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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §4 Abs4 idF 1997/I/139;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/08/0225 E 23. Januar 2008 2007/08/0224 E 23. Januar 2008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Dipl.-HTL-Ing. G J in L, vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Südtirolerstraße 4-6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 30. Juli 2007, Zl. BMSK-229603/0005- II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A in G; 2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77;
3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2006/08/0110, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis, zu dessen näheren Begründung auf das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2006/08/0107, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG hingewiesen wurde, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 7. Februar 2006, mit dem ausgesprochen worden war, dass der Erstmitbeteiligte an näher genannten Tagen im Februar, März und April 2001 auf Grund seiner Tätigkeit als Botenfahrer für den Dienstgeber "Der Eiler", Fahrradkurier-Botendienst, Dipl.-HTL-Ing. G J, der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken- , Unfall- und Pensionsversicherung) nach § 471a ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei, und ferner festgestellt wurde, dass der Erstmitbeteiligte in den Monaten Jänner, Juni, August, September, November und Dezember 2001 sowie im Februar 2002 nicht der Pflichtversicherung in der Teilversicherung (Unfallversicherung) nach § 7 Z. 3 lit. a iVm § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG unterlegen sei, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben.
Die Aufhebung erfolgte, weil der Beschwerdeführer während des gesamten Verwaltungsverfahrens auf zahlreiche Aussagen von Fahrradboten hingewiesen habe, die in einem gerichtlichen Verfahren bzw. vor den Steuerbehörden gemacht worden seien. Der Beschwerdeführer habe Gerichtsurteile vorgelegt, die zwar in einem gerichtlichen Verfahren ergangen seien, in dem ein anderer Fahrradbote als der Erstmitbeteiligte als Kläger (gegen den Beschwerdeführer als Beklagten) aufgetreten sei. Den Feststellungen der Gerichte seien aber die Aussagen von etlichen Fahrradboten zu Grunde gelegt worden. Seitens der Gerichte sei in diesen Urteilen festgestellt worden, dass der Fahrradbote (Kläger) an keine fixen Arbeitszeiten gebunden gewesen sei. Er sei auch nicht dazu verpflichtet gewesen, jeden Auftrag anzunehmen. Das Ablehnen von Aufträgen durch den Fahrradboten habe keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen. Es sei dem Fahrradboten freigestanden, auch von anderen Botendiensten Aufträge anzunehmen bzw. sich von anderen Botendiensten Aufträge vermitteln zu lassen. Ferner sei es ihm freigestanden, sich bei der Durchführung der vom Beschwerdeführer erhaltenen Aufträge vertreten zu lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat zusammengefasst die Auffassung, die belangte Behörde hätte schon angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, das sich auf die Aussagen anderer Fahrradboten im gerichtlichen Verfahren bezogen habe, jedenfalls auf die genannten Urteile eingehen müssen. Es hätte einer näheren Darlegung bedurft, weshalb im Fall des Erstmitbeteiligten insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit der Ablehnung von Aufträgen und der Vertretung sowie der freien Arbeitszeiteinteilung anderes gegolten haben sollte als im Fall des von den Urteilen betroffenen Fahrradboten, zumal im gerichtlichen Verfahren eine größere Anzahl von Fahrradboten als vor den Sozialversicherungsbehörden einvernommen worden sei.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner oben genannten Tätigkeit vom 1. Jänner bis 31. Jänner, vom 1. Juni bis 30. Juni, vom 1. August bis 30. September und vom 1. November bis 31. Dezember 2001 sowie vom 1. Februar bis 28. Februar 2002 der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) nach § 4 Abs. 4 ASVG sowie vom 1. Februar bis 30. April 2001 der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG sowie § 7 Z. 3 lit. a ASVG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 ASVG unterlegen sei und es weiters gemäß § 62 Abs. 4 AVG statt "Der Eiler", Fahrradkurier - Botendienst richtig zu lauten habe "Der Eiler", Fahrradkurier - Botendienst, Dipl.-HTL-Ing. G J.
In der Begründung des Bescheides hat die belangte Behörde folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Herr L war in der Zeit vom 18.09.2000 bis 31.12.2000 aufgrund seiner Tätigkeit als Fahrradbote bei 'Der Eiler' Fahrradkurier-Botendienst, DI G J zur Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 2 ASVG als geringfügig beschäftigter Dienstnehmer gemeldet.
Mit Vereinbarung aus dem Jänner 2001 beauftragte Herr L 'Der Eiler' Fahrradkurier-Botendienst, DI G J, mit der Vermittlung und dem Inkasso von Botendiensten auf unbestimmte Zeit. Als Vergütung für die ihr vermittelten Aufträge hat Herr L 60 % des Auftragswertes erhalten. Herr L hat für die Zustellungen sein eigenes Fahrrad bzw. seinen eigenen Pkw verwendet. Dese Vereinbarung bestand bis Februar 2002 und wurde dann einvernehmlich gelöst.
