten
merken

Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr BesoldungsO 1994 §10

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt I.1.a) des bekämpften Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit EUR 2.142 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist seit 14. Juni 1993 Bediensteter der Gemeinde Wien.

Mit Schriftsatz vom 7. Jänner 2000, konkretisiert durch eine Niederschrift vom 6. August 2001 begehrte der Beschwerdeführer die Feststellung der Gebührlichkeit einer Ausgleichszulage für die Verwendung auf einem höheren Dienstposten beginnend mit dem 1. Dezember 1994.

Dazu wurde mit Spruchpunkt I.1.a) des - im Devolutionsweg ergangenen - nunmehr bekämpften Bescheides des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 6. Mai 2002 unter Berufung auf §10 Abs1 und 3 der Besoldungsordnung 1994 (BO) iVm dem Beschluss des Gemeinderates vom 28. Mai 1997, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 25/1997, festgestellt, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 10. Jänner 1997 keinen Anspruch auf Ausgleichszulage bei Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten habe.

Begründend führt die belangte Behörde dazu aus:

"Abschnitt I des Beschlusses des Gemeinderates vom 19. November. 1993, Pr.Z. 3818, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 48/1993, sah u.a. folgende Ausgleichszulagenregelung für Bedienstete der Schemata II und IV bei Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten vor:

Dem Bediensteten, der einen Dienstposten der Verwendungsgruppe B, Dienstklasse VI innehat, jedoch die der Bewertung des Dienstpostens entsprechende Einreihung noch nicht erreicht hat, gebührt nach Ablauf der Probezeit eine Ausgleichszulage (Abs1).

...

Die Ausgleichszulage gilt als Bestandteil des Gehaltes (Abs9).

Dieser Beschluss des Gemeinderates wurde mit Wirksamkeit 1. Juni 1997 durch den Beschluss des Gemeinderates vom 28. Mai 1997, Pr.Z. 103/97-GIF, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 25/1997, ersetzt. Die darin in §1 Abs1 bis 4 und 6 getroffene Ausgleichszulagenregelung enthält - von im Gegenstande unerheblichen Abweichungen - gleiche Regelungen.

Auf Grund des ergänzten Ermittlungsverfahrens ist von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen:

Der Antragsteller war in der Zeit vom 14. Juni 1993 bis 28. Februar 1995 Leiter des Referates I, in der Zeit vom 1. März 1995 bis 14. Juni 1995 Innenkoordinator und anschließend bis zu seiner Versetzung am 23. Dezember 1997 Leiter des Erstantragsreferates. Der Antragsteller wurde somit während des gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraumes in Funktionen verwendet, bei denen die mit diesen Funktionen verbundenen Dienstposten mit Wirksamkeit 1. Dezember 1994 von B/III bis V auf B/VI aufgewertet worden sind.

Für die Beantwortung der im Gegenstand relevanten Rechtsfrage ist somit zunächst entscheidend, ob der Antragsteller im Aufwertungszeitpunkt einen von diesen Aufwertungen erfassten mit B/III bis V bewerteten Dienstposten innegehabt hat. Dies ist, wie sich aus den Schreiben der Magistratsabteilung 62 vom 4. Dezember 1994 und jenem der MD-VR vom 26. Mai 2000 ergibt, zu bejahen. Aus beiden Schreiben geht für die erkennende Behörde unzweifelhaft hervor, dass der Antragsteller im relevanten Zeitpunkt nicht nur einen mit B/III bewerteten Dienstposten innerhalb der Magistratsabteilung 62 innegehabt hat, sondern mit diesem Dienstposten auch die Funktion, die unbestritten Aufwertungsgrund gewesen ist.

Weiters zu beantworten ist die Frage, ob der Antragsteller auch nach dem Aufwertungszeitpunkt den (einen) nunmehr höherwertigen Dienstposten innegehabt hat, zumal sich nur dann die Frage nach der Gebührlichkeit der in Rede stehenden Ausgleichszulage stellen kann. Strittig ist dies insofern, als dem Schreiben der Magistratsabteilung 62 vom 4. Dezember 1994 zu entnehmen ist, dass der Antragsteller die Bedingungen für einen höherwertigen Dienstposten (B/VI) noch nicht erfüllt und aus einem Aktenvermerk der MD-VR vom 7. Dezember 1994 und dem von dieser Dienststelle an die Magistratsabteilung 62 gerichteten Schreiben vom 10. Jänner 1995 hervorgeht, dass die (nunmehr) mit B/VI bewerteten Dienstposten bei 'Bedarf gesperrt' und die für diese Aufgaben vorgesehenen Bediensteten 'a conto' geführt werden, bis sie die Voraussetzungen für die Besetzung eines höher bewerteten Postens erfüllen. Schließlich wurde der Antragsteller den internen Aufzeichnungen der MD-VR (nunmehr: MD-IR) nach niemals auf einem höherwertigen Dienstposten geführt.

