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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §861;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des J K in S, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Dametzstraße 51, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 3. November 2006, Zl. BMSG-322433/0003- II/A/3/2006, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. M G in E; 2. Kärntner Gebietskrankenkasse, Kempfstraße 8, 9021 Klagenfurt;
3. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1201 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstmitbeteiligte stand ab 1. Juli 2003 in einem Beschäftigungsverhältnis zum Beschwerdeführer als Dienstgeber. Vom 29. November 2003 bis zum 13. Februar 2004 war sie arbeitsunfähig und befand sich im Krankenstand. Mit Schreiben vom 5. Jänner 2004 wurde die Erstmitbeteiligte vom Beschwerdeführer rückwirkend mit 31. Dezember 2003 von der Pflichtversicherung abgemeldet. Als Grund wurde im Abmeldeformular die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses vermerkt.
Im Akt befindet sich ein von der Erstmitbeteiligten am 22. Jänner 2004 ausgefüllter Fragebogen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Darin gab sie an, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen ihr und dem Dienstgeber während des Krankenstandes vereinbart worden sei. Dieser Zeitpunkt sei vom Dienstgeber gewählt worden. Vom Dienstgeber sei auch die Initiative zur Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen. Eine Wiedereinstellung nach dem Krankenstand sei mit dem Dienstgeber nicht vereinbart worden. Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses sei die Erstmitbeteiligte über die Rechtsfolgen dieser Beendigung nicht aufgeklärt worden. Eine schriftliche Vereinbarung bezüglich der Lösung des Dienstverhältnisses existiere nicht.
Laut Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. Mai 2004 sei bei mehreren Gesprächen mit der Erstmitbeteiligten ihr Dienstverhältnis mit beiderseitigem Einverständnis per 31. Dezember 2003 gelöst worden. Die Erstmitbeteiligte habe gesagt, dass sie auf keinen Fall mehr arbeiten werde, auch ihr Mann wolle nicht, dass sie noch arbeite. Auf Grund dessen "haben wir das Dienstverhältnis gelöst".
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 3. Juni 2004 wurde ausgesprochen, dass die Pflichtversicherung der Erstmitbeteiligten auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses zum Beschwerdeführer nicht mit 31. Dezember 2003, sondern mit 11. Februar 2004 ende und der Beschwerdeführer verpflichtet sei, für diese Zeit auch die Sozialversicherungsbeiträge, Fondsbeiträge und Umlagen weiter zu entrichten. Begründend wurde ausgeführt, die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses ohne ersichtlichen Grund und zum Nachteil des Versicherten müsse als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gewertet werden, weil der Dienstgeber damit sowohl die Fortzahlung des Entgeltes an den Dienstnehmer als auch die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen habe vermeiden wollen. Da die Willenserklärung über die Beendigung des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber an den Dienstnehmer herangetragen worden sei, sei die einvernehmliche Lösung als Entlassung ohne wichtigen Grund zu werten.
Laut einem im Akt befindlichen Schreiben des Beschwerdeführers vom 8. Juni 2004 an Frau Mag. H. (offenbar eine Mitarbeiterin der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) habe der Beschwerdeführer die Erstmitbeteiligte mehrmals gefragt, ob sie wieder arbeiten werde. Sie habe gesagt, nein auf keinen Fall, sie könne nicht mehr, und ihr Mann lasse sie auch nicht mehr arbeiten. Daraufhin hätten sie das Dienstverhältnis einvernehmlich gelöst. Das könne auch eine andere Mitarbeiterin, die bei diesem Gespräch anwesend gewesen sei, bezeugen.