Herr L ist hauptberuflich als Fahrdienstleiter bei der ÖBB beschäftigt. Es war mit dem Berufungswerber vereinbart, dass Herr L immer dann zur Verfügung steht, wenn das sein Dienstplan zur ÖBB zulässt.
Die (Botendienst)Fahrer teilten dem Berufungswerber (bzw. dessen Gattin) zum längerfristig, zum Teil kurzfristig mit, wann sie bereit waren, Aufträge anzunehmen. Die Fahrer konnten sich ihre Arbeitszeit und ihre Pausen frei einteilen. Beginn und Ende der Bereitschaft wurden 'Der Eiler' gemeldet. Während die Fahrer auf Aufträge warteten, konnten sie ihren Aufenthaltsort frei wählen. Urlaub bzw. Krankenstand wurde dem Berufungswerber jeweils bekannt gegeben. Der Berufungswerber (bzw. dessen Gattin) nahmen mit den Fahrern telefonisch Kontakt auf und boten ihnen Aufträge an. Die Fahrer konnten Aufträge ohne Sanktionen ablehnen und mussten keine Gründe dafür angeben. Durch die Ablehnungsmöglichkeit kam es vor, dass zu wenig Fahrer zur Verfügung standen. In so einem Fall sprangen entweder (nicht vom Verfahren umschlossene) Angestellte des Berufungswerbers oder DI J selbst als Fahrer ein. Es kam auch vor, dass in so einem Fall Kundenaufträge über andere Botendienste abgewickelt wurden oder von DI J abgelehnt werden mussten. Den Fahrern wäre es auch frei gestanden, auch von anderen Botendiensten Aufträge anzunehmen bzw. sich von anderen Botendiensten Aufträge vermitteln zu lassen.
Allen Fahrern wurden vom Berufungswerber mit einer Werbefläche versehene Rucksäcke zur Verfügung gestellt, in denen auch für 'Den Eiler' geworben wurde. Die Fahrer waren aber nicht verpflichtet, diese Rücksäcke tatsächlich zu verwenden. Manchen Fahrern wurden Mobiltelefone, mit welchen man intern gratis telefonieren konnte, gegen Ersatz von EUR 5 zur Verfügung gestellt.
Am Freitagnachmittag (15:00 bis 17:00 Uhr) gab es einen Bereitschaftsdienst, der (gesondert) stundenweise entlohnt wurde. Die FahrradbotInnen machten untereinander aus, wer den Bereitschaftsdienst jeweils ausübt."
Des Weiteren führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung im Wesentlichen aus, sie lege ihren Feststellungen jene des Arbeits- und Sozialgerichtes in seinem Urteil betreffend einen anderen Botenfahrer (Herrn O) zu Grunde. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren seien nämlich deutlich mehr Botenfahrer vernommen worden als im Verwaltungsverfahren durch die Gebietskrankenkasse. Diese hätten schlüssig und widerspruchsfrei die getroffenen Feststellungen zu den Modalitäten der Beschäftigung wie freie Arbeitszeiteinteilung, sanktionslose Ablehnungsmöglichkeit und Vertretungsfälle bestätigt. Schließlich habe auch der Erstmitbeteiligte angegeben, dass er angebotene Aufträge habe ablehnen können und dies immer wieder getan habe. Es gebe auch keine Hinweise dahingehend, dass sich die Beschäftigung des Erstmitbeteiligten von jener der im gerichtlichen Verfahren einvernommenen anderen Botenfahrer bzw. von Herrn O in wesentlichen Punkten unterschieden hätte. Der Beschwerdeführer sei nicht zu Werkleistungen, sondern zu gattungsmäßig umschriebenen Dienstleistungen als Zusteller verpflichtet gewesen. Er habe für den Beschwerdeführer Botendienste durchzuführen gehabt. Worin dabei ein zu erbringendes Werk bestehen solle, sei nicht ersichtlich. Es handle sich vielmehr um geradezu typische Dienstleistungen, um ein dauerhaftes Bemühen (nämlich um die regelmäßige Zustellung von Gütern), welches bei Erreichen des angestrebten Ziels auch nicht sein Ende finde. Es sei daher auch nicht entscheidend, ob der Vertrag als Werkvertrag oder Dienstvertrag bezeichnet worden sei. Allerdings sei der Erstmitbeteiligte nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig geworden. Das sanktionslose Ablehnungsrecht der Botenfahrer habe nicht nur theoretisch bestanden, sondern sei auch regelmäßig ausgeübt worden. Eine Beschränkung auf bestimmte Gründe habe nicht festgestellt werden können. Der Erstmitbeteiligte sei insoweit "bestimmungsfrei" gewesen, als er nicht verpflichtet gewesen sei, jeden vom Beschwerdeführer vermittelten Auftrag anzunehmen. Außerdem seien die Botenfahrer an keine fixen Arbeitszeiten gebunden gewesen, sondern sie hätten sich ihre Inanspruchnahme einteilen können. Es sei dem Erstmitbeteiligten freigestanden, wann er sich bereit erklärt habe, Aufträge für den Beschwerdeführer zu übernehmen. Eine Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit sei somit nicht gegeben gewesen, ebenso biete die Weisungsgebundenheit hinsichtlich des Arbeitsortes (Zustelladressen) auf Grund der Natur der Tätigkeit eines Zustellers kein "zureichendes Unterscheidungskriterium". Dem Erstmitbeteiligten sei es auch