TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/24 2004/09/0069

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Veröffentlicht am 24.01.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Februar 2004, Zl. VwSen-251009/16/Kon/Pe, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in zwei Fällen in einer Angelegenheit wegen Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Z.Z., vertreten durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Ringstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Beschäftigung des W.S. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22. Oktober 2002 wurde der Mitbeteiligte als Inhaber des Chinarestaurants "X." in G, B-Straße, schuldig erkannt, zwei namentlich genannte chinesische Staatsangehörige zumindest am 13. September 2002 im angeführten Restaurant beschäftigt zu haben, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung ausgestellt gewesen wäre, die Ausländer seien nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines gewesen, eine Anzeigebestätigung habe nicht vorgelegen.

Dadurch habe der Beschwerdeführer § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde er gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG mit Geldstrafen in Höhe von je EUR 1.450,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von je 56 Stunden) bestraft und ihm ein Beitrag zu den Verfahrenskosten auferlegt.

Die Behörde erster Instanz bezog sich in der Begründung ihres Straferkenntnisses auf die Anzeige des Zollamtes Wels vom 18. Dezember 2002, wonach im Zuge einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz am 13. Dezember 2002 im Restaurant um ca. 23.00 Uhr der chinesische Staatsangehörige W.S. bei Küchentätigkeiten (Schlichten von Lebensmittelkartons im hinteren Küchenbereich) und die chinesische Staatsangehörige C.H.H. in der Wohnung des Mitbeteiligten beim Bügeln der Tischwäsche für oben genanntes Lokal (weiße Deck- und Speiseservietten) betreten worden seien. Der Mitbeteiligte habe zum Sachverhalt angegeben, dass beide chinesischen Staatsangehörigen nicht beschäftigt worden seien. Beide seien bei ihm zu Besuch gewesen. Die Erstbehörde wertete diese Angaben sowie die Angaben der beiden chinesischen Zeugen als reine Schutzbehauptungen und ging vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses aus. W.S. selbst habe angegeben, dem Koch geholfen zu haben. Auch das Vorliegen eines Arbeitskräftebedarfs bejahte die Erstbehörde. Da der Mitbeteiligte bereits am 9. Dezember 1999 wegen illegaler Beschäftigung von drei Ausländern rechtskräftig bestraft worden sei, handle es sich um einen Wiederholungsfall, weshalb der zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG habe herangezogen werden müssen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2004 gab die belangte Behörde der Berufung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 erster Fall VStG ein. Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung auszugsweise wie folgt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Das Vorliegen einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG ist als objektiver Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung von der Strafbehörde unter Beweis zu stellen. Belastendes Indiz für den Bw - dies gilt insbesondere für Faktum 1 (unberechtigte Beschäftigung des Ausländers W.S. - ist, dass genannter Ausländer in der Küche seines Chinarestaurants angetroffen wurde und in dem der Anzeige beigeschlossenen und vom genannten Ausländer unterfertigten Personenblatt vermerkt ist, dass er seit 13.9.2002 beschäftigt ist und die tägliche Arbeitszeit von 12.00 Uhr bis 23.00 Uhr dauert.

In Bezug auf Faktum 2, in dem die unerlaubte Beschäftigung der Ausländerin C.H.H. vorgeworfen wird, stellt sich als belastend der Umstand dar, dass diese Tischwäsche (weiße Deckservietten und Speiseservietten) bügelte. Allerdings wurde sie bei dieser Tätigkeit nicht in einem Betriebsraum angetroffen, sondern in der Privatwohnung des Bw, sodass diesen in Bezug auf die Ausländerin C.H.H. nicht die Beweislast des § 28 Abs. 7 AuslBG trifft. Anzumerken ist weiters, dass die Ausländerin C.H.H. nicht im Zuge einer arbeitsmarktbehördlichen, sondern einer fremdenpolizeilichen Kontrolle bei dieser Tätigkeit angetroffen wurde.

