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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 1.962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die anspruchsberechtigte Ehegattin des Beschwerdeführers hatte im zweiten Quartal 2001 im A.ö. Krankenhaus Wiener Neustadt eine ambulante Behandlung in Anspruch genommen.
2. Mit Bescheid vom 15. März 2002 schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer einen Behandlungsbeitrag-Ambulanz gem. §135a ASVG in Höhe von insgesamt € 10,90 vor.
3. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Einspruch an den Landeshauptmann von Niederösterreich, der dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom 14. Mai 2002 als unbegründet abwies und den angefochtenen Bescheid bestätigte.
4. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gem. Art144 B-VG, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.
5. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G218-221/02, G364-367/02, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß §135a ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 verfassungswidrig war.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der mündlichen Verhandlung (sollte eine solche nicht stattfinden: zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).
2. Die mündliche Verhandlung im amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zu G218-221/02 ist am 26. September 2002 durchgeführt worden. Die vorliegende Beschwerde ist bereits am 27. Mai 2002, somit vor diesem Zeitpunkt, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der mündlichen Verhandlung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten steht der Fall daher einem Anlaßfall gleich.
3. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
4. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B959.2002Dokumentnummer
JFT_09969687_02B00959_00