In weiterer Folge erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 3. Juni 2004.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 16. März 2006 wurde diesem Einspruch keine Folge gegeben.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Am 14. Juni 2006 gab die Erstmitbeteiligte niederschriftlich zu Protokoll, nach Beendigung des Krankenstandes und Bezug von Arbeitslosengeld habe sie Anfang Juli 2004 wieder eine Beschäftigung bei dem Unternehmen M. aufgenommen. Sie arbeite gerne und sei jetzt seit 1. Jänner 2005 wieder in einer dauerhaften Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt sei es bei der Abgabe von Unterlagen vor den Weihnachtsfeiertagen (gemeint: 2003) und auch danach zu Gesprächen mit der Unternehmensleitung (insbesondere mit Frau K) gekommen. Dann sei das Dienstverhältnis mit 31. Dezember 2003 einvernehmlich gelöst worden. Das genaue Datum, wann die einvernehmliche Lösung erfolgt sei, ob knapp vor den Feiertagen oder danach, sei ihr nicht mehr erinnerlich. Es sei auf jeden Fall während des Krankenstandes gewesen. Die Initiative zur Beendigung des Dienstverhältnisses sei vom Dienstgeber ausgegangen, der Ehegatte der Erstmitbeteiligten habe dabei keine Rolle gespielt. Vorteile der Beendigung gegenüber einer Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses habe sie sich keine erhofft. Sie sei davon ausgegangen, dass die einvernehmliche Auflösung richtig sei. Nach ihrem Schlaganfall sei sie gesundheitlich noch beeinträchtigt gewesen. Zur Frage betreffend die Vereinbarung einer Wiedereinstellung gab die Erstmitbeteiligte zu Protokoll, an diese Details bei den Gesprächen könne sie sich nicht mehr genau erinnern. Über die Rechtsfolgen der Beendigung des Dienstverhältnisses sei sie nicht aufgeklärt worden. Ansprüche gegenüber dem Beschwerdeführer habe sie nicht geltend gemacht, sie habe nicht gewusst, dass ihr Ansprüche zustünden.
Der Ehemann der Erstmitbeteiligten gab (offenbar ebenfalls am 14. Juni 2006) niederschriftlich zu Protokoll, er könne hinsichtlich der Initiative zur Beendigung des Dienstverhältnisses nichts sagen, er kenne alles nur von den Erzählungen seiner Gattin. Betreffend Vorteile der Beendigung gegenüber einer Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses und etwaige Beweggründe gab der Ehemann der Erstmitbeteiligten an, er habe seine Gattin diesbezüglich nicht beeinflusst.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, die Erstmitbeteiligte habe sich am 31. Dezember 2003 bereits ca. einen Monat arbeitsunfähig im Krankenstand befunden. Die weitere Dauer des Krankenstandes sei zu dieser Zeit nicht absehbar gewesen. Der Abmeldung von der Pflichtversicherung sei eine Unterredung der Erstmitbeteiligten mit dem Beschwerdeführer am 19. Dezember 2003 vorangegangen, bei der über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 31. Dezember 2003 gesprochen worden sei. Eine Aufklärung der Erstmitbeteiligten über die Rechtsfolgen der einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses sei nicht erfolgt. Die Erstmitbeteiligte habe während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 29. November 2003 bis 13. Februar 2004 in der Zeit vom 1. Jänner bis 13. Februar 2004 Krankengeld bezogen. Gemäß § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) iVm § 5 EFZG habe der Anspruch gegen den Dienstgeber auf Fortzahlung des vollen Entgeltes bis zum 14. Jänner 2004 und des halben Entgeltes vom 15. Jänner bis zum 11. Februar 2004 bestanden. Des Weiteren führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen aus, es sei davon auszugehen, "dass der Dienstgeber die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses ausschließlich zu dem Zweck vereinbart" habe, um sich seinen arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten als Dienstgeber zu entziehen. Die Angaben des Beschwerdeführers, wonach die Initiative zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht von ihm ausgegangen sei, würden als nicht nachvollziehbar angesehen. Es habe sich kein Grund gezeigt, welchen Vorteil die Erstmitbeteiligte aus einer solchen Lösung gehabt hätte. Unbestritten sei keine Belehrung seitens des Dienstgebers erfolgt. Es habe einen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Dienstverhältnisses und der Erkrankung der Dienstnehmerin gegeben. Zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses sei dem Dienstgeber die Arbeitsunfähigkeit der Erstmitbeteiligten bekannt gewesen. Es sei ihm auch bekannt gewesen, dass ein Ende der Arbeitsunfähigkeit noch nicht absehbar gewesen sei, somit ein lange fortdauernder Krankenstand zu erwarten gewesen bzw. gegeben gewesen sei. Die Initiative zur Lösung des Dienstverhältnisses sei vom Dienstgeber ausgegangen. Die Vereinbarung der Beendigung des Dienstverhältnisses sei somit als nichtig zu betrachten. Es sei von einer Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses im gesamten strittigen Zeitraum auszugehen. Zu diesem Ergebnis gelangt die belangte Behörde im Hinblick auf § 6 EFZG und die Darlegungen von Spitzl, Einvernehmliche Auflösung im Krankenstand, ecolex 2002, S. 195 ff, sowie Radner, Die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses während des Krankenstandes, DRdA 2004, S. 275 ff. Die belangte Behörde fährt in der Bescheidbegründung fort, zum selben Ergebnis führe auch § 539a ASVG. Die einvernehmliche Lösung sei auf die Absicht zurückzuführen, die Entgelt- und Beitragspflicht des Beschwerdeführers zu vermeiden. Ein anderer Grund sei nicht zu sehen. Sie sei daher nichtig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwere mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und dafür Aufwandersatz begehrt, im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt, ausdrücklich Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift vorgelegt. Die weiteren Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 11 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2000 hat auszugsweise
folgenden Wortlaut:
"Ende der Pflichtversicherung
§ 11. (1) Die Pflichtversicherung der im § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen erlischt, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.
