Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §2 Abs4 idF 2005/I/0101;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des H T in V, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 26. Jänner 2006, Zl. LGSOÖ/Abt.1/0814/005/2006, betreffend Feststellungsantrag nach § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Vöcklabruck vom 2. Jänner 2006, mit dem sein Antrag vom 13. Dezember 2005 auf Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 AuslBG keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde unter Anführung der hier relevanten Rechtsnorm § 2 Abs. 4 AuslBG und Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei Gesellschafter der in Gründung befindlichen T KEG. Zum Beweis eines tatsächlichen Einflusses desselben auf diese Gesellschaft seien ein Antrag auf Eintragung einer Kommanditerwerbsgesellschaft an das Handelsgericht Wels vom 21.11.2005 und der Gesellschaftsvertrag vom 17.11.2005 vorgelegt, sowie eine Niederschrift vor der Behörde erster Instanz vom 21.12.2005 aufgenommen worden. Diese Niederschrift habe Folgendes zum Inhalt:
"Ich, Herr T erkläre, dass ich alle anfallenden Tätigkeiten in einem Kebab-Stand ausführen werde (Pizza, Bosna, Kebab, Pommes, Reinigungsarbeiten). Dass er keine Ausbildung hat, hat seit 5 Jahren in der Türkei in einem KEBAB-Stand als unselbständig Erwerbstätiger gearbeitet. Die Gewerbeberechtigung hat Herr A und ist auch Geschäftsführer, Herr T ist beteiligt (laut Gesellschaftsvertrag) und ebenfalls Geschäftsführer. Rechtliche Angelegenheiten (Buchführung, Steuererklärung, Schriftverkehr mit Behörden) erledigt Herr A. Dienstnehmer stellt Herr A ein. Die Geschäftseinrichtung gehört Herrn A."
Die in der Berufung behaupteten sprachlichen Missverständnisse seien nicht glaubhaft, weil der als Dolmetscher agierende A österreichischer Staatsangehörige, seit 1980 in Österreich aufhältig und seit mehreren Jahren hier selbständig erwerbstätig sei und sehr gut Deutsch gesprochen habe. Dass er die Bedeutung der Worte "unselbständig erwerbstätig" oder "Geschäftsführer" nicht verstanden hätte, sei nicht glaubhaft. Die Angaben des Beschwerdeführers seien auch nicht falsch gewesen, weil er mit dem Wort "Geschäftsführer" sowohl den handelsrechtlichen als auch den gewerberechtlichen gemeint habe; letzteres sei ja richtig. Die (oben wiedergegebene) Darstellung des Beschwerdeführers, nämlich insbesondere, dass A die Geschäftseinrichtung gehöre, er die Gewerbeberechtigung inne habe, er alle rechtlichen Angelegenheiten erledige sowie Dienstnehmer einstelle, habe zur Schlussfolgerung der Behörde erster Instanz geführt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausübe. Diese Beurteilung sei auch nach Ansicht der belangten Behörde korrekt, hänge doch die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Gesellschaft völlig von A ab, der sowohl die gesamten Betriebsmittel besitze als auch die notwendige Gewerbeberechtigung inne habe. Zu diesem offenkundigen Umstand passe auch schlüssig die Aussage, dass A Dienstnehmer einstellen werde. Deshalb erscheine die Angabe in der Niederschrift glaubwürdiger als das Vorbringen in der Berufung, wonach der Beschwerdeführer diese Dienstnehmer auswählen werde.
Nach dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag sei der Beschwerdeführer als Komplementär zwar allein zur Geschäftsführung berufen, bei der Beurteilung nach § 2 Abs. 4 AuslBG sei aber der wahre wirtschaftliche Gehalt maßgebend und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes. Auf Grund der in der Niederschrift gemachten Angaben, die ein wesentlich anderes Bild vermittelten, als im Gesellschaftsvertrag dargestellt werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, lautet:
"Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des
gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25% Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden."
Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht der Beschwerdeführer darin, die belangte Behörde habe zu Unrecht keine Prognoseentscheidung vorgenommen. Selbst wenn sie der Auffassung gewesen sei, dass der Inhalt des Gesellschaftsvertrages im Moment (d.h. im Zeitpunkt der niederschriftlichen Befragung des Beschwerdeführers) dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (noch) nicht entspreche, hätte sie dennoch auf Grund der klaren Festlegung im Gesellschaftsvertrag zur Auffassung gelangen müssen, dass dies in Zukunft der Fall sein werde. Es sei nämlich ein unauflöslicher Widerspruch darin anzunehmen, dass der Beschwerdeführer keinen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben werde, obwohl der Gesellschaftsvertrag dies ausdrücklich und unmissverständlich bezwecke. A habe die Geschäftsführung gänzlich in die Hände des Beschwerdeführers gelegt. Nach der Aufnahme der Geschäftstätigkeit hätte dieser keine Möglichkeit mehr gehabt, auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen, es sei denn, der Beschwerdeführer hätte dies erlaubt und zugelassen.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde als willkürlich. Die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar, sie habe sich mit dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht auseinandergesetzt. Auch wenn die vor dem Arbeitsmarktservice Vöcklabruck aufgenommene Niederschrift dazu Anlass gebe, zu glauben, der Beschwerdeführer übe keinen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft aus, so hätte doch unter Berücksichtigung des Gesellschaftsvertrages der Schluss gezogen werden müssen, dass der Beschwerdeführer allein über die Gesellschaft bestimme. Zumindest hätte ihm diesbezüglich ein Vorhalt gemacht werden müssen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausspricht, soll die Vorschrift des § 2 Abs. 4 zweiter Satz die Umgehung des AuslBG durch Vortäuschen von Gesellschaftsverhältnissen verhindern. Im Zusammenhalt mit dem Gebot, nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes, sondern auf seinen wahren Gehalt zu sehen (§ 2 Abs. 4 erster Satz leg. cit.), bringt das Erfordernis einer "tatsächlichen" Ausübung von Gesellschafterbefugnissen nur die Voraussetzung zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht nur nach den formellen rechtlichen Gegebenheiten des (vielleicht nur vorgeschobenen) Gesellschaftsvertrages, sondern nach der wahren Absicht der Parteien wirklich als Ausfluss der Gesellschafterstellung in Verbindung mit der hiefür typischen Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung ausgeübt werden soll. Diese Voraussetzung ist nur dann zu prüfen, wenn es sich um Arbeitsleistungen handelt, die "typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden" - weshalb etwa bloße Geschäftsführungstätigkeiten nicht darunter fallen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2002, Zl. 98/09/0174, und das hg. Erkenntnis vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0131). Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass vom Beschwerdeführer Arbeitsleistungen erbracht werden sollen, die "typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden".
