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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des Dr. H O in B, vertreten durch Dr. Eduard Haas, Steuerberater in 8600 Bruck an der Mur, Koloman Wallisch Platz 23/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 9. Jänner 2006, GZ. RV/0596-G/05, betreffend Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Arzt. Er ermittelt seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988.
Im Rahmen einer für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde unter "Tz. 1 Kursgewinn Fremdwährungskredite" des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung folgende Feststellung getroffen:
"Die beiden Raiba Fremdwährungskredite (Kto.Nrn.20.291.066 und 20.961.009) wurden im Jahr 2001 von Schweizer Franken in einen Yen-Kredit umgewandelt. 2003 wurden diese wieder konvertiert und der daraus entstehende Kursgewinn ist lt.
Einkommensteuerrichtlinien (Rz. 671) auch bei einem § 4 (3) - Ermittler zu versteuern."
Der diesbezügliche Kursgewinn wurde mit 72.173 EUR beziffert und den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Jahres 2003 zugerechnet.
Im geänderten Einkommensteuerbescheid 2003 folgte das Finanzamt den Prüfungsfeststellungen und nahm eine entsprechende Erhöhung der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und begehrte darin den im Zuge der Umschuldung entstandenen Kursgewinn nicht bereits im Konvertierungszeitpunkt, sondern erst im Zeitpunkt und im Ausmaß der Tilgung zu berücksichtigen. Im nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung gestellten Vorlageantrag begegnete der Beschwerdeführer der Annahme des Finanzamtes, auch bei einem Einnahmen-Ausgaben-Rechner sei der Kursgewinn bereits bei der Konvertierung und nicht erst bei der endgültigen Tilgung der Schuld zu erfassen, dass die Schuld vor und nach der Konvertierung unverändert gegenüber demselben Kreditinstitut bestanden habe und daher keinesfalls von einer Tilgung im Zuge der Konvertierung gesprochen werden könne.
Im angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde zunächst fest, es sei unbestritten, dass die vom Beschwerdeführer eingegangene Verbindlichkeit eine Betriebsschuld darstelle und dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen sei. Sei ein Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen zuzuordnen, müssten auch die damit in Zusammenhang stehenden Einnahmen (insbesondere auch Kursgewinne) und Ausgaben (wie Zinsen, allfällige Kursverluste) bei der jeweiligen Gewinnermittlung erfasst werden. Im Beschwerdefall sei lediglich der Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung strittig. Dazu vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass die ursprüngliche Schuld durch Eingehung einer "entsprechenden anderen Fremdwährungsschuld" getilgt worden sei; die Konvertierung somit einen Verbindlichkeitstausch darstelle. Diese, unter Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise getroffene Annahme, führe - unabhängig von der Gewinnermittlungsart - zu einer Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Konvertierung.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung und werden Bücher auch nicht freiwillig geführt, darf gemäß 4 Abs. 3 EStG 1988 als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angesetzt werden.
Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 ist das Zufließen der Betriebseinnahmen und das Abfließen der Betriebsausgaben maßgeblich. Hingegen bleiben Forderungen und Schulden außer Betracht. Teilwertabschreibungen sind dieser Gewinnermittlungsart fremd. Aus dem System der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ergeben sich gegenüber jenem des Betriebsvermögensvergleiches unterschiedliche Periodenergebnisse. Der Totalgewinn muss aber bei beiden Gewinnermittlungsarten grundsätzlich ident sein (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 4 Tz. 19 mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung, sowie Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 4 Abs. 3 Tz. 3).
Betriebseinnahmen sind betrieblich veranlasste Wertzugänge in Form von Geld oder geldwerten Vorteilen (vgl. Quantschnigg/Schuch, aaO, Tz. 28, Doralt, EStG7, § 4, Tz. 221, sowie das zu den insoweit vergleichbaren Bestimmungen des EStG 1972 ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1991, 89/13/0261).
Die Aufnahme eines Geldbetrages als Darlehen ist keine Betriebseinnahme. Die Darlehensrückzahlung hat keine steuerlichen Auswirkungen. Der betrieblich veranlasste Nachlass einer (Geld)Darlehensverbindlichkeit stellt hingegen - obwohl kein Geldzufluss stattfindet - unter Berücksichtigung des Gebotes der Totalgewinngleichheit eine Betriebseinnahme dar (vgl. Quantschnigg/Schuch, aaO, § 36 Tz. 5.1, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Wird ein Fremdwährungsdarlehen aus betrieblichen Gründen aufgenommen und kommt es in der Folge zu einer Änderung des Wechselkursverhältnisses, sodass ein geringerer Euro-Betrag aufgewendet werden muss, um das Fremdwährungsdarlehen zu tilgen, so erfordert der Grundsatz, dass auch bei der vereinfachten Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung auf Dauer gesehen dasselbe Ergebnis der Besteuerung unterworfen werden soll wie bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, dass der Verringerung des Rückzahlungserfordernisses (wie beim betrieblich bedingten Schuldnachlass) durch Ansatz einer entsprechenden Betriebseinnahme Rechnung getragen wird.
Der Vermögenszugang muss ein endgültiger sein. Davon ist auszugehen, wenn der Eintritt eines Kursgewinnes als gesichert festgestellt werden kann. Dies wird in der Regel erst durch die (endgültige) Tilgung oder teilweisen Tilgung der Fremdwährungsverbindlichkeit der Fall sein, weil erst zu diesem Zeitpunkt die letztendliche Bezugsgröße der während der Kreditlaufzeit festgestellten Wertveränderung, nämlich die Heimatwährung (im Beschwerdefall: Euro) Relevanz bekommt. Durch diese abschließende Gegenüberstellung der noch ausstehenden Fremdwährungsverbindlichkeit zu den seinerzeitigen "Anschaffungskosten" der Kreditsumme, lässt sich eine positive Differenz in einem - sodann gesichert erzielten - Kursvorteil erkennen. Dann und erst dann kann dieser Kursvorteil als zugeflossen gelten.
Im Beschwerdefall, dem die Konvertierung von einer wechselkurslabilen in eine andere nicht über einen fixen Wechselkurs zum Euro gleichgeschaltete Währung zu Grunde liegt, ist diese für die Annahme des Zufließens eines Kursgewinnes erforderliche Sicherheit im Konvertierungszeitpunkt - unabhängig von der Frage, ob zivilrechtlich eine Novation des alten Schuldverhältnisses vorliegt (vgl. dazu näher Pircher/Pülzl, Darlehenskonvertierung im bilanziellen Bereich, ÖStZ 2006, 305) - grundsätzlich nicht gegeben.
Ist aber von einem nach wie vor bestehenden Kursrisiko auszugehen, steht zum Konvertierungszeitpunkt nicht fest, dass die tatsächlich zur endgültigen Kredittilgung erforderlichen Rückzahlungen die seinerzeit kreditierten Geldmittel (jeweils gerechnet in Nominalbeträgen der Heimatwährung) unterschreiten werden. Dass (wie in der Gegenschrift der belangten Behörde vorgebracht) das Ergebnis der Fremdwährungskonvertierung auf den jeweiligen Kontoblättern zum Ausweis niedrigerer Euro-Beträge geführt hat, stellt gerade unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nichts anderes dar, als einen (bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 nicht zu erfassenden) "Gewinn", wie er auch ohne Konvertierung bei entsprechenden Kursschwankungen der Fremdwährung gegenüber der Heimatwährung eintreten kann.
Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird (vgl. Atzmüller/Mayr, RdW 646/2004), die Konvertierung stelle in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Verbindlichkeitstausch dar, der auch bei einem Einnahmen-Ausgaben-Rechner zu einer Gewinnrealisierung führen müsse, ist dem entgegenzuhalten, dass in der bloßen mit dem bisherigen Schuldner getroffenen Vereinbarung, eine bestehende Verbindlichkeit in einer anderen Währungseinheit zurückzuzahlen, kein Erwerb eines "anderen Wirtschaftsgutes" liegt.
Aus den angeführten Gründen kann der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der im Streitjahr 2003 verzeichnete Kursgewinn - unabhängig von der Gewinnermittlungsart - als realisiert anzusehen ist, nicht gefolgt werden.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Jänner 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150116.X00Im RIS seit
14.02.2008Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013