TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/23 2007/12/0023

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Veröffentlicht am 23.01.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §14 Abs3 idF 2006/I/090;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schilhan, über die Beschwerde des K H in W, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstr. 113, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 22. Dezember 2006, Zl. 0106B-SAS/06, betreffend Versetzung in den Ruhestand nach § 14 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1954 geborene Beschwerdeführer stand bis zum Ablauf des 31. Jänner 2007 in einem öffentlich-rechtlichen Akiv-Dienstverhältnis zum Bund und war der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen, wo er als Berufskraftfahrer im Omnibuslenkerdienst verwendet wurde.

Anfang des Jahres 2005 unterzog er sich der Entfernung seines Dickdarms. Im Frühjahr 2006 veranlasste die belangte Behörde die Einholung eines Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt zur Frage der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers. Basierend auf Untersuchungen des Beschwerdeführers verfasste der chefärztliche Dienst der Pensionsversicherungsanstalt am 26. Juni 2006 ein "Gesamtrestleistungskalkül" des Beschwerdeführers und eine Stellungnahme mit folgenden Diagnosen:

"1. Hauptursache/n der Minderung der Dienstfähigkeit:

ICD-10: D12.6

 

ICD-10: Z90.4

Durchfallsneigung und Stuhlunregelmäßigkeiten als Folge der Entfernung des gesamten Dickdarmes 2005 ...

2. Weitere Leiden:

Bandscheibenschäden in der Hals- und Lendenwirbelsäule

Eine leistungskalkülrelevante Besserung der unter Punkt 1 angeführten Hauptursache/n der Minderung der Dienstfähigkeit ist nicht möglich".

Mit Erledigung vom 16. August 2006 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, sie habe zur Beurteilung der Rechtsfrage (der Dienstfähigkeit) die Pensionsversicherungsanstalt beauftragt, diesen zu untersuchen und ein Gutachten zu erstellen. In der in Ablichtung angeschlossenen Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt vom 26. Juni 2006 werde festgehalten, dass eine leistungskalkülrelevante Besserung der angeführten Hauptursachen der Minderung der Dienstfähigkeit nicht möglich sei. Das Gesamtrestleistungskalkül erreiche das Anforderungsprofil nicht in allen Punkten. Auf Grund der vorliegenden medizinischen Beurteilung sei mit sicherer Prognose von der Dauerhaftigkeit der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Die Beurteilung im Sinne des § 14 BDG 1979 habe unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung ergeben: Der Beschwerdeführer sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage, sämtliche Anforderungen seines Arbeitsplatzes zu verrichten, sodass Dienstunfähigkeit für seinen Arbeitsplatz bestehe. In seinem Wirkungsbereich sei kein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden, den er auf Grund seines Restleistungskalküls noch erfüllen könnte. Da mit der Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit für seinen Arbeitsplatz nicht mehr gerechnet werden könne, lägen die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 3 BDG 1979 vor und sei die Ruhestandsversetzung zum nächstmöglichen Zeitpunkt beabsichtigt. Vom Bundesministerium für Finanzen sei die Zustimmung erteilt worden. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG werde dem Beschwerdeführer eine Gelegenheit gegeben, binnen Frist zu diesen Ausführungen Stellung zu nehmen.

In seiner Eingabe vom 28. August 2006 erklärte der Beschwerdeführer, mit einer Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979 nicht einverstanden zu sein. Nach dem Inhalt der Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt sei das Lenken eines KFZ zumindest fallweise möglich. Hinzu komme, dass sich sein Gesundheitszustand entgegen den Erstgutachten verbessert habe. Ebenso sei es für ihn nicht vorstellbar, dass auf Grund seines allgemeinen Gesundheitszustandes nicht eine vergleichbare oder nach dem Restleistungskalkül leistbare Beschäftigung gefunden werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde die Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. Jänner 2007 aus. Begründend führte sie hiezu aus:

"Gemäß § 14 Absatz 1 BDG 1979 ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Aufgrund des Gesamtleistungskalküls der Pensionsversicherungsanstalt vom 26. Juni 2006 wird festgestellt, dass Sie die auf Ihrem Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten nicht mehr ausüben können. Ein anderer gleichwertiger Arbeitsplatz, den Sie aufgrund Ihres Gesundheitszustandes noch besorgen können, kann Ihnen im Bereich der Dienstbehörde nicht zugewiesen werden. Die ärztlichen Ausführungen sind schlüssig. Nach dem vorliegenden Beweisergebnis sind Sie dauernd dienstunfähig.

Es muss nicht Unfähigkeit zu jeglicher Dienstverrichtung, sondern nur Unfähigkeit, ihre konkreten, sich aus Ihrem zugewiesenen Arbeitsplatz ergebenden Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, vorliegen.