Was den Ausländer W.S. betrifft, steht für den Unabhängigen Verwaltungssenat letztlich auch auf Grund der zeugenschaftlichen Aussagen des Amtsdirektors O. vom Zollamt Wels fest, dass der Ausländer bei Tätigkeiten in der Lokalküche angetroffen wurde. Es ist dabei letztlich unerheblich, ob es sich bei dieser Tätigkeit um das Schlichten von Schachteln handelt oder um Darreichungen von Gemüse an den Koch im Zuge einer vom Ausländer ausgeübten Hilfstätigkeit.

Aufzuzeigen ist, dass eine zeugenschaftliche Einvernahme des Ausländers W.S. in der Berufungsverhandlung, zwecks Ermittlung, ob dieser zum Tatzeitpunkt in einem Arbeitnehmerverhältnis zum Bw stand oder nicht, aus vorangeführten Gründen nicht möglich war.

Aus den zeugenschaftlich getätigten Angaben des Ausländers W.S. vor der belangten Behörde, festgehalten in der Niederschrift vom 17.9.2002, lässt sich dies nicht mit der hiefür erforderlichen Deutlichkeit entnehmen. Anzumerken ist, dass die Vernehmung des Zeugen unter Beiziehung eines Dolmetschers für die chinesische Sprache erfolgte. So enthält die zeugenschaftliche Aussage W.S. vor der belangten Behörde keine Angaben über eine Entgeltlichkeit, über eine Weisungsunterworfenheit unter dem Bw, über eine tägliche Arbeitszeit noch über sonstige Umstände, denen zufolge auf ein Arbeitnehmerverhältnis geschlossen werden könnte.

Die unerlaubte Beschäftigung des chinesischen Staatsbürgers W.S. wird von der belangten Behörde in ihren begründenden Ausführungen im Straferkenntnis nach, im Wesentlichen nur mit der Unwahrscheinlichkeit eines bloßes Besuches und einer damit verbundenen freiwilligen Hilfeleistung begründet.

Dieser Argumentation kann aber entgegengehalten werden, dass in Österreich lebende und beruflich tätige chinesische Staatsangehörige durchaus auch private Kontakte landsmannschaftlicher Art pflegen können und wohl auch werden. Im Zuge dieser landsmannschaftlichen Beziehungen kann es sohin durchaus vorkommen, dass leichter als sonst unter anderen Bevölkerungsgruppen Gastfreundschaft untereinander gewährt wird, mitunter wohl auch manchmal zum Zweck, einem nichtaufenthaltsberechtigten Chinesen kurzzeitig Unterschlupf zu gewähren.

Anders, als wenn beispielsweise ein Ausländer in Arbeitskleidung auf einer Baustelle betreten wird, kann ein in einer Küche eines Chinarestaurants angetroffener Chinese nicht mit der gleichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als Arbeitnehmer ausgemacht werden, wenngleich die Wahrscheinlichkeit hiefür sicherlich groß ist. Allerdings stellt die arbeitsmarktbehördliche Kontrolle am 13.9. im Lokal des Bw doch nur eine Momentaufnahme dar, aus der sich trotz zweifellos vorliegenden Verdachtsmomenten alleine noch nicht mit ausreichender Sicherheit eine unerlaubte Beschäftigung nachweisen lässt. Im gegenständlichen Fall hätte es hiezu einer doch zumindest einige Stunden andauernden Observation bedurft, die im Rahmen einer verdeckten Fahndung vorzunehmen gewesen wäre.

Was die Ausländerin C.H.H. betrifft, so gab diese in ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden an, mit einer Mitarbeiterin (Kellnerin) des Bw befreundet zu sein und diese besucht zu haben. Weiters gab sie an, dass sie freiwillig und offenbar als Dankesleistung für die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung Wäsche in den Wohnräumen des Bw gebügelt habe. Aus dem mit der Ausländerin C.H.H. aufgenommenen Personenblatt, lässt sich nichts besonders Belastendes für den Bw entnehmen. Die von der Ausländerin C.H.H. getätigten zeugenschaftlichen Angaben können nicht von vornherein als unglaubwürdig angesehen werden. Vor dem Hintergrund der Lebensverhältnisse der in Österreich lebenden und erwerbstätigen Chinesen können die zeugenschaftlichen Angaben der genannten Chinesin als mit der allgemeinen Lebenserfahrung im Einklang stehend erachtet werden.