freigestanden, den Ort zu bestimmen, an dem er auf Aufträge gewartet habe. Außerdem wäre es ihm freigestanden, sich auch von anderen Botendiensten vermitteln zu lassen, ein Konkurrenzverbot sei nicht vereinbart gewesen. Ein durchgehendes Dienstverhältnis nach § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG sei auf Grund des deutlichen Überwiegens der Merkmale persönlicher Unabhängigkeit auszuschließen. Die Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit sei daher nicht zu klären gewesen. Die Finanzbehörden hätten rechtskräftig festgestellt, dass die gegenständliche Tätigkeit des Erstmitbeteiligten auch nicht der Lohnsteuerpflicht unterlegen sei. Unter Berufung auf Mosler/Glück, Die Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung, RdW, 1998, S. 78 ff, wies die belangte Behörde im Hinblick auf § 4 Abs. 4 ASVG weiters darauf hin, dass der Erstmitbeteiligte die gegenständlichen Arbeiten im Wesentlichen persönlich erbracht habe. Ihm seien die zuzustellenden Waren zur Verfügung gestellt worden. Der Erstmitbeteiligte habe lediglich seinen eigenen Pkw beigestellt. Es sei somit bloß eine untergeordnete betriebliche Infrastruktur gegeben gewesen. Es handle sich dabei um keine wesentlichen Betriebsmittel, die so ausgestaltet gewesen seien, dass ihre Verwendung über den allgemeinen Gebrauch des täglichen Lebens hinausgehe. Der Erstmitbeteiligte sei somit mangels wesentlicher eigener Betriebsmittel (und mangels einschlägigen Gewerbescheins) der Pflichtversicherung in der Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG während bestimmter, im Bescheidspruch näher genannter Zeiten unterlegen. Vom 1. Februar bis 30. April 2001 sei er mangels Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 4 ASVG iVm § 7 Z. 3 lit. a ASVG unterlegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, Zuerkennung von Aufwandersatz begehrt und von der Erstattung einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt, ausdrücklich Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, vorgelegt. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 4 Abs. 4 ASVG erhielt durch das ASRÄG 1997 und die 55. Novelle zum ASVG ab 1. Jänner 1998 (§ 572 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 575 Abs. 1 Z. 5 ASVG) bis 31. Juli 2001 (gemäß § 593 Abs. 1 Z. 1 ASVG tritt die Änderung durch BGBl. I Nr. 99/2001 mit 1. August 2001 in Kraft) folgende Fassung (vgl. auch die Darstellung im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0101):
"(4) Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für
1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,
2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),
wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, sofern sie auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 bzw. § 3 Abs. 3 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes oder gemäß § 2 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbstständig Erwerbstätiger versichert sind oder sofern es sich nicht um eine (Neben)Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 1 lit. f des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes handelt oder sofern diese Personen nicht eine freiberufliche Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich beruflichen Vertretung (Kammer) begründet, ausüben."
Nach der Regierungsvorlage zum ASRÄG (886 BlgNR XX. GP) sollte der Text des § 4 Abs. 4 ASVG nach der Z. 2 lauten:
"... wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine eigene unternehmerische Struktur verfügen".
In der Regierungsvorlage zum ASRÄG 1997 (886 BlgNR XX. GP) wurde im Allgemeinen Teil der Erläuterungen (Seite 75) ausgeführt:
"ad. 1. Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung.
1. Konkretisierung des Dienstnehmerbegriffes in § 4 Abs. 2 ASVG um die Verweisung, dass jedenfalls auch lohnsteuerpflichtige Personen gemäß § 47 EStG 1988 als Dienstnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gelten.
2. Neufassung des Begriffes der 'freien Dienstverträge' gemäß § 4 Abs. 4 ASVG (Einschränkung auf Personen, die ihre Leistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und keine Unternehmensstruktur haben). ..."
Im Besonderen Teil der Erläuterungen (Seite 98f) wurde ausgeführt:
"Der Nationalrat hat mit Entschließung vom 2. Oktober 1996, E 24-Nr./XX. GP, die Bundesregierung ersucht, unter Einbeziehung von Sozialpartnern und Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Weiterentwicklung des österreichischen Sozialversicherungssystems mit dem Ziel einer breiten und fairen Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in einer einheitlichen Sozialversicherung bis Ende 1997 zu erarbeiten.