Die Sperre eines Dienstpostens ist eine legitime Maßnahme und bedeutet, dass dieser Posten mit keinem/keiner Bediensteten der Stadt Wien zu besetzen ist. Ist ein Dienstposten mit einem/einer Bediensteten besetzt, bedeutet dies für den Fall der Sperre dieses Dienstpostens, dass der/die Bedienstete von diesem Posten abberufen werden muss, ein Vorgang, der bei rechtlicher Betrachtung als Versetzung anzusehen ist. Eine solche Versetzung, die ihrem Inhalt nach als ein in Ausübung der Diensthoheit ergangener innerer Verwaltungsakt (Dienstbefehl) zu werten ist, hat in Form einer an den Bediensteten/die Bedienstete gerichteten Weisung zu ergehen und bedeutet in aller Regel die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes ohne Änderung des bestehenden Dienstverhältnisses. Dass eine solche Weisung, die im Übrigen auch nicht rückwirkend erfolgen könnte, an den Antragsteller ergangen ist, ist für den erkennenden Senat nicht nachgewiesen. Fest steht auch, dass mit der Aufwertung des Dienstpostens keinerlei Änderung des Aufgabengebietes für den Antragsteller verbunden gewesen ist. Hat der Antragsteller aber nach der Aufwertung des von ihm innegehabten Dienstpostens die selbe Funktion oder die selben Aufgaben ausgeübt, die Grund für die Aufwertung gewesen sind, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller auch den aufgewerteten Dienstposten innegehabt hat. Gegenteiliges könnte nur bei Vorliegen eindeutiger Beweise, die im gegenständlichen Fall nicht gegeben sind, angenommen werden. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass durch die im relevanten Zeitpunkt bestandene Ausgleichszulagenregelung Rechtsansprüche des Antragstellers betroffen sind und es einer eindeutigen diensthoheitlichen Erklärung gegenüber seiner Person bedurft hätte. Ob eine solche (bei identem Aufgabengebiet) zulässig gewesen wäre, war in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

Der Dienstrechtssenat der Stadt Wien gelangt daher zu der Auffassung, dass der Antragsteller ab 1. Dezember 1994 bis zu seiner Versetzung, aus der Magistratsabteilung immer einen mit B/VI bewerteten Dienstposten innegehabt hat und ihm daher grundsätzlich nach Erfüllung der sechsmonatigen Probezeit eine Ausgleichszulage gebührt hätte.

Bei diesem Verfahrensergebnis konnte von den vom Antragsteller beantragten Zeugenvernehmungen Abstand genommen werden.

Obwohl der Antragsteller die Funktion des Leiters des Referates I schon mehr als sechs Monate vor der Postenaufwertung ausgeübt und somit am 1. Dezember 1994 die sechsmonatige Probezeit bereits erfüllt hatte, gebührt ihm auf Grund des §10 Abs1 der Besoldungsordnung 1994 - BO 1994, LGBl. für Wien Nr. 55, nicht für den gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Ausgleichszulage. Nach der vorhin genannten Bestimmung verjährt der Anspruch auf rückständige Leistungen - die Ausgleichszulage gilt nach beiden eingangs zitierten Beschlüssen des Gemeinderates als Bestandteil des Gehaltes - und das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen drei Jahre nach ihrer Entstehung. Gemäß §10 Abs3 BO 1994 sind die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Geltendmachung im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist. Nach §1497 ABGB wird die Verjährung dann unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des Anderen anerkannt hat, oder, wenn er von dem Berechtigten belangt wurde und die Klage gehörig fortgesetzt wird.

Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 7. Jänner 2000; eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 11. Jänner 2000, seine 'dienst- und besoldungsrechtliche Angleichung'. Zwar ist dieser Antrag für eine bescheidmäßige Erledigung zu unbestimmt, doch wäre die Behörde erster Instanz verpflichtet gewesen, diese Unbestimmtheit unverzüglich aufzuklären. Dass die Behörde dies unterlassen hat, darf dem nicht rechtsfreundlich vertretenen Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen. Nach Ansicht des Dienstrechtssenats wurde deshalb bereits mit Einlangen dieses Antrages am 11. Jänner 2000 der Lauf der Verjährungsfrist des §10 Abs1 BO 1994 unterbrochen. Für diese Ansicht spricht auch der Umstand, dass der Antragsteller in seinem Devolutionsantrag vom 12. Juli 2000 explizit seinen Anspruch auf Ausgleichszulage erwähnt ('Durch die ungerechtfertigte Versetzung verlor ich nicht nur den Anspruch auf diese Schlüsselfunktion, sondern auch die dafür vorläufig vorgesehene Ausgleichszulage.')

