Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §355;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2007/18/0018 B 30. Jänner 2007 2007/08/0020 E 23. Jänner 2008 2007/08/0019 E 23. Jänner 2008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. Dezember 2006, Zl. FA11A-61-26m214/6-2006, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens (mitbeteiligte Partei:
D S in G, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut einer "auszugsweisen Arbeitsübersetzung" eines Berichtes des Krankenhauses in Siofok (Ungarn) vom 30. Mai 2002 hat Dr. S während einer physischen Aktivität (Surfen) plötzlich sein Bewusstsein verloren. Nach einer - sofort nach seiner Bergung eingeleiteten - dreißigminütigen Reanimation seien vom Rettungsdienst Zyanose, starre Pupillen, Atmungs- und Kreislaufinsuffizienz sowie Ersatzrhythmus in der Kammer (Frequenz: 30/min.) festgestellt worden. Durch Intubation sei aus der Trachea Blut abgesaugt worden. Es sei noch 20 Minuten lang Reanimation erfolgt, danach hätten sich der Sinus-Rhythmus und der Kreislauf stabilisiert und die Pupillen hätten sich eingeengt. Dr. S sei in stagnierendem komatösen Zustand ins Krankenhaus gebracht worden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme habe er begonnen, spontan zu atmen, daneben sei er noch mechanisch beatmet worden. Es habe ein extensiver posteriorer Herzinfarkt festgestellt werden können. Trotz der befriedigenden Blutgaswerte, des stabilisierenden Kreislaufs und der komplexen intensiven Therapie habe der komatöse Zustand persistiert. Der Neurologe habe einen Gehirnschaden durch Sauerstoffmangel festgestellt. Am zweiten Tag hätten sich die Symptome eines Gehirnödems gezeigt. Der Kranke sei kurz darauf während des Auftretens einer Kreislaufinsuffizienz verstorben.
In einer "Arbeitsübersetzung" des Totenscheines ist als "Krankheit/Zustand, der direkt zum Tode führte": "Incuneatio cerebri" angegeben. Als "vorherige Krankheit oder vorheriger Zustand" sind "Oedema cerebri" und "St. p. reanimationem" genannt. Als "Todesursache" scheint "AMI extensiv posterior" auf. Als sonstige, den Tod herbeiführende schwerwiegende Krankheiten/Zustände werden "Gehirnschaden durch Sauerstoffmangel" und Koma genannt.
Einem Aktenvermerk (offenbar eine Mitarbeiter der beschwerdeführenden Partei) vom 2. Juli 2002 ist zu entnehmen, dass telefonisch mit der mitbeteiligten Partei, der Gattin des Verstorbenen, Kontakt aufgenommen worden sei. Sie habe mitgeteilt, dass sie eine Sterbeurkunde und einen Schein, aus dem die Todesursache - "nämlich Herzinfarkt und Gehirnödem" - hervorgehe, übermitteln werde.
Aus einem Bericht des Mag. Dr. A. vom 31. Mai 2002 geht hervor, dass Dr. S während des gesamten Unterrichtes im Rahmen eines Wassersportkurses als "Supervisor" zur Unterstützung der Lehrbeauftragten am Wasser tätig gewesen sei. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Kurs- und Lehrveranstaltungsleiter sei Dr. S am 28. Mai 2002 um 18.55 Uhr während des praktischen Unterrichts am Wasser, 20 Meter links vom Steg, im Wasser liegend vorgefunden worden. Es sei beobachtet worden, wie sich Dr. S mit seinem Surfboard dem Ufer genähert habe, vom Brett abgestiegen sei, vorerst stehend sich kurz habe ausruhen wollen, dann jedoch rücklings ins Wasser gefallen sei. Danach habe sich Dr. S auf den Bauch gedreht. Nach spätestens 15 Sekunden habe die Bergung aus dem Wasser begonnen und die Rettung sei verständigt worden. Nach Kontrolle der Lebensfunktionen sei Dr. S in stabile Seitenlage gebracht und seine Mundhöhle vom Speichel gereinigt worden. Der ganze Oberkörper, einschließlich des Kopfes, sei bereits blau-rot verfärbt gewesen. Da kein Puls fühlbar gewesen sei, sei sofort mit der Reanimation begonnen worden. Diese Reanimation sei bis zum Eintreffen der örtlichen Rettung um ca. 19.10 Uhr fortgesetzt worden. Um ca. 19.15 Uhr sei ein praktischer Arzt eingetroffen und habe ein Medikament injiziert. Um ca. 19.25 Uhr sei der Notarzt eingetroffen. Dr. S sei weiter wiederbelebt und stabilisiert worden. Um 19.45 Uhr sei der Abtransport in die Intensivstation des Krankenhauses in Siofok erfolgt.