Im Rahmen einer solchen Arbeitsgruppe wurde auch über eine Modernisierung des Dienstnehmerbegriffs gemäß § 4 Abs. 2 ASVG in Verbindung mit einer Neufassung des § 4 Abs. 4 ASVG intensiv diskutiert. Ausgangspunkt der Diskussion war der Umstand, dass die bestehende Judikatur zum Dienstnehmerbegriff gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, insbesondere auf Grund der Möglichkeit, durch Vereinbarung jederzeitiger Vertretbarkeit oder freier Arbeitszeiteinteilung die persönliche Abhängigkeit auszuschließen, bei Beschäftigten, die sich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tätigkeit und der Schutzwürdigkeit realiter nicht von einem Dienstnehmer unterscheiden, die Pflichtversicherung nach dem ASVG verneint. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, soll als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG jedenfalls auch gelten, wer nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 lohnsteuerpflichtig ist. Dem gegenüber sollen 'echte' Selbstständige, die Dienstleistungen im Wesentlichen nicht persönlich erbringen und die über eine eigene unternehmerische Struktur (d.h. beträchtliche Betriebsmittel, Personal usw.) verfügen, von der Regelung des § 4 Abs. 4 ASVG hinkünftig nicht mehr erfasst sein. Die Gruppe echter Unternehmer unter jenen Personen, die freie Dienstverträge abschließen und erfüllen, soll daher nicht der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterliegen.
Wer jedoch in wirtschaftlicher Abhängigkeit kontinuierlich Arbeit für einen oder wenige Dienstgeber verrichtet, ohne dass die Merkmale persönlicher Abhängigkeit vorliegen, steht einem Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG wesentlich näher als einem selbstständig Erwerbstätigen. Sein Dienstgeber soll daher weiterhin einen Anteil am Beitragsaufkommen tragen, die Anmeldung zur Sozialversicherung sicherstellen usw.
Hervorzuheben ist, dass nicht zuletzt im Hinblick auf § 539a ASVG von der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 ASVG auch dann auszugehen sein wird, wenn die Erbringung von Dienstleistungen von den Parteien zwar in die Rechtsform von Zielschuldverhältnissen (z.B. Werkverträge) gekleidet wird, insofern also scheinbar keine Verpflichtung zu Dienstleistungen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit besteht, faktisch jedoch sehr wohl eine kontinuierliche Leistungsbeziehung vorliegt.
Die von § 539a ASVG vorgeschriebene wirtschaftliche Betrachtungsweise, die dem 'wahren wirtschaftlichen Gehalt' (Abs. 1) und 'den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen' (Abs. 3) vor der äußeren Erscheinungsform des Sachverhaltes und den Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts den Vorzug gibt, gebietet die Anwendung des § 4 Abs. 4 ASVG, wenn Personen ohne eigene unternehmerische Struktur laufend ihre Arbeitskraft einem 'Auftraggeber' zur Verfügung stellen, dabei aber von den Parteien in Umgehungsabsicht jede Inanspruchnahme einer Dienstleistung als gesondertes 'Werk' vereinbart wird.
Dasselbe gilt, wenn es der die Dienstleistungen erbringenden Person 'freigestellt' wird, ob sie eine ihrer Art nach bestimmte Dienstleistung erbringt oder nicht. So liegt wohl auch dann ein Anwendungsfall des § 4 Abs. 4 ASVG vor, wenn sich z.B. ein Versicherungsvertreter nicht ausdrücklich zum Anwerben von Kunden verpflichtet hat, sondern ihm nur für den Fall von Vertragsabschlüssen Provisionen zugesagt wurden, und dieser regelmäßig einer solchen Tätigkeit nachgeht. Hier scheint im Lichte des § 539a ASVG die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 ASVG ebenso gegeben wie z.B. bei ständiger Bereitschaft eines 'Auftragnehmers', bei aktuell auftretendem Bedarf seine Leistungen zu erbringen (z.B. Konsulentenfunktion).
Auf Grund der sozialversicherungsrechtlichen Gleichstellung der freien Dienstnehmer mit den Dienstnehmern gemäß § 4 Abs. 2 wird das derzeit für freie Dienstnehmer geltende Sonderrecht (z.B. betreffend Versicherungsgrenze und Meldewesen) obsolet und wäre daher aufzuheben."
Im Ausschuss für Arbeit und Soziales wurde die Textierung des § 4 Abs. 4 ASVG im Sinne der oben wiedergegebenen, Gesetz gewordenen Fassung geändert.
Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (912 BlgNR XX. GP, 5) ist dazu zu lesen:
"Zu § 4 Abs. 4 ASVG:
Durch die vorgeschlagene Neutextierung des § 4 Abs. 4 ASVG soll eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, dass durch diese Regelung ausschließlich freie Dienstnehmer, also Personen, die sich auf Grund freier Dienstverträge zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, den Dienstnehmern im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gleichgestellt werden. Damit soll auch eine eindeutige Abgrenzung von Dauerschuldverhältnissen zu Zielschuldverhältnissen im gegebenen Zusammenhang getroffen werden. Bekanntlich sind ja die freien Dienstverträge ausschließlich den Dauerschuldverhältnissen zuzuordnen. Nicht unerwähnt bleiben soll auch, dass das jeweilige Vertragsverhältnis im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung gemäß § 539a ASVG nach seinem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu beurteilen ist.