Der Anspruch des Antragstellers auf Ausgleichszulage für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 10. Jänner 1997 ist somit gemäß §10 Abs1 BO 1994 verjährt.

..."

3. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Spruchpunktes I.1.a) des bekämpften Bescheides beantragt.

Dazu wird in der Beschwerde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Die belangte Behörde führt ... entscheidungswesentlich aus, dass sie zur Auffassung gelangt ist, dass der Antragsteller ab 01.12.1994 bis zur Versetzung aus der Magistratsabteilung 62 immer einen mit B/VI bewerteten Dienstposten inne gehabt hat und ihm daher grundsätzlich nach Erfüllung der 6-monatigen Probezeit eine Ausgleichszulage gebührt hätte.

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Zahlung der Ausgleichszulage im angefochtenen Umfang mit der Begründung abgewiesen, dass der Anspruch gemäß §10 Abs1 BO verjährt wäre.

Die belangte Behörde geht von der Verjährung des geltend gemachten Anspruches aus, setzt sich allerdings mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 08.11.2000 in keiner Weise auseinander, wonach er (und seine Kollegen und Kolleginnen) von ihrem Vorgesetzten dahingehend informiert wurden, dass die Auszahlung der Ausgleichszulage erst nach 6-jähriger effektiver Zugehörigkeit beim Magistrat möglich wäre, sodass der Beschwerdeführer ausschließlich aufgrund des begründeten Vertrauens auf die Richtigkeit der Auskünfte des Dienstgebers, es bestehe kein Anspruch, keinen Antrag auf Zuerkennung der Ausgleichszulage gestellt hat.

Hätte sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen befasst, so hätte sie einen anderen - für den Beschwerdeführer inhaltlich günstigeren - Bescheid erlassen müssen.

§10 BO 1994 lautet: ...

Diese Bestimmungen sind unzweifelhaft den Verjährungsbestimmungen des ABGB entnommen. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes kann derjenige keine günstigen Rechtsfolgen für sich ableiten, der den anderen (Vertrags-)Teil davon abgehalten hat, die zur Rechtsverfolgung erforderlichen Maßnahmen zu setzen.

...

Nach der Judikatur des VfGH ist der Verstoß gegen Treu und Glauben als Willkür im Sinn des Gleichheitsgrundsatzes zu deuten. Sittenwidrigkeit ist nichts anderes als ein Verstoß gegen Treu und Glauben, sodass auch dabei die Grundsätze der Sittenwidrigkeit anzuwenden ist, wenn die Dienstbehörde mehrfach unrichtige Informationen an Mitarbeiter erteilt, um diese von der Einleitung von Verwaltungsverfahren abzuhalten.

Dieser Grundsatz ist auch in §61 AVG positiviert und macht deutlich, dass unrichtige Erklärungen seitens der Behörde nicht zum Nachteil des Rechtsunterworfenen führen dürfen...

Nichts anderes kann daher auch für unrichtige materiellrechtliche Erklärungen im öffentlichen Recht gelten. Auch in der gegenständlichen Causa hat der leistungspflichtige Rechtsträger den Beschwerdeführer durch eine unrichtige Auskunft davon abgehalten, fristgerecht seine Rechte geltend zu machen. Der Beschwerdeführer konnte darauf vertrauen, dass ihm eine inhaltlich richtige Auskunft in Ausübung der Sorgfalts- und Manuduktionspflicht erteilt wird.

Hätte der Beschwerdeführer eine inhaltliche richtige Information erhalten, so hätte er seine Rechte durch die fristgerechte Antragstellung selbstverständlich wahren können.

Obwohl die Dienstbehörde selbst die Versäumung der Antragsfrist des Antragstellers verschuldet hat, zieht die belangte Behörde - wiederum selbst - jetzt die Verjährung im bekämpften Bescheid an, was dazu führt, dass der Beschwerdeführer Ansprüche verlieren würde.

