TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/28 2006/10/0249

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Veröffentlicht am 28.01.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs3 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §24 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde

1.) des Dr. MG in M und 2.) des Dr. OE in G, beide vertreten durch Dr. Walter Breitwieser, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. Oktober 2006, Zlen. VwSen- 590127/53/Ste/CR, VwSen-590128/48/Ste/CR, VwSen-590129/48/Ste/CR, VwSen-590130/50/Ste/CR, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. SH in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. Oktober 2006 wurde der mitbeteiligten Partei die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke in M, erteilt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, im Umkreis von 4 Straßenkilometern um die von der mitbeteiligten Partei in Aussicht genommene Betriebsstätte bestünden die ärztlichen Hausapotheken der beschwerdeführenden Parteien. Die Zahl der von der zu errichtenden Apotheke aus zu versorgenden Personen betrage - dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer zufolge -

5.531 Personen, wobei allfällige Einwohnergleichwerte aus touristischen Einrichtungen und Fremdennächtigungen nicht berücksichtigt worden seien. Im Umkreis von 4 Straßenkilometern um die Betriebsstätte der beantragten Apotheke (hellblaues Polygon) seien 4.167 ständige Einwohner zu berücksichtigen, außerhalb dieses Polygons 1.193 ständige Einwohner, für die die neu zu errichtende Apotheke die nächstgelegene Apotheke sei (rosa Polygon). Zusätzlich seien 34 Einwohner der Gemeinde M zu berücksichtigen, die auf Grund fehlender Geokodierung in den Zahlen der Statistik Austria und daher auch in den beiden Polygonen nicht berücksichtigt worden seien. Die 430 Personen mit Zweitwohnsitz im Versorgungsgebiet seien mit 56 Einwohnergleichwerten der neuen Apotheke zuzurechnen und die bei der P. GmbH ca. 400 Arbeitnehmer sowie die bei der B. Bau GmbH 179 Arbeitnehmer mit insgesamt 81 Einwohnergleichwerten. Die - für den Fall des Bestehens einer ärztlichen Hausapotheke nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage normierte - negative Bedarfsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 1 Apothekengesetz sei daher nicht erfüllt. Da bei Errichtung der beantragten Apotheke auch das Versorgungspotenzial anderer öffentlicher Apotheken nicht unter 5.500 Personen sinke und die übrigen Voraussetzungen für die Konzessionserteilung vorlägen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 16/2001, (ApG) ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

Ein Bedarf besteht gemäß § 10 Abs. 2 ApG nicht, wenn

1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt, oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als

5.500 betragen wird.

Gemäß § 10 Abs. 3 ApG sind zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z.1 die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der in Aussicht genommenen öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser öffentlichen Apotheke zu versorgen wein werden.

Gemäß § 10 Abs. 4 ApG sind zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 und 4 weniger als 5.500, sind nach § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

Die beschwerdeführenden Parteien, hausapothekenführende Ärzte im Umkreis von 4 Straßenkilometern um die von der mitbeteiligten Partei für die neue Apotheke in Aussicht genommene Betriebsstätte, wenden sich gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, die Zahl der von der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen werde mindestens 5.500 betragen. Sie bringen zunächst vor, die Zurechnung der außerhalb des 4-km-Polygons (im rosa Polygon) wohnenden Bevölkerung sei vorgenommen worden, weil die neue Apotheke für diesen Personenkreis die nächstgelegene Apotheke darstelle. Das Argument der Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke alleine reiche im Grunde des § 10 Abs. 5 ApG für die Zuordnung dieses Personenkreises aber nicht aus. Der Gesetzgeber habe nämlich im Anwendungsbereich dieser Bestimmung die Zurechnung nach mehreren Kriterien angeordnet. Damit zeigen die beschwerdeführenden Parteien jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

§ 10 Abs. 5 ApG sieht - wie dargelegt - eine Berücksichtigung von Personen bei der Bedarfsfeststellung vor, die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgen sind. "Beschäftigung", "Einrichtungen" und "Verkehr" in diesem Gebiet kommen daher - jeweils für sich - als bedarfsbegründend in Betracht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang bereits mehrmals ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2005/10/0228, und die dort zitierte Vorjudikatur), ist daher die Annahme, es würden sich Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG "auf Grund ... des Verkehrs" der nächstgelegenen Arzneimittelabgabestelle bedienen, dann gerechtfertigt, wenn dem nicht besondere Gründe entgegenstehen.

Besondere Gründe, die in diesem Sinne gegen die Annahme sprechen, die Einwohner des rosa Polygons würden sich auf Grund der Verkehrsgegebenheiten in möglichster Nähe zu ihrem Wohnsitz und daher in der nächstgelegenen neuen Apotheke der mitbeteiligten Partei mit Arzneimitteln versorgen, sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerde auch nicht dargelegt. Die Zurechnung dieser Einwohner zur neuen Apotheke ist daher im Grunde des § 10 Abs. 5 ApG nicht als rechtswidrig zu beanstanden.

Mit ihrem weiteren Vorbringen, das sich gegen die Berücksichtigung der im Versorgungsgebiet Beschäftigten als 81 Einwohnergleichwerte richtet, zeigen die beschwerdeführenden Parteien jedoch einen relevanten Mangel des angefochtenen Bescheides auf: Die belangte Behörde ist - dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer folgend - zur Auffassung gelangt, auf Grundlage einer von der Österreichischen Apothekerkammer eingeholten Studie zum Thema "Ort der zuletzt aufgesuchten Apotheke" seien 14 % der Beschäftigten der Apotheke des Betriebsstandortes zuzurechnen. Diese Studie habe nämlich ergeben, dass unter Berufstätigen 14 % zuletzt eine Apotheke in der Nähe eines Arbeitsplatzes aufgesucht hätten. 14 % der 579 im Versorgungsgebiet Beschäftigten seien daher dem Versorgungspotenzial der beantragten Apotheke als "Einwohnergleichwerte" zuzurechnen.

Der Umstand, dass 14 % der Berufstätigen im Rahmen der erwähnten Studie im April 2004 angegeben haben, zuletzt eine Apotheke in der Nähe ihres Arbeitsortes aufgesucht zu haben, bietet für sich jedoch keine taugliche Grundlage dafür, 14 % der Beschäftigten im 4-km-Polygon der neuen Apotheke dem Versorgungspotenzial dieser Apotheke als "Einwohnergleichwerte" zuzurechnen. Denn dieser Umstand besagt nichts über die entscheidende Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die durch die Befragung ermittelte Inanspruchnahme der Apotheke des Arbeitsortes der Inanspruchnahme durch eine bestimmte Anzahl ständiger Einwohner (der Maßstabfigur des § 10 ApG) entspricht. Erst auf dieser Grundlage kann aber die Anzahl jener "zu versorgenden Personen" ermittelt werden, die im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen sind (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 14. Dezember 2007 und die dort genannte Vorjudikatur).

Die Berücksichtigung von Beschäftigten wie "ständige Einwohner" iSd § 10 Abs. 3 ApG entbehrt somit der erforderlichen Grundlage. Die Zuweisung dieser Personen zum Versorgungspotenzial der neuen Apotheke der mitbeteiligten Partei beruht daher nicht auf einem mängelfreien Verfahren.

Dieser Mangel ist auch wesentlich iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, weil auf dem Boden der den angefochtenen Bescheid tragenden Annahmen das Mindestversorgungspotenzial der neuen Apotheke gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG ohne die 81 "Einwohnergleichwerte" nicht erreicht würde. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Jänner 2008

Schlagworte

Standort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006100249.X00

Im RIS seit

07.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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