Bei Prüfung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes einer vorgelegten und der Arbeitsleistung eines Ausländers zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarung ist eine Prognoseentscheidung auf Grund derselben unter Einbeziehung der tatsächlich gegebenen objektiven Begleitumstände zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2002, Zl. 98/09/0175). Ein wesentlicher Einfluss des Ausländers auf die Geschäftsführung einer Gesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG kann daher etwa dann in Frage gestellt werden, wenn konkrete Umstände für eine dem Gesellschaftsvertrag zuwiderlaufende tatsächliche Praxis sprechen (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0131).
Die belangte Behörde hatte daher zutreffenderweise ihre Prognoseentscheidung nicht allein auf Grund des vorgelegten Gesellschaftsvertrages, sondern auch aufgrund der gegebenen objektiven Begleitumstände getroffen, für die der Beschwerdeführer als Antragsteller im Verfahren zur Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG im Sinne des letzten Satzes dieser Bestimmung beweispflichtig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/0175, u. a.). Diesen Nachweis, dass er einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaftsführung tatsächlich persönlich ausüben werde, konnte der Beschwerdeführer anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde durch seine Angaben nicht erbringen. Die belangte Behörde gesteht dem Beschwerdeführer ohnedies zu, dass der von ihm vorgelegte Gesellschaftsvertrag seiner äußeren Erscheinungsform nach für einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der KEG spricht. Nach dem Inhalt der mündlichen Befragung des Beschwerdeführers - der inhaltlich auch in der Beschwerde gar nicht bestritten wird - konnte die belangte Behörde aber eine Selbständigkeit des Beschwerdeführers nicht feststellen, wenn nach seinen eigenen Angaben etwa die gesamten Betriebsmittel und auch die notwendige Gewerbeberechtigung bei A verblieben waren. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Behörde hätte ihm die Diskrepanz zum Inhalt des von ihm vorgelegten Gesellschaftsvertrages vorhalten müssen, macht er nicht deutlich, welche anderslautenden Angaben er in diesem Fall gemacht hätte und zeigt damit nicht die Relevanz eines etwaigen Verfahrensfehlers der Behörde erster Instanz auf, abgesehen davon, dass ihm im Rahmen des Berufungsverfahrens Gelegenheit zum Nachtrag wesentlicher Umstände offen gestanden wäre. Eine Rechtswidrigkeit der behaupteten Art kann somit nicht erkannt werden.
Insoweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der Behörden zu bekämpfen versucht, ist ihm entgegen zu halten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2005, Zl. 2004/09/0127, und vom 17. November 2004, Zl. 2004/09/0019, mwN) die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, d.h., ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen; hingegen ist es dem Gerichtshof verwehrt, die vorgenommene Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen bzw. zu untersuchen, ob nicht auch andere Schlüsse aus den aktenkundigen Tatsachen hätten gewonnen werden können (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 = Slg. Nr. 11.894/A, Aussage aus dem nicht veröffentlichten Teil, sowie das Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 99/12/0194). Ausgehend von der in dieser Hinsicht eingeschränkten Kontrollbefugnis und den dargestellten Anforderungen an die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung vermag der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde dargelegten Überlegungen zur Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen. Von einer für den Beschwerdeführer negativen "willkürlichen" Würdigung der Ermittlungsergebnisse kann keine Rede sein.
Auf Grund der im Gesetz (§ 2 Abs. 4 AuslBG) vorgesehenen Pflicht des Antragstellers, den Nachweis zu erbringen, dass er tatsächlich persönlich einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübt, hätte der Beschwerdeführer initiativ darlegen müssen, welche Umstände für einen solchen tatsächlichen Einfluss sprechen. Da er dies nicht getan hat, kann es keine Rechtswidrigkeit darstellen, wenn die Behörde ausgehend von der Darstellung des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung das Vorliegen eines tatsächlich erheblichen Einflusses verneint hat.
Daher erweist es sich auch nicht als rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis kam, dass der Beschwerdeführer trotz seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung keinen tatsächlichen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der KEG hat und der Inhalt des vorgelegten Gesellschaftsvertrages nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt im Sinne des ersten Satzes des § 2 Abs. 4 AuslBG entspricht. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Jänner 2008
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090023.X00Im RIS seit
25.02.2008Zuletzt aktualisiert am
21.09.2011