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 26. Juli 2002 wurde ausgesprochen, dass Dr. S" am 30.05.2002 an einem Herzinfarkt verstorben" sei. Ein Anspruch auf Witwenrente aus der Unfallversicherung öffentlich Bediensteter sei gemäß §§ 112 ff B-KUVG nicht gegeben. Begründend wurde ausgeführt, eine Hinterbliebenenrente gebühre nur, wenn der Tod des Versicherten durch einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit verursacht worden sei. Die den Tod des Dr. S verursachende Erkrankung sei schicksalhaft aufgetreten. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei nicht gegeben.
Mit Eingabe vom 23. März 2005 stellte die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Zuerkennung einer Witwenrente und in eventu einen Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 AVG. Darin wurde ausgeführt, Dr. S habe in Ausübung seines Dienstes (Surfkurs in Ungarn) am 28. Mai 2002 auf dem Wasser während des Surfens einen Herzhinterwandinfarkt erlitten. Der Umstand, dass dieses Ereignis am Wasser passiert sei und eine Reanimation erst einige Minuten später am Land habe erfolgen können, sei kausal für den Tod gewesen. Wäre der Hinterwandinfarkt am Land eingetreten, hätte durch die Laienreanimation der Sauerstoffmangel im Gehirn nicht auftreten können und wäre der Tod nicht eingetreten. Kausal für den Unfalltod sei daher nicht primär der Hinterwandinfarkt, sondern der Umstand, dass dieser während des Surfens auf dem Wasser aufgetreten sei, gewesen. Erst der dadurch verursachte Sauerstoffmangel im Gehirn habe das Hirnödem hervorgerufen, an dem Dr. S am 30. Mai 2002 verstorben sei. Bisher sei die erstmitbeteiligte Partei davon ausgegangen, dass Dr. S auf Grund des Hinterwandinfarktes verstorben sei und weder zu Lande noch zu Wasser eine Überlebenschance gehabt habe. Erst ein Gespräch mit Dr. L. am 16. März 2005 habe ergeben, dass Dr. S den Hinterwandinfarkt überlebt hätte, wenn er nicht im Zuge seiner Berufstätigkeit am Wasser gewesen und dadurch bedingt der Sauerstoffmangel im Gehirn aufgetreten wäre, der zum Hirnödem geführt habe. Die mitbeteiligte Partei sei daher erst seit 16. März 2005 in Kenntnis neuer Tatsachen und auch Beweismittel, nachdem Dr. L. bereit gewesen sei, noch am 16. März 2005 seine Expertise schriftlich darzulegen.
Im Schreiben des Dr. L. vom 16. März 2005 wird festgehalten, dass Dr. S im April 2000 erstmals bei ihm als Patient gewesen sei. Es sei eine Erhöhung des Cholesterins sowie ein erhöhtes Gefäßrisiko auf Grund der Familienanamnese und des Nikotinabusus festgestellt worden. Eine entsprechende Therapie sei eingeleitet worden. Am 28. Mai 2002 sei bei Dr. S während des Surfens eine Bewusstlosigkeit aufgetreten, wobei als Ursache Kammerflimmern im Rahmen des später festgestellten Hinterwandinfarktes in Frage gekommen sei. Da dieses Ereignis am Wasser passiert sei und es mehr als fünf Minuten gedauert habe, bis eine entsprechende Laienreanimation am Land erfolgt sei, sei Dr. S nicht mehr zu Bewusstsein gekommen. Im Rahmen der weiteren Reanimation durch die Rettung habe sich das Herz-Kreislaufsystem stabilisiert. Auf der Intensivstation im Spital habe der Hinterwandinfarkt bestätigt werden können. Unter entsprechender Therapie sei das Herz-Kreislaufsystem stabil geblieben. Wegen des langen Sauerstoffmangels im Gehirn sei Dr. S jedoch am 30. Mai 2002 an einem therapieresistenten Hirnödem verstorben. Wäre der Herzinfarkt nicht am Wasser, sondern am Land aufgetreten, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch durch Laienreanimation der Sauerstoffmangel im Gehirn nicht aufgetreten wäre und Dr. S überlebt hätte.