(2) Wird ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den dem Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührenden Arbeitslohn oder Gehalt abgeschlossen, so verlängert sich die Pflichtversicherung um den Zeitraum, der durch den Vergleichsbetrag (Pauschbetrag) nach Ausscheidung allfälliger, gemäß § 49 nicht zum Entgelt im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörender Bezüge, gemessen an den vor dem Austritt aus der Beschäftigung gebührenden Bezügen, gedeckt ist. Die Pflichtversicherung besteht weiter für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. Die zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig werdende pauschalierte Kündigungsentschädigung ist auf den entsprechenden Zeitraum der Kündigungsfrist umzulegen. Gebühren sowohl eine Kündigungsentschädigung als auch eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung), so ist zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes zunächst die Kündigungsentschädigung heranzuziehen und im Anschluss daran die Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung). Wird Urlaubsabfindung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz gewährt, so ist für die Versicherung die Wiener Gebietskrankenkasse zuständig. Die Versicherung beginnt mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Der Dienstgeberanteil (§§ 51, 51a und 51b) ist von der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse zu entrichten.
..."
§ 539a ASVG lautet:
"Grundsätze der Sachverhaltsfeststellung
§ 539a. (1) Für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.
(2) Durch den Mißbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden.
(3) Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre.
(4) Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend.
(5) Die Grundsätze, nach denen
1.
die wirtschaftliche Betrachtungsweise,
2.
Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie
3.
die Zurechnung
nach den §§ 21 bis 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, gelten auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind."
§ 2 EFZG in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2000 hat auszugsweise
folgenden Wortlaut:
"Anspruch auf Entgeltfortzahlung
§ 2. (1) Ist ein Arbeitnehmer nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.
...
(3) Für die Bemessung der Dauer des Anspruches gemäß Abs. 1 und 5 sind Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber, die keine längeren Unterbrechungen als jeweils 60 Tage aufweisen, zusammenzurechnen. Diese Zusammenrechnung unterbleibt jedoch, wenn die Unterbrechung durch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitnehmers oder einen Austritt ohne wichtigen Grund oder eine vom Arbeitnehmer verschuldete Entlassung eingetreten ist.
(3a) Dienstzeiten aus einem vorausgegangenen Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber sind für die Bemessung der Dauer des Anspruches gemäß Abs. 1 und 5 anzurechnen, wenn
1. der Arbeitgeberwechsel durch den Übergang des Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, erfolgte,
2. die Anrechnung der im vorausgegangenen Arbeitsverhältnis zurückgelegten Dienstzeit für die Bemessung der Dauer des Urlaubes, der Kündigungsfrist sowie der Entgeltfortzahlung vereinbart wurde,
3. die Dienstzeiten keine längere Unterbrechung als 60 Tage aufweisen und
4. das vorausgegangene Arbeitsverhältnis nicht durch eine Kündigung seitens des Arbeitnehmers, einen Austritt ohne wichtigen Grund oder eine vom Arbeitnehmer verschuldete Entlassung beendet worden ist.
...".
§ 5 EFZG lautet:
"Beendigung des Arbeitsverhältnisses
§ 5. Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet."
§ 6 EFZG lautet:
"Unabdingbarkeit
§ 6. Die Rechte, die dem Arbeitnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes zustehen, können durch Arbeitsvertrag, Arbeits(Dienst)ordnung, Betriebsvereinbarung oder, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, durch Kollektivvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden."
Zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gehört die Willensübereinstimmung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass abhängige Dienste entgeltlich geleistet und diese entgegengenommen werden. Auch der einseitige Wegfall dieses Willens - insbesondere auf Seiten des Dienstgebers, wenn dieser die entgeltlichen abhängigen Dienste also nicht mehr in Empfang nehmen möchte - beendet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, mag auch das arbeitsrechtliche Verhältnis dadurch allein nicht einseitig aufgelöst sein (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Juli 1962, Zl. 1923/61, vom 19. Jänner 1989, Slg. Nr. 12.848/A, vom 25. September 1990, Slg. Nr. 13.267/A, vom 19. Februar 2003, Zl. 99/08/0054, und vom 19. Oktober 2005, Zl. 2003/08/0138).
Eine Ausnahme hievon ist bei den sogenannten "diktierten Rechtsverhältnissen" gegeben. Solche liegen insbesondere vor, wenn der weggefallene Wille des Dienstgebers, weiterhin Leistungen in Empfang zu nehmen, durch Gesetz oder Richterspruch substituiert wird: In diesen Fällen besteht ein Beschäftigungsverhältnis, so lange der Arbeitnehmer, wenn auch gegen den Willen des anderen Teiles, abhängige Arbeit leistet oder - sofern ihm dies verwehrt wird - in Arbeitsbereitschaft verharrt (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003 mwN).
Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis außerhalb der erwähnten "diktierten Rechtsverhältnisse" kann somit durch einseitige (unter Umständen sogar den Arbeitsvertrag oder das Gesetz verletzende) Handlungen des Dienstgebers, aber auch durch solche des Dienstnehmers beendet werden (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003), es kann aber auch durch eine einvernehmliche Auflösung, die grundsätzlich an keine besonderen Bedingungen gebunden ist, zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, Zl. 2006/08/0248).
Die Feststellung der belangten Behörde, dass zwischen dem Beschwerdeführer und der Erstmitbeteiligten mündlich eine Vereinbarung über eine einvernehmliche Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Dezember 2003 abgeschlossen wurde, wird von keiner Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Zweifel gezogen. Die belangte Behörde hält jedoch diese Vereinbarung unter den hier gegebenen Umständen unter zwei Aspekten für hinfällig: Sie sei sowohl aus arbeitsrechtlicher Sicht nichtig, aber auch aus der Sicht des § 539a ASVG als Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts unbeachtlich. Dazu ist Folgendes auszuführen:
1. Die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses ist in der hier vorliegenden Konstellation während eines entgeltpflichtigen Krankenstandes arbeitsrechtlich nicht unwirksam:
a) Eine solche Unwirksamkeit könnte sich nur aus § 6 EFZG ergeben, wonach die dem Arbeitnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes zustehenden Rechte u.a. durch Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden können. Auch wenn man unter Arbeitsvertrag jede im Arbeitsverhältnis abgeschlossene vertragliche Vereinbarung versteht, so schützt § 6 EFZG nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern nur die Entgeltfortzahlungspflicht unter der Voraussetzung, dass sich eine solche aus dem EFZG ergibt (so auch Reissner, Arbeitsvertragsbeendigung und Krankenstand, in: Resch (Hrsg.), Krankenstand, 41ff (64)). Dies wird durch die Überlegung gestützt, dass der Gesetzgeber selbst in jenen Fällen, in denen er das Arbeitsverhältnis mit einem besonderen Kündigungsschutz ausstattet, um seine Beendigung aus sozialpolitischen Gründen zu erschweren, dennoch die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses grundsätzlich zulässt, wobei er ihre Wirksamkeit in solchen Fällen an die Einhaltung der Schriftform (zB § 15 Abs. 2 BAG), mitunter zusätzlich an den Nachweis der Erteilung einer Belehrung des Arbeitnehmers über den Kündigungsschutz knüpft (vgl. § 10 Abs. 7 MSchG, .§ 16 APSG). § 6 EFZG steht daher einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses während eines Krankenstandes nicht entgegen. Soweit die belangte Behörde die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Begründung verneint, die zwischen dem Beschwerdeführer und der Erstmitbeteiligten geschlossene Vereinbarung über eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sei nichtig, vermag ihr der Verwaltungsgerichtshof somit nicht beizutreten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Erstmitbeteiligten zum 31. Dezember 2003 beendet worden ist.