Die Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen liegt vor.

In Ihrer Stellungnahme vom 28.8.2006 sprechen Sie sich gegen die Ruhestandsversetzung aus und führen die Verbesserung Ihres Gesundheitszustandes an, haben aber keinerlei Befunde oder Gutachten zur nochmaligen Überprüfung ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung angeschlossen.

Da Sie ihren 738. Lebensmonat noch nicht vollendet haben, ist dem Regionalzentrum Post Wien jede aufgenommene Beschäftigung, die die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt, unverzüglich zu melden (§ 61 Absatz 2 BDG 1979).

Das Regionalzentrum Post Wien wird den Ihnen ab 1. Februar 2007 gebührenden Ruhebezug ermitteln und Ihnen bekannt geben.

     Gemäß § 61 Absatz 1 ist die Nebengebührenzulage zum

Ruhegenuss ... zu bemessen.

     Die Anweisung der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss ... wird

zu einem späteren Zeitpunkt gesondert veranlasst."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird. Die Beschwerde rügt u.a., die Begründung des angefochtenen Bescheides sei unzureichend und nicht schlüssig. Es fehlten rechtserhebliche und entscheidungswesentliche Feststellungen, nämlich dahingehend, welche Tätigkeiten an einem Arbeitsplatz (der nicht einmal namentlich genannt sei) anfielen und die der Beschwerdeführer nicht mehr ausüben könne. Ebenso fehlten jegliche Gründe, die die Feststellung, es könnte ihm im Bereich der Dienstbehörde kein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden, nachvollziehbar erscheinen lassen würden. Der bloße Hinweis, die ärztlichen Ausführungen seien schlüssig, sei daher nicht ausreichend, die Dienstfähigkeit zu verneinen, seien diese Ausführungen doch nicht einmal ansatzweise konkret dargestellt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie - nach Zitierung aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und unter näherer Begründung des Vorliegens der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zur Darlegung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage und der hiezu ergangenen Rechtsprechung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG vorerst auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/12/0223, verwiesen.

Ob dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Die Frage der Dienstunfähigkeit ist unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am (zuletzt innegehabten) Arbeitsplatz bzw. auf die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2007, Zl. 2006/12/0045).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei Vorhandensein einer Restarbeitsfähigkeit des Beamten vorerst alle Tätigkeiten der in Betracht kommenden Verwendungsgruppe und deren Anforderungen in physischer und psychischer Hinsicht im Wirkungsbereich der Dienstbehörde anzuführen und dazu anzugeben, ob der Beamte auf Grund seiner festgestellten Restarbeitsfähigkeit imstande ist, diese Tätigkeiten auszuüben, wobei es vorerst nicht darauf ankommt, ob diese Arbeitsplätze frei sind (Prüfung der Verweisungstauglichkeit). Wenn sich herausstellt, dass der Beamte auf Grund seiner Restarbeitsfähigkeit überhaupt keine der Verwendungen der betreffenden Verwendungsgruppe wahrnehmen kann, so darf die Behörde vom Nichtvorliegen von Verweisungsarbeitsplätzen und der Unmöglichkeit eines Vorgehens nach § 14 Abs. 3 leg. cit. ausgehen. Ergibt die Prüfung hingegen, dass Verweisungsarbeitsplätze existieren, so ist weiter zu prüfen, ob diese in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze zumindest gleichwertig sind und dem Beamten mit Rücksicht auf die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden können. Die solcherart ermittelten Verweisungsarbeitsplätze sind schließlich auf ihre Verfügbarkeit zu überprüfen. Erst wenn auch diese Prüfung ergibt, dass auf Dauer kein freier Verweisungsarbeitsplatz für den Beamten zur Verfügung steht, kann davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung eines solchen nicht erfolgen und der Beamte nach § 14 Abs. 3 leg. cit. nicht als dienstfähig angesehen werden kann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist dem Beamten mit einer nachvollziehbaren Begründung mitzuteilen (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zl. 2006/12/0223, mwN).

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, entbehrt der angefochtene Bescheid schon jeglicher Tatsachenfeststellungen, anhand derer die Frage der dauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 im dargelegten Maßstab nachvollziehbar beurteilt werden könnte.

Von einer solchen Begründungspflicht war die belangte Behörde auch nicht dadurch enthoben, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten war.

Schließlich vermögen auch ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift die fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (vgl. die in Dolp,

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 607 wiedergegebene Rechtsprechung).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Jänner 2008

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007120023.X00

Im RIS seit

05.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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