Gleichzeitig soll die Voraussetzung des Nichtvorhandenseins einer unternehmerischen Struktur durch die gleichwertige, aus dem Begriff der wirtschaftlichen Abhängigkeit (vgl. § 4 Abs. 2 ASVG) ableitbare Voraussetzung, dass die freien Dienstnehmer über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, d.h. ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit Betriebsmitteln des Dienstgebers ausüben, ersetzt werden. Die Tätigkeit mit fremden Betriebsmitteln (wirtschaftliche Abhängigkeit) ist eine Folge der persönlichen Abhängigkeit.
Schließlich wird eine Subsidiaritätsregelung getroffen. Demnach soll nicht nur die einschlägige Tätigkeit eines Gewerbetreibenden oder die (Neben)Tätigkeit eines Beamten die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 4 ASVG ausschließen, sondern auch jede freiberufliche Tätigkeit, die die Mitgliedschaft zu einer sonstigen gesetzlichen Interessenvertretung begründet."
Mit Wirksamkeit vom 1. August 2001 wurde durch die 58. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 99/2001, der Beistrich im § 4 Abs. 4 nach dem Ausdruck "verfügen" durch einen Strichpunkt ersetzt. Der daran anschließende Satzteil lautet seit dieser Novelle:
"es sei denn
a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 oder nach § 3 Abs. 3 GSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder
b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder
c) dass eine freiberufliche Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) begründet, ausgeübt wird oder
d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt."
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die belangte Behörde das in das formelle Kleid eines "Vermittlungsvertrages" gehüllte Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Erstmitbeteiligten zurecht als freien Dienstvertrag beurteilt, wurden doch die einzelnen Umsatzgeschäfte mit den Kunden nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht auf Rechnung und Gefahr des Erstmitbeteiligten, sondern vom Beschwerdeführer im eigenen Namen abgeschlossen, wobei die Entlohnung des Erstmitbeteiligten als Botenfahrer in einem Prozentsatz des - nach der Sachlage ebenfalls vom Beschwerdeführer bestimmten - "Auftragswertes" bestanden hat.
Die vom Erstmitbeteiligten als Botenfahrer zum Kontakt mit der Firmenzentrale und zum Transport benötigten Hilfsmittel, wie Mobiltelefone, sowie geeignete Rucksäcke, wurden vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt. Hingegen hatte der Erstmitbeteiligte das Transportmittel (Fahrrad bzw. PKW) selbst beizustellen.
In der Beschwerde wird vorgebracht, ein Fahrrad bzw. PKW sei auch für die Erbringung von Botendiensten wesentlich. Wesentliche Betriebsmittel seien daher von der erstmitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellt worden. Die zuzustellenden Waren seien nicht vom Beschwerdeführer, sondern vom jeweiligen Absender der Ware zur Verfügung gestellt worden.
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob es sich bei dem vom Erstmitbeteiligten bei der Durchführung der von ihm übernommenen Transportleistungen verwendeten eigenen Fahrrades bzw. Autos um "wesentliche Betriebsmittel" im Sinne des § 4 Abs. 4 letzter Satz ASVG handelt.
Schrank/Grabner (Werkverträge und freie Dienstverträge, 2. Auflage, 40ff) vertreten die Auffassung, dass wesentliche eigene Betriebsmittel beim freien Dienstnehmer dann vorliegen, wenn er über Sachmittel verfügt, die typischerweise über den einzelnen Dienstleistungsauftrag hinausgehen. Unter Betriebsmittel verstehen die genannten Autoren "alle Sach- und Organisationsmittel, die der Akquisition und Erfüllung einschlägiger Dienstleistungsaufträge dienen und /oder eine diesen entsprechende betriebliche Infrastruktur zu schaffen geeignet sind." Im Zweifel seien dies alle jene Wirtschaftsgüter, die steuerlich als Betriebsausgaben anerkennbar seien. Das gelte auch für im Alltag verwendete Betriebsmittel, wie ein Mobiltelefon, einen PC oder einen PKW (aaO 43). Zur Frage der Wesentlichkeit führen die genannten Autoren (aaO 44) aus, dass die Betriebsmittel des freien Dienstnehmers in Relation zur ausgeübten Tätigkeit zu setzen seien. Je umfassender die ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit sei, desto wichtiger werde die ihr dienende Infrastruktur, die in einem solchen Fall auch dann wesentliches Betriebsmittel sei, wenn sie für den konkreten Einzelauftrag ohne Bedeutung sei. Das Wort "eigene" drücke dabei die wirtschaftliche Zuordnung wesentlicher Betriebsmittel zum freien Dienstnehmer aus, die ihn zum betrieblichen Unternehmer machten, der nicht nur die Arbeitskraft, sondern auch Kapital und damit sachliche Betriebsmittel einsetze, wobei es darauf ankomme, dass der freie Dienstnehmer über die Betriebsmittel unabhängig von diesbezüglichen Einflüssen des Auftraggebers verfügen könne (aaO 45).
Tomandl (Sozialversicherung 2000, Wien 1999, 31 ff (35ff), und "Der rätselhafte freie Dienstnehmer", ZAS 2006, 248ff (255)) trat im Wesentlichen der Auffassung von Schrank/Grabner bei.
