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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der CW in S, vertreten durch Mag. Martin Divitschek, Mag. Wolfgang Sieder, Dr. Andrea Peter und Mag. Andreas Sauer, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Raiffeisenstraße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 13. Juni 2005, Zl. LGS600/SfA/0566/2005-SP/S, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.101,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz, mit dem der Verlust des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 21. März 2005 bis 1. Mai 2005 ausgesprochen wurde, abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet wörtlich wie folgt:
"Ihr letztes längeres Dienstverhältnis als Bilanzbuchhalterin endete im Oktober 2005.
Im März 2005 fanden Sie eigeninitiativ eine Stelle als Bilanzbuchhalterin, dieses Jobangebot wurde Ihnen zusätzlich am 21.3.2005 vom AMS angeboten.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie das Bewerbungsgespräch bei der Fa. L bereits absolviert.
Der Betrieb hätte an Ihnen Interesse gehabt, der mögliche Arbeitsantritt wäre der 21.3.2005 gewesen, Herr L meldete dem AMS Graz jedoch, dass Sie an diesem Termin nicht erschienen sind.
Laut Niederschrift vom 29.3.2005 erklären Sie, dass das Stellenangebot für Sie nicht passend gewesen wäre, da Sie der Meinung waren, den Anforderungen (eigenverantwortliche Lohnverrechnung) nicht zu entsprechen.
Als berücksichtigungswürdige Gründe geben Sie an, eine Tonbandaufzeichnung des Vorstellgespräches zu haben.
Da die Arbeitsaufnahme bei der Fa. L aus Ihrem Verschulden nicht zustande gekommen ist, wurde Ihr Arbeitslosengeld für 6 Wochen, vom 21.3. bis 1.5.2005 eingestellt.
Dagegen berufen Sie und bringen einen Auszug aus dem Tonbandmitschnitt Ihres Vorstellgespräches mit Herrn L ein.
Sie wenden ein, dass Sie sich die alleinige Lohnverrechnung nicht zutrauen, Ihnen fehle es an Praxis und Erfahrung in diesem Bereich. Der Personalverantwortliche hätte Ihre Einwände jedoch ignoriert.
Weiters geben Sie an, dass der 21.3.2005 demnach nicht als Arbeitsbeginn vereinbart worden wäre.
Sie hätten jedoch Eigenbewerbungen laufen und hatten vom 5.4. bis zum 17.4.2005 ein kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis (Kündigung in Probezeit).
Der Gesetzgeber sieht für diesen Fall folgende Regelungen
vor:
...
Der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten hat daher
folgende Auffassung vertreten:
Wie Sie den gesetzlichen Bestimmungen entnehmen können, verliert ein Arbeitsloser seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er eine ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht annimmt oder durch sein Verhalten eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.
Das Beschäftigungsverhältnis war zumutbar.
Ihre Bedenken, den Anforderungen nicht zu entsprechen, teilte die Fa. L nicht.
Vielmehr wäre der Betrieb bereit gewesen, Sie einzustellen.
Aufgrund Ihres zögerlichen Verhaltens haben Sie jedoch eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.
Wenn ein Unternehmen bereit ist, einen Arbeitsversuch mit Ihnen zu starten, sind Sie verpflichtet, diese Chance wahrzunehmen.
Auch das noch nicht gekaufte Computerprogramm ist kein triftiger Grund, die Arbeit nicht anzunehmen, Sie hätten im Laufe Ihres Dienstverhältnisses dieses Programm erhalten.
Es hätte die Möglichkeit gegeben, das Dienstverhältnis während der Probezeit zu lösen, sollten sich Ihre Defizite als zu schwerwiegend herausstellen.
Dadurch, dass Sie jedoch nicht einmal den Versuch unternommen haben, das angebotene Dienstverhältnis anzunehmen, haben Sie die Ausschlussfrist gemäß § 10 AIVG zu Recht erhalten.
Ihr Arbeitslosengeld wurde zu Recht für die Dauer vom 21.3. bis zum 1.5.2005 eingestellt, Ihrer Berufung konnte keine Folge gegeben werden.
Ihr kurzfristiges Dienstverhältnis kann nicht als Nachsichtsgrund anerkannt werden, da es keine dauerhafte Lösung Ihrer Arbeitslosigkeit bedeutete."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruchs gemäß § 10 Abs. 1 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
2. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid unter anderem vorgebracht, dass sie am 16. März 2005 ein Bewerbungsgespräch mit Herrn L. geführt habe und dass dabei kein Arbeitsbeginn zum 21. März 2005 vereinbart worden sei. Sie habe am 22. März 2005 ein Stellenangebot der Firma L. erhalten und sich daraufhin mit dem Arbeitsmarktservice in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, dass sie bereits am 16. März 2005 ein Bewerbungsgespräch mit Herrn L. gehabt habe. Ihre Betreuerin habe über einen Aktenvermerk berichtet, wonach Herr L. dem Arbeitsmarktservice mitgeteilt habe, die Beschwerdeführerin habe den Arbeitsbeginn am 21. März 2005 nicht wahrgenommen.
3. Aus dem angefochtenen Bescheid, der weder eine nachvollziehbare Beweiswürdigung enthält, noch überhaupt erkennen lässt, auf welche Beweismittel sich die Feststellungen gründen, lässt sich nicht entnehmen, wie die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt ist, dass der Beschwerdeführerin ein Dienstverhältnis mit Beginn zum 21. März angeboten worden sei und dass dieses aus Verschulden der Beschwerdeführerin nicht zu Stande gekommen sei. Der angefochtene Bescheid hat sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei kein Dienstverhältnis angeboten worden und insbesondere auch kein Arbeitsbeginn mit 21. März 2005 vereinbart gewesen, nicht auseinander gesetzt.
Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich nicht, worauf die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei zu einem am 21. März 2005 vereinbarten Dienstantritt nicht gekommen, zurückzuführen wäre.
In der Gegenschrift der belangten Behörde wird diesbezüglich auf die mit der Beschwerdeführerin aufgenommene Niederschrift vom 29. März 2005 verwiesen, in der als "Stellungnahme des Dienstgebers" angegeben ist, dass die Beschwerdeführerin zum Dienstbeginn am 21. März 2005 nicht erschienen sei. Ungeachtet dessen, dass in der Gegenschrift eine versäumte Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mehr nachgeholt werden kann, ist festzuhalten, dass sich auch aus dieser Niederschrift keine näheren Umstände der "Stellungnahme" ergeben; insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob es sich dabei um eine schriftliche oder telefonische Stellungnahme gehandelt hat und wer konkret diese Stellungnahme abgegeben hat, was jedoch für die Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung wesentlich wäre.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass in dieser Niederschrift von einer Zuweisung einer Beschäftigung die Rede ist, wobei in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Kopie der ihr ausgehändigten Niederschrift an der dafür vorgesehenen Stelle nicht festgehalten wurde, wann der Beschwerdeführerin diese Beschäftigung vom Arbeitsmarktservice zugewiesen worden war. In der im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift wurde zwar handschriftlich ergänzt, dass die Zuweisung am 21. März 2005 erfolgt sei; auch dies lässt sich aber nur schwer damit in Einklang bringen, dass der Beschwerdeführerin zugleich vorgeworfen wird, sie habe einen möglichen Arbeitsantritt am 21. März 2005 vereitelt.
4. Insgesamt erweisen sich daher die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellungen, soweit solche überhaupt erkennbar getroffen wurden, als so mangelhaft, dass dem Verwaltungsgerichtshof eine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit nicht möglich ist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 23. Jänner 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005080136.X00Im RIS seit
15.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008