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 2. Juni 2005 wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 129 B-KUVG im Zusammenhang mit den §§ 355 und 357 ASVG sowie § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht stattgegeben.
Dem dagegen erhobenen Einspruch der mitbeteiligten Partei wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, weder aus dem Versicherungsakt noch aus dem Ermittlungsverfahren sei eindeutig ableitbar, ob die beschwerdeführende Partei dem Umstand "auf dem Wasser befindlich" in ihren Ermittlungen Rechnung getragen habe. Auch wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer "inneren Ursache" auszugehen sei, sei das Ereignis dennoch von der Unfallversicherung geschützt, weil ein wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehe, zumal der von Dr. S abgehaltene Surfunterricht die wesentliche betriebs- und dienstbedingte Ursache des Unfalles gewesen sei. Anders ausgedrückt, das Sich-auf-dem-Wasser-Befinden und die damit verbundene Gefahrenlage seien eine wesentliche Bedingung für den Tod des Dr. S gewesen. Erst mit dem Gutachten des Dr. L. vom 16. März 2005 sei der Mitbeteiligten bekannt geworden, dass unter Umständen, hätte sich Dr. S am Land befunden, seine Überlebenschancen größer gewesen wäre als auf Grund seines Dienstes am Wasser. Erst wenn die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen in Betracht kommenden Kausalreihen (Dr. S habe sich auf Grund seiner Berufsausübung auf dem Wasser befunden) einerseits und die Schadensanlage andererseits (der Hinterwandinfarkt) feststünden und auch die erforderliche Kausalität des schädigenden Ereignisses sowie der unfallunabhängigen Ursachen zu bejahen sei, dürfe die Abwägung der ursächlichen Bedeutung der einzelnen mitwirkenden Kausalreihen erfolgen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 357 Abs. 1 ASVG gelten für das Verfahren vor den Versicherungsträgern unter anderem die Bestimmungen der §§ 69 und 70 AVG über die Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend. Bei der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag durch einen Sozialversicherungsträger handelt es sich um eine Verwaltungssache im Sinne des § 355 ASVG. Der Bescheid eines Sozialversicherungsträgers, mit dem in einer Leistungssache die Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt wird, ist im Verwaltungsweg durch Einspruch an den Landeshauptmann zu bekämpfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2003/08/0093, mwN).
§ 69 AVG lautet auszugsweise:
"Wiederaufnahme des Verfahrens.
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
...
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
...
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."
Im vorliegenden Fall wurde der Wiederaufnahmeantrag auf die Ausführungen des Dr. L. vom 16. März 2005 gestützt. In diesem Zusammenhang ist Folgendes festzuhalten:
Ein Gutachten besteht aus einer sachverständigen Tatsachenfeststellung - der sogenannten Befundaufnahme - und aus sachverständigen Schlussfolgerungen unter Anwendung der jeweiligen Kunst oder Wissenschaft aus eben den festgestellten Tatsachen - dem Gutachten im engeren Sinn. Sollte ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung im Hauptverfahren bereits bestanden, erst später feststellen oder sollten solche Tatsachen einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis kommen, so könnten solche neuen Befundergebnisse - die sich ja auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssen - durchaus einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Anders verhält es sich mit den vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen. Es stellt weder einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn der bereits im Hauptverfahren vernommene Sachverständige später erklären sollte, sich bei seinen Schlussfolgerungen geirrt zu haben und nunmehr zu neuen Schlussfolgerungen zu kommen, noch, wenn ein im Hauptverfahren nicht vernommener Sachverständiger auf Grund unveränderter Sachverhaltsgrundlage nunmehr zu anderen Schlüssen kommen sollte, als der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0226, vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/08/0123, vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/07/0017, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2003/08/0093).
