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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BauKG 1999 §10 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 16. Jänner 2007, Zl. Senat-KO-05-0035, betreffend Aufhebung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg in Angelegenheit Verwaltungsstrafverfahren nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (Mitbeteiligter: WD in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (in der Folge: BH) vom 31. Oktober 2005, Zl. KOS2-S-05802, wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und demgemäß als nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 24. November 2004 am Tatort "B GmbH, 2100 Korneuburg, J-Straße 1", als Planungskoordinator für eine näher bezeichnete Baustelle drei näher umschriebene Verpflichtungen nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) nicht eingehalten habe.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Mitbeteiligte ua. die örtliche Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz ein, weil der Sitz der mittlerweile gelöschten B GmbH nicht in Korneuburg, sondern in Wien gewesen sei.
Die belangte Behörde entschied mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung dahingehend, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der BH aufgehoben wurde; der Sitz der B GmbH sei in Wien gewesen, daher sei dort auch der Tatort gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes gestützte Amtsbeschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit mit dem Antrag, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil die belangte Behörde zu Unrecht von der Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz ausgegangen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Eine Verwaltungsübertretung ist regelmäßig als dort begangen anzusehen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, Seite 1424, Anmerkung 19 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Ist danach die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist es ungewiss, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist gemäß § 27 Abs. 2 VStG die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen hat.
Nach § 28 VStG ist die Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen ist, der nach § 27 Abs. 1 die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet.
Der Mitbeteiligte wurde als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH schuldig erkannt, dass diese als Planungskoordinator in der Vorbereitungsphase für eine Baustelle in H keinen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ausgearbeitet habe bzw. habe ausarbeiten lassen (es hätten die Angaben über das Baugelände und das Umfeld der Bauarbeiten, weiter Angaben über die Koordinierungsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen und Einrichtungen zur Beseitigung bzw. Minimierung der gegenseitigen Gefährdungen gefehlt, sowie Festlegungen, wer für die Durchführung der gemeinsamen Schutzmaßnahmen zuständig sei).
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes, BGBl. I Nr. 37/1999, in der Fassung BGBl. I Nr. 159/2001, lauten auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2.
...
(3) Baustellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Dazu zählen insbesondere folgende Arbeiten: Aushub, Erdarbeiten, Bauarbeiten im engeren Sinn, Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltungs-, Maler- und Reinigungsarbeiten, Sanierung.
(4) Vorbereitungsphase ist der Zeitraum vom Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe.
(5) Ausführungsphase ist der Zeitraum von der Auftragsvergabe bis zum Abschluß der Bauarbeiten.
(6) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Vorbereitungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Planungskoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 4 genannten Aufgaben für die Vorbereitungsphase des Bauwerks betraut wird.
(7) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Ausführungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Baustellenkoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 5 genannten Aufgaben für die Ausführungsphase des Bauwerks betraut wird.
...
Bestellung von Koordinatoren für Sicherheit und Gesundheitsschutz
§ 3. (1) Werden auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig, so hat der Bauherr einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen. Dieselbe Person kann Planungs- und Baustellenkoordinator sein. Der Bauherr kann die Aufgaben des Planungs- und Baustellenkoordinators selbst wahrnehmen, wenn er die Voraussetzungen nach Abs. 3 erfüllt.
...
(4) Die Bestellung des Planungskoordinators hat zu Beginn der Planungsarbeiten zu erfolgen. Die Bestellung des Baustellenkoordinators hat spätestens bei Auftragsvergabe zu erfolgen. Die Bestellung mehrerer Personen zu nacheinander tätigen Planungs- oder Baustellenkoordinatoren ist zulässig. Die Bestellung mehrerer Personen zu nebeneinander tätigen Planungs- oder Baustellenkoordinatoren ist nur zulässig, wenn deren Verantwortungsbereiche räumlich klar voneinander abgegrenzt sind.
Vorbereitung des Bauprojekts
§ 4.
...
(2) Der Planungskoordinator hat
1. die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG bei Entwurf, Ausführungsplanung und Vorbereitung des Bauprojekts zu koordinieren,
2. einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan gemäß § 7 auszuarbeiten oder ausarbeiten zu lassen,
3. darauf zu achten, daß der Bauherr oder der Projektleiter, wenn ein solcher eingesetzt ist, den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan berücksichtigt,
4. eine Unterlage für spätere Arbeiten gemäß § 8 zusammenzustellen,
5. darauf zu achten, daß der Bauherr oder der Projektleiter, wenn ein solcher eingesetzt ist, die Unterlage gemäß § 8 berücksichtigt.
Strafbestimmungen
§ 10. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7 260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14 530 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer
...
3. als Planungskoordinator seine Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 verletzt, ..."
Als Geschäftsführer der B GmbH (Planungskoordinator) war der Mitbeteiligte mit den Aufgaben für die Vorbereitungsphase des Bauwerks betraut und diese endete mit der Auftragsvergabe. Die Ausführungsphase beginnend mit der Auftragsvergabe fällt in den Verantwortungsbereich des Baustellenkoordinators.
Eine Baustelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist gemäß § 2 Abs. 3 BauKG eine zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustelle, an der Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Eine solche Baustelle wird regelmäßig erst dann bestehen, wenn die Auftragsvergabe bereits erfolgt ist. Wenn daher ein Fehlverhalten bzw. eine rechtswidrige Unterlassung als Planungskoordinator bei der Ausarbeitung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes zur Last liegt, dann ist bei diesem Vorwurf der Ort der Begehung nicht die "Baustelle", die erst einzurichten ist.
Demnach wäre die Annahme eines solchen Tatortes für einen Planungskoordinator von vorne herein rechtswidrig, was der Strafbehörde erster Instanz bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ohne weiteres erkennbar sein musste.
Aus dem Inhalt der Verwaltungsakten ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Unternehmensleitung tatsächlich nicht an dem im Firmenbuch ausgewiesenen Sitz der B GmbH in W (der der Behörde erster Instanz durch den der Anzeige des Arbeitsinspektors beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch des (örtlich für Wien zuständigen) Handelsgerichtes Wien (siehe § 120 Abs. 2 Jurisdiktionsnorm) bekannt war), sondern in der Betriebsstätte in K ausgeübt worden sei und der Mitbeteiligte dort gehandelt habe oder handeln hätte sollen. Dass der meldungslegende Arbeitsinspektor die Betriebsstätte in K als Tatort angeführt hat, ist mangels näherer Begründung kein derartiger Anhaltspunkt.
Damit ist die Beurteilung der belangten Behörde, der Tatort sei in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung bezögen - dies gelte auch für in Filialen gegliederte Unternehmen - grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, an dem der Betriebsinhaber gehandelt habe oder hätte handeln sollen und dieser liege im gegenständlichen Fall in W, im Beschwerdefall nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. Jänner 2008
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007020108.X00Im RIS seit
20.03.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013