b) § 5 EFZG sieht eine Fortdauer der Entgeltfortzahlungspflicht trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur vor, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsverhinderung vom Arbeitgeber gekündigt oder ohne wichtigen Grund entlassen wird oder wenn den Arbeitgeber an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers ein Verschulden trifft. In allen anderen Fällen endet die Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfall mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses; dies ist somit insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt oder wenn er ohne wichtigen Grund austritt, sowie auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund einer Befristung oder auf Grund einer schon vor Beginn des Krankenstandes ausgesprochenen Kündigung endet. Dasselbe gilt daher auch für die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene (in § 5 EFZG nicht genannte) Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses (so auch Reissner, aaO; ebenso zur vergleichbaren Rechtslage nach § 9 AngG: Drs in Zeller Kommentar, § 9 AngG, Rz 15; Holzer in Marhold/Preyer/Burgstaller, Kommentar zum Angestelltengesetz, § 9 Rz 3; Melzer-Azodanloo in Löschnigg (Hrsg) AngestelltenG, § 9 Rz 11)
c) Es kommt aber auch eine analoge Anwendung des § 5 EFZG auf einvernehmliche Auflösungen in der hier vorliegenden Konstellation nicht in Betracht:
Da die einvernehmliche Auflösung eine Beendigungsform ist, an welcher der Arbeitnehmer jedenfalls durch eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung mitwirken muss, besteht insoweit keine solche Ähnlichkeit mit den in § 5 EFZG geregelten Fällen, dass aus gleichheitsrechtlicher Sicht dieselben Rechtsfolgen auf eine einvernehmliche Auflösung angewendet werden müssten, wie sie in § 5 EFZG für bestimmte einseitige Lösungserklärungen des Arbeitgebers angeordnet sind. § 5 EFZG enthält insofern auch keine - durch Analogie zu schließende - teleologische Lücke (so auch Radner, DRdA 2004, 277). Ob § 5 EFZG zur Vermeidung einer Gesetzesumgehung für den Fall analog anzuwenden ist, dass während eines Krankenstandes eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit einer Zusage der Wiedereinstellung erfolgt bzw. ob eine bei aufrechtem Arbeitsverhältnis geschlossene Karenzierungsvereinbarung nach § 6 EFZG nichtig ist (vgl. dazu Spitzl, ecolex 2002, 197; Radner, aaO, 278; Reissner; aaO, 62f), kann offen bleiben, weil hier ein solcher Fall nicht vorliegt.
2. § 539a Abs. 3 ASVG steht der sozialversicherungsrechtlichen Beachtlichkeit der Auflösungsvereinbarung nicht entgegen:
Ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 539a ASVG liegt jedenfalls dann vor, wenn die Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Verpflichtungen nicht erklärt werden kann. An die Stelle der nach der genannten Gesetzesstelle unbeachtlichen Rechtskonstruktion tritt gemäß § 539a Abs. 3 ASVG jene, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessen wäre. Scheingeschäfte bleiben nach Abs. 4 der erwähnten Bestimmung ohne Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2003/08/0201, mwN).
Die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses stellt grundsätzlich keinen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar; es handelt sich dabei um eine von mehreren rechtlichen Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Insbesondere kann nicht gesagt werden, dass es geradezu missbräuchlich wäre oder dass es wirtschaftlich ganz ungewöhnlich wäre, die Absicht zur Auflösung eines Dienstverhältnisses nicht durch Kündigung zu verwirklichen, sondern durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Auflösungsvereinbarung kann angesichts der differenzierenden Regelung des § 5 EFZG aber auch "bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise" nicht einer Arbeitgeberkündigung gleichgehalten werden. Ein "Umgehungsgeschäft" könnte die Vereinbarung nur dann sein, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses schlechthin Schutzobjekt der §§ 5 und 6 EFZG wäre, ein "Scheingeschäft" nur dann, wenn es auch ein von den Parteien der Vereinbarung in Wahrheit gewolltes "verdecktes Geschäft" gäbe. Beides ist nicht der Fall.
Erweist sich die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses als arbeitsrechtlich zulässig, dann ist sie vielmehr auch vor dem Hintergrund des § 539a ASVG sozialversicherungsrechtlich beachtlich.
3. Endet somit ein Dienstverhältnis während des Krankenstandes durch eine einvernehmliche Auflösung, wie sie hier vorliegt, hat der Arbeitnehmer keinen Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus. In Ermangelung eines solchen Anspruchs verlängert sich daher auch nicht das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 11 Abs. 2 ASVG.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Jänner 2008
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006080325.X00Im RIS seit
21.02.2008Zuletzt aktualisiert am
19.09.2011