Ausgehend von den vorstehenden Darlegungen erweisen sich die Ausführungen des Dr. L. vom 16. März 2005 nicht als Grundlage für eine Wiederaufnahme geeignet. Hinsichtlich der wesentlichen Tatsachen geht Dr. L davon aus, dass während des Surfens eine Bewusstlosigkeit aufgetreten ist und dieses Ereignis am Wasser passierte, wobei es mehr als fünf Minuten gedauert habe, bis eine entsprechende Laienreanimation am Land erfolgt sei. Weiters sei wegen des langen Sauerstoffmangels im Gehirn ein therapieresistentes Hirnödem aufgetreten.
Beide genannten Umstände sind nach der Aktenlage bereits seit dem Totenschein bzw. dem Schreiben des Krankenhauses Siofok vom 30. Mai 2002 und dem Bericht des Dr. A. vom 31. Mai 2002 bekannt. Auch aus dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei im Verwaltungsverfahren, insbesondere auch aus dem Wiederaufnahmeantrag, geht in keiner Weise hervor, dass den Behörden diese Umstände unbekannt gewesen wären. Die Schlussfolgerung des Dr. L., dass dann, wenn der Herzinfarkt nicht am Wasser, sondern am Land aufgetreten wäre, mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass auch durch Laienreanimation der Sauerstoffmangel im Gehirn nicht aufgetreten wäre und Dr. S überlebt hätte, stellt keinen Befund im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung dar, sondern eine (hypothetische) Schlussfolgerung. Sie liegt somit nicht im Tatsachenbereich, weshalb damit auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Wiederaufnahme im gegebenen Zusammenhang nicht erfüllt sind.
Im Übrigen läge nur dann ein Wiederaufnahmegrund vor, wenn die geltend gemachten neuen Umstände geeignet wären, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Der Tod des Ehegatten der Mitbeteiligten könnte nur dann als Folge eines Dienstunfalles beurteilt werden, wenn sich dieser im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherungspflicht begründenden Erwerbstätigkeit ereignet hätte und der Tod kausal auf diesen Unfall zurückzuführen wäre. Im Falle des Ehegatten der Mitbeteiligten ist aber der Tod als Folge eines Herzinfarktes eingetreten. Es kann im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen ob und unter welchen Voraussetzungen ein für den Tod kausales Infarktgeschehen als "Unfall" qualifiziert werden könnte, da durch das im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegte Gutachten ein Einfluss der versicherten Tätigkeit auf das Krankheitsgeschehen nur insoweit bejaht wird, als der Ort, an dem das Krankheitsgeschehen seinen Anfang nahm ("auf dem Wasser") tätigkeitsbedingt gewesen ist. Selbst wenn die Meinung des Gutachters zuträfe - was dahingestellt bleiben kann -, dass die Erstversorgung nach einem Herzinfarkt "auf dem Land" anders als jene "auf dem Wasser" lebensrettend gewesen wäre, so wird dadurch die versicherte Tätigkeit, mag sie auch Ursache des Ortes des Eintritts des Krankheitsgeschehens sein, nicht zur wesentlichen Ursache der zum Tod führenden Kausalkette, die von dem Infarktgeschehen ihren Ausgang genommen hat. Durch die Zufälligkeiten der Modalitäten der medizinischen Versorgung - mögen sie auch im Sinne der Äquivalenztheorie zum Tod beigetragen haben - kann im Sinne der hier maßgeblichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung ein gegebener Ursachenzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht ausgeschlossen, ein fehlender derartiger Zusammenhang aber auch nicht hergestellt werden. Es fehlt dem geltend gemachten Wiederaufnahmegrund daher auch an der Eignung, ein anderes Ergebnis des Verfahrens herbeizuführen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Jänner 2008
Schlagworte
SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080017.X00Im RIS seit
18.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008