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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des AJ in P, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom 29. März 2006, Zl. Senat-BL-05-2009, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. März 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 29. Oktober 2004 als Arbeitgeber entgegen § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zwei näher umschriebene slowakische Arbeitskräfte als Arbeitnehmer beschäftigt, für die weder eine (gültige) Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigenbestätigung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe dadurch zwei Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG begangen. Es wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je einem Tag) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde Folgendes aus:
"Auf Basis des durchgeführten Beweisverfahrens geht die Berufungsbehörde davon aus, dass die beiden slowakischen Staatsangehörigen für den Berufungswerber auf dem im Straferkenntnis genannten Ort eine Fassade herstellen sollten, wobei seitens des MH das benötigte Material ebenfalls in der Slowakischen Republik angekauft - allerdings vom Berufungswerber bezahlt - und zur Baustelle verbracht wurde, sowie die Tätigkeit vor Ort offenbar basierend auf den Vorstellungen des Berufungswerbers von MH organisiert und koordiniert wurde. Die entsprechende Vereinbarung zur Durchführung der Arbeiten hat der Berufungswerber ebenfalls nur mit MH getroffen. Bezüglich der Durchführung der Tätigkeiten ergab das Beweisverfahren sohin nicht eine selbständige Beauftragung beider im Spruch des Straferkenntnisses angeführten slowakischen Staatsangehörigen, sondern haben die beiden unter Anleitung von MH zusammengearbeitet.
Ob die in den beiden slowakischen Gewerbescheinen - dies in deutscher Übersetzung - angeführten Gewerbe auch solche der Herstellung einer Fassade miteinschließen, kann nach Ansicht der Berufungsbehörde dahingestellt bleiben, zumal zum Tatzeitpunkt unstrittig - wie es selbst dem Vorbringen des Berufungswerbers entspricht, für die beiden Ausländer ein sogenannter Anerkennungsbescheid gemäß § 373b Abs. 1 Gewerbeordnung noch nicht ausgestellt war. Die Anerkennungsbescheide für die beiden in Rede stehenden Slowaken wurden seitens des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit erst nach dem Tatzeitpunkt ausgestellt. Bei reglementierten Gewerben, für welche ein Befähigungsnachweis erforderlich ist, darf mit der Gewerbeausübung erst nach Ausstellung des Befähigungsnachweises begonnen werden, wobei gleiches für die Anerkennung derartig im Ausland erworbener Gewerbeberechtigungen zu gelten hat, weshalb eine Gewerbeausübung vorliegendenfalls erst nach Ausstellung der Bescheide durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erlaubt gewesen wäre.
Die Erstbehörde ist deshalb im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden Ausländer auf der Baustelle unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer tätig wurden, weshalb ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis anzunehmen war, welches wiederum der Bewilligungspflicht des AuslBG unterliegt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann jede Art von Arbeitsleistung Gegenstand eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses sein. Die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger ist nicht entscheidend.
Arbeitnehmerähnlichkeit ist vor allem darin zu erblicken, dass der "Arbeitnehmerähnliche" in wirtschaftlicher Abhängigkeit und demnach unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig wird. Dem organisatorischen Aspekt dieser Abhängigkeit kommt maßgebliche Bedeutung zu. Dabei ist, ohne dass alle Kriterien vollständig in jedem konkreten Einzelfall auch verwirklicht sein müssen, in methodischer Hinsicht das Gesamtbild der Tätigkeit dahingehend zu prüfen, ob diese Person durch das konkrete Rechtsverhältnis (in dem sie sich befindet) gehindert ist, ihre Arbeitskraft auch anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen. Einzelne Umstände, die für oder wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen, dürfen nicht isoliert, sondern müssen in einer Gesamtbetrachtung bewertet werden (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0236).
Erst wenn nach den Sachverhaltsfeststellungen zulässigerweise auf eine unselbständige Tätigkeit geschlossen werden darf, ist noch - bei entsprechendem Vorbringen des Beschuldigten - das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung vor BGBl. I Nr. 101/2005 (..., sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird ...) zu prüfen (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/09/0023).
Der Beschwerdeführer hatte in der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung u.a. ausgeführt, er habe für die Neuherstellung der Fassade des seinem Vater gehörenden Hauses Kostenvoranschläge eingeholt. Er habe auch einen gemeinsamen Kostenvoranschlag der beiden slowakischen Staatsangehörigen (Vater MH und Sohn RH) erhalten, der ihm aus der Slowakischen Republik übermittelt worden sei. Die Slowaken seien im Besitz slowakischer Gewerbescheine gewesen. Der Werkvertrag über die Herstellung der Fassade sei mündlich abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer habe die Herstellung einer Styroporfassade, die eine weiße Farbe mit grauen Rändern aufweisen müsse, vorgegeben. Alles andere habe er den beiden Slowaken überlassen. Es sei ein Pauschalpreis vereinbart gewesen. Die beiden seien mit Gerüst und Material vor Ort gekommen, um die Fassade herzustellen.