Krass formuliert erteilt der Rechtsträger erst falsche - sogar schriftlich festgehaltene (!) - Rechtsbelehrungen, auf die sich der Beschwerdeführer berechtigt verlassen hat, um ihm danach bescheidmäßig den Anspruch nicht zu gewähren, weil sich der Beschwerdeführer auf die Erklärungen des Rechtsträgers verlassen hat und ausschließlich deshalb keinen fristgerechten Antrag gestellt hat. Wenn derartige Verhaltensmuster Mode werden, wäre dem budgetpolitischen Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Es kann nicht Intention des Gesetzgebers sein, dass die Behörde gegenüber ihren Rechtsunterworfenen zunächst unrichtige Informationen erteilt, auf die die Rechtsunterworfenen berechtigt vertrauen, um danach nach Kenntnis der Unrichtigkeit der von der Behörde erteilten Informationen und der nachfolgenden Antragstellung sich auf die Verjährung des Anspruches zurückzuziehen. Ein derartiger Einwand ist auch dann sittenwidrig, wenn er von einer Behörde kommt.

Die belangte Behörde hat §10 BO einen verfassungswidrigen und willkürlichen Inhalt unterstellt, der gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.

Der angefochtene Bescheid leidet daher unter einem verfassungswidrigen und gleichheitswidrigen Inhalt. Durch das Verhalten der belangten Behörde wird der Beschwerdeführer auch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht auf Eigentum verletzt.

Die belangte Behörde setzt sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt nicht auseinander, dass er vorsätzlich falsch informiert wurde und aus diesem Grund seinen Antrag nicht fristgerecht eingebracht hat bzw einbringen konnte. Der Behörde fällt daher Willkür zur Last. Hätte sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen auseinander gesetzt und die beantragten Zeugen einvernommen, so hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass die Organe des Rechtsträger den Beschwerdeführer wissentlich falsch informiert haben, sodass in weiterer Folge die Berufung auf die Verjährung sittenwidrig ist und dem Antrag daher im angefochtenen Umfang statt zu geben ist."

4. Der Dienstrechtssenat der Stadt Wien als belangte Behörde hat unter Vorlage der Verwaltungsakte eine Gegenschrift erstattet, in der er für die Abweisung der Beschwerde eintritt. Auf diese hat der Beschwerdeführer repliziert.

II. 1. Die im hier vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des §10 BO lautet:

"Verjährung

§10. (1) Der Anspruch auf rückständige Leistungen und das Recht auf Rückforderung zu Unrecht entrichteter Leistungen verjähren drei Jahre nach ihrer Entstehung.

(2) Was trotz Verjährung geleistet worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.

(3) Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Geltendmachung im Verwaltungsverfahren einer Klage gleichzuhalten ist."

2. Der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Beschluss des Gemeinderates vom 28. Mai 1997, Pr. Z. 103/97-GIF, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 25/1997 lautet auszugsweise wie folgt:

"Ausgleichszulagenregelung für Bedienstete der

Schemata II, IV, II K und IV K bei Verwendung auf einem

höherwertigen Dienstposten

Allgemeine Ausgleichszulage

§1.(1) Der/dem Bediensteten, die/der einen Dienstposten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse VII, VIII oder IX, der Verwendungsgruppe B, Dienstklasse VI oder VII, oder der Verwendungsgruppe C, Dienstklasse IV oder V, innehat, jedoch die der Bewertung des Dienstposten entsprechende Einreihung noch nicht erreicht hat, gebührt nach Ablauf der Probezeit eine Ausgleichszulage. Die Probezeit gilt nicht für Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates.

...

(9)Die Ausgleichszulage gilt als Bestandteil des Gehaltes.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Die behauptet Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

1.1. Dass der angefochtene Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht, wurde in der Beschwerde nicht behauptet und ist im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch sonst nicht hervorgekommen.

1.2. Ausgehend von der Unbedenklichkeit der materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur Vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteivorbringens.

Ein solches Verhalten ist der belangten Behörde hier aber vorzuwerfen:

Die belangte Behörde vertritt im bekämpften Bescheid die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer zwar grundsätzlich eine Ausgleichszulage gebührt hätte, dieser Anspruch aber für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 10. Jänner 1997 gemäß §10 Abs1 BO 1994 verjährt sei. Dabei hat es die Behörde aber unterlassen, Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer - wie er im Verfahren vor der Dienstbehörde behauptete - durch unrichtige Auskünfte seitens der Dienstbehörde von der rechtzeitigen Antragstellung abgehalten wurde. Durch diese Vorgangsweise hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der bekämpfte Bescheid war daher im Umfang von Spruchpunkt I.1.a) aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von EUR 180 und Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327 enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Verjährung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1057.2002

Dokumentnummer

JFT_09969687_02B01057_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten