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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §21 Abs8;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/08/0112 E 22. Dezember 2009Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der JP in H, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 25. Oktober 2007, Zl. LGSV/2/2007-0566-8-000042, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt:
Die am 4. April 1961 geborene Beschwerdeführerin war vom 1. August 1998 bis zum 31. August 2001 arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt und bezog danach bis zur Aufnahme einer Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber am 2. Mai 2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Die durchschnittliche monatliche Beitragsgrundlage für das Jahr 2000 auf Grund der damals ausgeübten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung betrug (umgerechnet) durchschnittlich monatlich EUR 1.778,30.
Vom 2. Mai 2005 bis zum 31. Dezember 2006 war die Beschwerdeführerin beim Dienstgeber C.
arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, wobei die durchschnittliche monatliche Beitragsgrundlage für das Jahr 2005 auf Grund dieses Beschäftigungsverhältnisses EUR 741,71 betrug.
Mit Antrag vom 2. Jänner 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Dornbirn vom 4. September 2007 wurde der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld ab 1. Jänner 2007 in der Höhe von täglich EUR 12,02 zuerkannt. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung, in der geltend gemacht wurde, dass die Heranziehung des Einkommens aus dem Jahr 2005 unrichtig sei, keine Folge gegeben.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 21 Abs. 1 AlVG für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen sei. Habe gemäß § 21 Abs. 8 AlVG ein Arbeitsloser das 45. Lebensjahr vollendet, so sei abweichend von Abs. 1 ein für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogenes monatliches Bruttoentgelt auch bei weiteren Ansprüchen des Arbeitslosengeldes solange für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes heranzuziehen, bis ein höheres monatliches Bruttoentgelt vorliege.
Nach dem Gesetzestext des § 21 Abs. 8 AlVG bleibe das einmal bei oder nach Vollendung des 45. Lebensjahres zur Bemessung des Arbeitslosengeldes herangezogene Entgelt auch zukünftig gesichert, sofern jemand nach Vollendung oder bei Vollendung des 45. Lebensjahres Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe, unabhängig davon, wie lange der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bereits zurückliege. Dem Wortlaut des § 21 Abs. 8 AlVG sei zu entnehmen, dass lediglich bei einer arbeitslosen Person, die das 45. Lebensjahr bereits vollendet habe, das zur Bemessung des Arbeitslosengeldes herangezogene Entgelt solange gesichert bleibe, bis sich ein höheres maßgebliches Entgelt ergebe. Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, dass auch eine für einen Leistungsanspruch vor Vollendung des 45. Lebensjahres herangezogene Bemessungsgrundlage geschützt sei, sofern der Antrag nach Vollendung des 45. Lebensjahres gestellt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Somit sei die nach Vollendung des 45. Lebensjahres zum 1. Jänner 2007 an die Beschwerdeführerin "zuerkannte Bemessungsgrundlage" für das Arbeitslosengeld ab 1. Jänner 2007 in Höhe von durchschnittlich monatlich EUR 741,71 auf Grund der Beschäftigung im Jahr 2005 so lange für die Bemessung des Arbeitslosengeldes heranzuziehen, bis eine höhere Bemessungsgrundlage erzielt werde.
Hingegen könne das erzielte durchschnittliche monatliche Entgelt auf Grund der Beschäftigung der Beschwerdeführerin im Jahr 2000 zur Bemessung des Arbeitslosengeldanspruches ab 1. Jänner 2007 gemäß § 21 Abs. 8 AlVG nicht herangezogen werden, da dieses Entgelt vor Vollendung des 45. Lebensjahres der Beschwerdeführerin erzielt wurde und auch die Arbeitslosigkeit nach diesem Beschäftigungsverhältnis vor Vollendung des 45. Lebensjahres eingetreten sei und auch vor diesem Zeitpunkt wieder beendet worden sei. Die Vollendung des 45. Lebensjahres am 4. April 2006 sei bei der Beschwerdeführerin während des vom 2. Mai 2005 bis zum 31. Dezember 2006 dauernden Beschäftigungsverhältnisses eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Antrag ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 21 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der Fassung BGBl. I Nr. 114/2005 lautet - soweit hier maßgebend - wie folgt:
"§ 21. (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, die einen Zeitraum enthalten, in dem Karenz(urlaubs)geld oder Kinderbetreuungsgeld oder ein Kombilohn (§ 34a AMSG) bezogen wurde oder die Normalarbeitszeit zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes gemäß § 14a oder § 14b AVRAG oder einer gleichartigen Regelung herabgesetzt wurde, bleiben außer Betracht, wenn diese niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als vier Jahre, so sind diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs. 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten. Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit enthalten, gelten als Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt.
...
(8) Hat ein Arbeitsloser das 45. Lebensjahr vollendet, so ist abweichend von Abs. 1 ein für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes herangezogenes monatliches Bruttoentgelt auch bei weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld so lange für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes heranzuziehen, bis ein höheres monatliches Bruttoentgelt vorliegt."
2. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des § 21 Abs. 8 AlVG, wonach der "Bemessungsgrundlagenschutz" nach dieser Bestimmung lediglich dann gelten solle, wenn Arbeitslosengeld nach Vollendung des 45. Lebensjahres bezogen werde, die betreffende Person danach wiederum eine Arbeit aufnehme und später erneut arbeitslos werde. Sie verweist zur Begründung ihres Beschwerdevorbringens auf die Ausführungen von Krapf/Keul (Arbeitslosenversicherungsgesetz-Praxiskommentar, Rz 477 zu § 21 AlVG), wonach der Gesetzeswortlaut des § 21 Abs. 8 AlVG die Auslegung zulasse, dass auch eine für einen Leistungsanspruch vor Vollendung des 45. Lebensjahres herangezogene Bemessungsgrundlage geschützt sein solle.
3. Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass Krapf/Keul in der von der Beschwerdeführerin herangezogenen Kommentarstelle zunächst ausdrücklich festhalten, dass bei jeder Geltendmachung eines neuen Arbeitslosengeldanspruches durch eine Person über 45 Jahre ein Günstigkeitsvergleich zwischen der nach Abs. 1 und 2 ermittelten (letzten) Bemessungsgrundlage und jener Bemessungsgrundlage durchzuführen sei, die für einen "am
45. Geburtstag oder zu einem späteren Zeitpunkt bestehenden Leistungsanspruch" herangezogen worden sei. Erst danach folgen die von der Beschwerdeführerin zitierten Ausführungen, wonach der Gesetzeswortlaut auch eine andere Auslegung zuließe, welche aber offenbar auch von den Autoren nicht geteilt wird.
Zutreffend ist, dass der Wortlaut des § 21 Abs. 8 AlVG nicht eindeutig ist und eine reine Wortinterpretation auch die Auslegung zuließe, dass im Fall einer Antragstellung durch einen Arbeitslosen, der im Antragszeitpunkt das 45. Lebensjahres vollendet hat, auch eine bereits früher - vor Erreichung des 45. Lebensjahres - erzielte Bemessungsgrundlage heranzuziehen wäre.
Jedoch führt die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und des sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Zwecks der Norm zu dem von der belangten Behörde erzielten Auslegungsergebnis:
Die erstmalige Einführung eines Bemessungsgrundlagenschutzes für ältere Arbeitnehmer im AlVG 1977 erfolgte durch die AlVG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 412/1990. § 21 Abs. 8 zweiter Satz lautete in der Fassung dieser Novelle:
"War im Zeitpunkt des Eintrittes der Arbeitslosigkeit bei Männern das 50., bei Frauen das 45. Lebensjahr vollendet, so ist das hiebei für den Anspruch auf Arbeitslosengeld herangezogene Entgelt auch bei weiteren Ansprüchen auf Arbeitslosengeld so lange heranzuziehen, bis sich ein höheres maßgebliches Entgelt ergibt."
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung stellte also der "Bemessungsgrundlagenschutz" eindeutig auf jenes Entgelt ab, das im Zeitpunkt des nach Erreichen der Altersgrenze erstmals gestellten Antrags auf Arbeitslosengeld ("hiebei") maßgeblich war und galt sodann für weitere zu einem späteren Zeitpunkt - und damit insbesondere nach einer aufgenommenen Beschäftigung - gestellte Anträge.
Diese Bestimmung wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 179/1999 neu gefasst, wobei diese Neufassung auf einen Initiativantrag (1145/A 20. GP) zurückgeht. Die Begründung dieses Initiativantrages zu § 21 Abs. 8 AlVG lautet:
"Die Wahrung der herangezogenen Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld soll im Hinblick auf die bei Arbeitslosigkeit ab diesem Alter schlechteren Beschäftigungschancen einheitlich für Arbeitnehmer ab dem 45. Lebensjahr erfolgen, um deren Arbeitsaufnahme und Arbeitsversuche zu fördern, ohne dass infolge des Scheiterns der Arbeitsaufnahme die bisherige Höhe des Leistungsbezuges verringert wird."
Aus dieser Begründung, die auch im Ausschussbericht (2021 BlgNR 20. GP) wiedergegeben wird, ergibt sich, dass die Änderung ausschließlich die Vereinheitlichung der Altersgrenze zum Ziel hatte, das System der Wahrung der Bemessungsgrundlage an sich jedoch nicht verändern sollte. Zudem verdeutlicht die Begründung des Initiativantrags die diesem "Bemessungsgrundlagenschutz" zu Grunde liegende allgemeine Zielsetzung, Arbeitsaufnahme und Arbeitsversuche von Arbeitnehmern ab dem 45. Lebensjahr zu fördern. Diese älteren Arbeitnehmer sollen bei Aufnahme einer geringer bezahlten Beschäftigung nicht ein Absinken ihrer Bemessungsgrundlage für einen allfälligen künftigen Arbeitslosengeldbezug befürchten müssen. Auch dies zeigt, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin mit § 21 Abs. 8 AlVG kein genereller Schutz aller auch vor dem 45. Lebensjahr erzielten und einem Arbeitslosengeldbezug zugrunde gelegten höheren Bemessungsgrundlagen für den Fall festgeschrieben werden sollte, dass eine erneute Arbeitslosigkeit erst nach Erreichen des 45. Lebensjahres eintritt.
4. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 23. Jänner 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080321.X00Im RIS seit
21.02.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013