Der als Zeuge einvernommene MH sagte aus, er habe sich nach Kontaktaufnahme die alte Fassade und was an dieser zu machen sei angesehen und dann mit dem Beschwerdeführer mündlich vereinbart, was die Arbeiten kosten. Er wisse den Preis nicht mehr genau, vielleicht etwa EUR 2.000,--. Der Vertrag habe faktisch alles beinhaltet, also vom Aufstellen des Gerüstes bis zum Herstellen der Fassade. Das Material habe er aus der Slowakei mitgebracht, er habe den Transport organisiert, bezahlt sei es vom Beschwerdeführer worden. Der von ihm im Personenblatt ausgefüllte Betrag von EUR 10,--/m2 sei zutreffend. Täglich habe er etwa acht Stunden als Arbeitszeit auf der Baustelle verbracht. Er habe selbst entschieden, wann er und sein Sohn auf der Baustelle arbeiteten, er habe einen Schlüssel von einer Art Schuppen gehabt. Der Beschwerdeführer sei nur ein paar Mal vorbeigekommen. MH sei überzeugt gewesen, dass die slowakische Gewerbeberechtigung ausreiche, um die Arbeiten in Österreich durchführen zu dürfen. Die Bezahlung wäre zwischen ihm und seinem Sohn aufgeteilt worden, sie seien eine Familie und es komme faktisch alles in eine Kasse.
Der Zeuge RH (der Sohn von MH) gab an, bezüglich der Arbeit habe faktisch alles sein Vater erledigt. Dieser habe den Kontakt bezüglich der Durchführung der Tätigkeiten auf der Baustelle hergestellt. RH sei zwar selbständig, habe aber auf dieser Baustelle nichts zu entscheiden gehabt. Sein Vater MH habe entschieden, welche Arbeiten durchzuführen seien. Das auf der Baustelle benötigte Werkzeug hätten RH und sein Vater selbst mitgehabt. Er habe faktisch für seinen Vater gearbeitet und dieser habe ihn bezahlt. Der Beschwerdeführer sei nur fallweise auf die Baustelle gekommen und habe sich dann mit seinem Vater unterhalten.
Die belangte Behörde hat diese Aussagen nicht als unglaubwürdig gewertet. Die darin enthaltenen Sachverhaltselemente zeigen allerdings keine Beschäftigung in Form einer Arbeitnehmerähnlichkeit des MH auf. Denn mit Ausnahme jener sachlichen Vorgaben über das Aussehen der Fassade, welche Grundlage für die mündliche Vertragserrichtung waren, sind keine die zu verrichtende Arbeit bzw. den organisatorischen Aspekt ihrer Durchführung näher regelnde Anweisungen des Beschwerdeführers hervorgekommen, sondern MH war in Organisation und Durchführung des Auftrages zur Neuherstellung der gegenständlichen Fassade vom Beschwerdeführer im Wesentlichen unabhängig. Hinsichtlich MH lag daher keine Beschäftigung im Sinne des AuslBG vor. Daran kann nichts ändern, dass er nicht über im Inland ausgestellte gewerberechtliche Bescheide verfügte. Denn die Ausübung einer Tätigkeit ohne entsprechende gewerberechtliche Berechtigung mag nach der Gewerbeordnung unzulässig sein, macht aber eine nach dem AuslBG als selbständig zu wertende Tätigkeit nicht zu einer (unselbständigen) Beschäftigung.
Zwar zeigt sich angesichts der Ausgestaltung der Tätigkeit des RH eindeutig, dass dieser nicht als Selbständiger arbeitete, sondern als Arbeitnehmer seines Vaters. Diesbezüglich wäre dem Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b (iVm § 18) AuslBG (Inanspruchnahme von Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird) vorzuwerfen gewesen. Eine Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG hat der Beschwerdeführer jedoch nicht zu verantworten.
Die belangte Behörde wäre aber auch nicht dazu berechtigt gewesen, den eine Übertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG enthaltenden Spruch der Behörde erster Instanz mangels (verbaler) Anlastung der Sachverhaltselemente des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b AuslBG in den innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist liegenden Verfolgungshandlungen zu ändern, weil dies eine Auswechslung der Tat dargestellt hätte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0111).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Jänner 2008
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007090239.X00Im RIS seit
26.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008