Dessen ungeachtet, verkennt der Unabhängige Verwaltungssenat keineswegs das Vorliegen von Verdachtsmomenten auch in Bezug auf die Ausländerin C.H.H..

Trotzdem war es dem Unabhängigen Verwaltungssenat anhand der zur Verfügung stehenden Beweise nicht möglich eine unerlaubte Beschäftigung der beiden Ausländer als ausreichend erwiesen erachten zu können, weshalb in Befolgung des Grundsatzes in dubio pro reo hinsichtlich beider Fakten wie im Spruch zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 28a Abs. 1 AuslBG erhobene Amtsbeschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbaren § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall - sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist - immer in der Sache selbst zu entscheiden und ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Dies bedeutet, dass sich die Berufungsbehörde mit der vorliegenden Verwaltungssache grundsätzlich in der gleichen Weise wie die im Instanzenzug untergeordnete Behörde zu befassen hat, wobei Verfahrensgegenstand die Sache ist, die der untergeordneten Behörde vorgelegen ist (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, zu § 66 AVG in E 109 dargestellte hg. Rechtsprechung).

Gemäß dem ebenfalls nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dabei ist die Behörde verpflichtet, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im Einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht, sondern hindern im Falle seiner Anrufung auch den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl. 2005/09/0007).

Der angefochtene Bescheid erfüllt, wie der beschwerdeführende Bundesminister hinsichtlich des Vorwurfes der Beschäftigung des W.S. im Ergebnis zutreffend geltend macht, diese Kriterien nicht. Eine bloße Auseinandersetzung mit der Argumentation der Erstbehörde und die Hinterfragung ihrer Beweiswürdigung reicht für die Annahme einer "Entscheidung in der Sache" nicht aus.

Die belangte Behörde hat es hinsichtlich des Vorwurfes der Beschäftigung des W.S. unterlassen, sich mit den diesbezüglichen Aussagen des Amtsdirektor O auseinander zu setzen, der nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ausgesagt hatte, W.S. habe ihm gegenüber erklärt, der Beschwerdeführer sei sein Chef und er habe seit Mittag im Lokal gearbeitet. Der belangte unabhängige Verwaltungssenat hätte begründen müssen, weshalb dieser Aussage kein Glauben zu schenken sei.

Es ist dem angefochtenen Bescheid auch nicht eindeutig zu entnehmen, welche Schlüsse die belangte Behörde aus der von ihr selbst dargestellten Argumentation hinsichtlich insb. der von ihr angenommenen Pflege "landsmannschaftlicher Beziehungen" gezogen hat. Angesichts dessen, dass auch die Arbeitsleistung des W.S. unstrittig feststeht und der Entscheidung der belangten Behörde auch zu Grunde gelegt wurde, hätte die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangen können und das Verfahren ohne nähere Darlegung und Würdigung der Beweisergebnisse insoferne nicht einstellen dürfen.

Hinsichtlich der C.H.H. hingegen sind aus der mündlichen Verhandlung - aber auch dem Akteninhalt - keine vergleichbaren Beweisergebnisse hinsichtlich das Vorliegen einer Beschäftigung zu ersehen. In dieser Hinsicht sind dem Akteninhalt Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienstes zu entnehmen (vgl. näher dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 2006, Zl. 2005/09/0089, und vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0153). Insoferne konnte eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides daher nicht erwiesen werden.

Daher war der angefochtene Bescheid im Umfang der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Beschäftigung des W.S. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2004090069.X00

Im RIS seit

27.02.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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