Runggaldier (Probleme der Einführung einer alle Erwerbseinkommen umfassenden Sozialversicherungspflicht, ÖJZ 1998,
496) differenziert ohne nähere Auseinandersetzung mit der hier maßgeblichen Rechtsfrage nur ganz allgemein danach, ob der Dienstleistende auf die Betriebsmittel des Auftraggebers angewiesen sei oder ob er eigene Betriebsmittel benutze.
Eine von Schrank/Grabner in gewisser Hinsicht abweichende Position vertreten Grillberger/Mosler (Sozialversicherung für Dienstnehmer und Selbständige, Wien 1998, 37ff). Unter Hinweis auf die aus den Materialien hervorgehende Entstehungsgeschichte sind sie der Auffassung, dass jener freie Dienstnehmer nicht nach § 4 Abs. 4 ASVG versichert sein solle, der seine Erwerbstätigkeit nach der Art eines Unternehmers organisiert habe. "Wesentlich" könne daher nicht bedeuten, dass "etwa ein Botendienstfahrer, Zeitungszusteller oder Werbemittelverteiler, der sein eigenes Fahrzeug verwendet, nicht unter § 4 Abs. 4 ASVG fällt, weil das Fahrzeug für diese Tätigkeit notwendig oder zweckmäßig ist". Es sei dabei auch zu beachten, was im Rahmen von vergleichbaren Dienstverhältnissen üblich sei. Je finanziell aufwendiger ein Betriebsmittel sei, desto weniger werde die Nähe zum Dienstnehmer bestehen. Zur Frage des "eigenen" Betriebsmittels vertreten diese Autoren - ähnlich wie Schrank/Grabner - die Auffassung , dass erst vom Auftraggeber erworbene Betriebsmittel nicht darunter fallen (aaO, 43f).
Mosler/Glück (Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung, RdW 1998, 78ff) lehnen zunächst Rückgriffe auf die Auslegung des Begriffes der wesentlichen Betriebsmittel, wie sie im ArbVG, im Arbeitnehmerschutzrecht, im Steuerrecht oder bei der Betriebsnachfolge im Sozialversicherungsrecht entwickelt worden sei, wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke ab. Bedenke man, dass der Begriff "wesentliche Betriebsmittel" nach den Gesetzesmaterialien gleichwertig mit "unternehmerischer Struktur" sein solle, sei von einem entsprechend weiten Begriffsinhalt auszugehen. Betriebsmittel seien daher alle sachlichen Hilfsmittel des Betriebes bzw. Unternehmens, die zur Erreichung des Betriebszweckes benötigt würden, wie z.B. auch Urheberrechte, Patente sowie der "good will" eines Unternehmens (Kundenstock, Kreditwürdigkeit, Kenntnis von Bezugsquellen). Welche Betriebsmittel als wesentlich anzusehen seien, müsse sowohl allgemein (unternehmerische Struktur) als auch im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit beurteilt werden. Wer nur über eine "kleine Büroausstattung (Schreibtisch, Schreibgeräte, Telefon)" verfüge, habe keine unternehmerische Struktur, auch wenn sich damit erfolgreich arbeiten lasse. Beim Provisionsvertreter, der in größerem Umfang tätig werde, seien wesentliche Betriebsmittel z. B. Anrufbeantworter, Fax, Diktiergeräte, Kopierer, Computerausstattung, Verkaufssoftware, Werbemittel, Visitenkarten, Briefpapier, Kundenbestandsdaten, die Anmietung eines eigenen Büros oder ein eigenes, nur beruflich genutztes KFZ. Werde die Ausstattung im Wesentlichen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt oder trage dieser die wirtschaftlichen Kosten des Mitteleinsatzes durch die Bezahlung von Aufwandersatz (Kilometergeld, Diäten, Telefonkosten), werde die Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 4 ASVG zu bejahen sein. Erwerbe der freie Dienstnehmers die Betriebsmittel vom Auftraggeber, so sei dies unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu hinterfragen (aaO, 82f).
Mosler (Die sozialversicherungsrechtliche Stellung freier Dienstnehmer, DRdA 2005, 487ff (496)) präzisiert anhand der Materialien diese Auffassung noch näher: Betriebsmittel seien alle sachlichen Hilfsmittel des Betriebes bzw. Unternehmens, die benötigt werden, um den Betriebszweck zu erreichen. Welche Betriebsmittel als wesentlich anzusehen seien, müsse sowohl allgemein (unternehmerische Struktur) als auch im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit beurteilt werden. Geringwertige und allgemein vorhandene Gebrauchsgüter zählten jedenfalls nicht zu den Betriebsmitteln. Die steuerliche Behandlung könne dabei ein Indiz darstellen. Ein Betriebsmitteleinsatz sei auch dann nicht wesentlich, wenn er genauso im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgen könne (wie z.B. der Einsatz eines PKW, die Messerausstattung des Kochs im Gastgewerbe). Im Übrigen werden die Auffassungen aus RdW 1998, 82, wiederholt (aaO 497).
Resch (Sozialversicherungspflicht für freie Dienstverträge, DRdA 2000, 15 ff (19)) tritt ohne eigene Auseinandersetzung mit dem Begriff der wesentlichen Betriebsmittel dafür ein, auch das Tätigwerden für einen oder eine begrenzte Anzahl von Auftraggebern als Wesensmerkmal der Arbeitnehmerähnlichkeit aufgrund des Schutzzwecks der Norm mit zu berücksichtigen.
Im Beschwerdefall muss der Verwaltungsgerichtshof weder die Frage prüfen, wie der Erwerb von Betriebsmitteln vom Auftraggeber rechtlich zu beurteilen ist, noch muss er die Reichweite des Begriffes "verfügen" untersuchen, da vorliegendenfalls der Erstmitbeteiligte unstrittig in seinem Eigentum stehende Transportmittel, nämlich ein Fahrrad bzw. einen Personenkraftwagen, bei der Erledigung der von ihm angenommenen Aufträge verwendet hat. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob diese Betriebsmittel als "wesentlich" im Sinne des Schlusssatzes des § 4 Abs. 4 ASVG zu beurteilen sind.
Bei Auslegung des Begriffs der Wesentlichkeit geht der Verwaltungsgerichtshof zunächst - mit Mosler/Grillberger - davon aus, dass dieser Begriff von jenem der Notwendigkeit oder auch Unerlässlichkeit der Verwendung eines Betriebmittels bei einer betrieblichen Tätigkeit zu unterscheiden ist. Würde man diese beiden Begriffe nämlich gleichsetzen bzw. mit Schrank/Grabner es genügen lassen, dass ein Betriebsmittel der Tätigkeit "dient", dann wäre das Element der Wesentlichkeit innerhalb der Gruppe der freien Dienstnehmer nicht mehr unterscheidungskräftig, ist doch davon auszugehen, dass jedes bei der verrichteten Tätigkeit verwendete Betriebsmittel zu dieser Verrichtung erforderlich oder gar unerlässlich, jedenfalls aber nicht unnötig sein wird.
Zweitens wird in der Regel jedenfalls dann von einem arbeitnehmerähnlichen freien Dienstvertrag im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG auszugehen sein, wenn der freie Dienstnehmer (wie - abgesehen von der hier nicht gegebenen persönlichen Abhängigkeit -
ein echter Arbeitnehmer) innerhalb und unter Verwendung der betrieblichen Struktur des Auftraggebers tätig ist.
Ist dies aber nicht der Fall, dann ist - anders als offenbar Mosler/Glück, Grillberger/Mosler und Mosler, aaO, meinen, aber im Sinne der Ausführungen von Schrank/Grabner - die Wesentlichkeit des Betriebsmittels des freien Dienstnehmers nicht in Bezug auf den Betriebsgegenstand jenes Unternehmen zu prüfen, für welches der freie Dienstnehmer tätig wird, sondern es ist zu untersuchen, ob sich der freie Dienstnehmer mit Betriebsmitteln eine eigene betriebliche Infrastruktur geschaffen hat. Würde man nämlich auf den Betriebsgegenstand des Auftraggebers abstellen, dann wären freie Dienstnehmer, die für anlagenintensive Großunternehmen tätig sind, so gut wie nie im Besitz wesentlicher Betriebsmittel und daher praktisch immer als arbeitnehmerähnlich nach § 4 Abs. 4 ASVG versichert, auch wenn sie mit durchaus beachtlicher eigener unternehmerischer Struktur ausgestattet wären, wohingegen freie Dienstnehmer in Kleinbetrieben mit geringem Betriebsmitteleinsatz schon dann als unternehmerähnlich zu erachten wären, wenn sie über irgendwelche eigenen Betriebsmittel verfügten. Ein solches Ergebnis würde aber - sofern es nicht überhaupt vor dem Gleichheitssatz bedenklich wäre - der den Materialien zu entnehmenden sozialpolitischen Absicht des Gesetzgebers widersprechen.
Wie auch die Ausnahme aus der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 4 ASVG für jene freien Dienstnehmer zeigt, die über einen Gewerbeschein verfügen (also gewerblich tätig sein wollen und daher nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG pflichtversichert sind), ist es vielmehr in erster Linie in der Ingerenz eines (potentiellen) freien Dienstnehmers gelegen, ob er über eine unternehmerische Struktur verfügen möchte oder nicht, ob er also seine Tätigkeit grundsätzlich eher arbeitnehmerähnlich (d.h. keine Tätigkeit für den "Markt", sondern im Wesentlichen für einen Auftraggeber oder doch eine überschaubare Zahl von Auftraggebern, ohne eigene betriebliche Struktur, gegen gesonderte Abgeltung von Aufwendungen, wie z.B. durch Kilometergelder, Ersatz von Telefonkosten etc.) ausführen möchte oder ob er eher unternehmerisch tätig sein und das entsprechende wirtschaftliche Risiko tragen will, (d.h. z.B. - losgelöst vom konkreten Auftrag - spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Infrastruktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honorare selbst einkalkuliert).
Die Entstehungsgeschichte und die Materialien zum ASRÄG 1997, wonach der in der Regierungsvorlage enthaltene Begriff der "unternehmerischen Struktur" durch den der "wesentlichen Betriebsmittel" ersetzt wurde, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung der Abgrenzung arbeitnehmerähnlicher von unternehmerähnlichen freien Dienstverträgen beabsichtigt gewesen sei, legen jedenfalls eine Auslegung nahe, nach der es bei einem freien Dienstnehmer, der nicht wie ein Arbeitnehmer im Wesentlichen innerhalb der und mit den betrieblichen Strukturen des Auftraggebers tätig ist, grundsätzlich von seinen Dispositionen abhängt (d.h. ob er sich wesentliche Betriebsmittel für eine unternehmerische Tätigkeit anschafft oder nicht), welcher der genannten beiden Arten eines freien Dienstnehmers er zuzurechnen ist. Es hängt also zwar die Wahl der Vertragsform (Dienstvertrag oder freier Dienstvertrag) u.a. auch von der Disposition des Auftraggebers ab, es steht aber die Frage, ob ein freier Dienstnehmer im Besitz wesentlicher Betriebsmittel ist, nicht in seiner (Mit)Gestaltung.
Während anhand der oben erwähnten abstrakten Merkmale die Arbeitnehmerähnlichkeit im (oben) erstgenannten Fall und die Unternehmerähnlichkeit aufgrund der Verfügung über wesentliche Betriebsmittel im (oben) zweitgenannten Fall leicht beurteilbar sind, kann die Abgrenzung im Einzelfall dann schwierig sein, wenn bei einem freien Dienstnehmer, der (anders als dies nach dem Sachverhalt des Erkenntnisses vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0101, betreffend "Aerobic-Kurse", der Fall gewesen ist) zwar nicht mit Hilfe der betrieblichen Struktur des Auftraggebers arbeitet, jedoch eine unternehmerische Organisation bestimmten Ausmaßes nicht klar zutage tritt.
Dessen ungeachtet ist aber der Begriff der "wesentlichen Betriebsmittel", der für diese Beurteilung maßgeblich ist, auch in diesem Fall nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beim freien Dienstnehmer zu beurteilen: Grundsätzlich wird ein Betriebsmittel dann für seine (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich sein, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, welches für die konkret in Rede stehende Tätigkeit des freien Dienstnehmers wesentlich ist.
Bezogen auf den in der Literatur kontrovers diskutierten - hier vorliegenden - Fall der Verwendung eines eigenen PKW bzw. Fahrrades durch einen freien Dienstnehmer, dessen Tätigkeit in der Verrichtung von Botendiensten besteht, ist nach dem Gesagten wie folgt zu unterscheiden: Soweit es sich etwa um ein Personenkraftfahrzeug handelt, welches seiner Art nach nicht von vornherein in erster Linie zur betrieblichen Verwendung bestimmt ist, führt der Umstand allein, dass der Auftraggeber (hier: der Beschwerdeführer) die Verwendung des eigenen Transportmittels von seinen Boten verlangt, noch nicht dazu, dass ein solches Kraftfahrzeug (bzw. das Fahrrad) zum wesentlichen Betriebsmittel des Boten wird. Anders wäre der Fall hingegen zu beurteilen, wenn z. B. der freie Dienstnehmer entweder für seine Tätigkeit einen Lieferwagen angeschafft hätte (was hier nicht der Fall ist) oder aber wenn er seinen auch dem privaten Gebrauch dienenden Personenkraftwagen durch Aufnahme in das Betriebsvermögen ausdrücklich auch einer unternehmerischen Verwendung als Betriebsmittel gewidmet hätte.
Sollten sich die für die Ausübung der gegenständlichen Tätigkeit erforderlichen Betriebsmittel, nämlich das Fahrrad bzw. der PKW des Erstmitbeteiligten, als wesentliche Betriebsmittel des Erstmitbeteiligten im Sinne des Vorstehenden erweisen, dann käme dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Rücksäcke (wobei nach den Feststellungen der belangten Behörde keine Verpflichtung bestand, diese Rucksäcke tatsächlich zu verwenden) und auch (manchen Boten) Mobiltelefone zur Verfügung gestellt hat, keine entscheidende Bedeutung mehr zu, weil es sich dabei bloß um Hilfsmittel untergeordneter Bedeutung handelt.
Die jeweils zuzustellenden Waren stellen entgegen der Auffassung der belangten Behörde keinesfalls Betriebsmittel dar. Es handelt sich dabei vielmehr um Gegenstände, auf die sich die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten (Beförderung und Zustellung) bezogen hat, nicht aber um Betriebsmittel, mit deren Hilfe er diese Tätigkeit ausgeübt hat.
Nach den obigen Ausführungen steht somit nicht fest, ob die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG im Hinblick auf die verwendeten Betriebsmittel erfüllt sind. Da die belangte Behörde aufgrund einer anderen Rechtsauffassung wesentliche Feststellungen nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
Wien, am 23. Jänner 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080223.X00Im RIS seit
27.02.2008Zuletzt aktualisiert am
14.10.2014