TE Vfgh Beschluss 2003/3/13 V22/01 ua

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Veröffentlicht am 13.03.2003
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die antragstellende Gesellschaft betreibt ein eigenes Übertragungsnetz und versorgt in ihrer Eigenschaft als Elektrizitätsunternehmen den Stadtbereich Linz und das untere Mühlviertel. Sie stellt die auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Anträge, Teile der SystemnutzungstarifeV 2001 und der NetzbereitstellungsentgeltV 2001 und zwar

"1. a)

§1 Z. 2 litg)

b)

§2 Abs2 Netzebene 3 Netznutzungstarif für unmittelbar an die Netzebene 3 angeschlossene

Netznutzer: litd), sowie

c)

§2 Abs2 Netzebene 3 Netzverlusttarif für unmittelbar an die Netzebene 3 angeschlossene

Netznutzer: litd)

der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, Zl. 551.360/26-VIII/1/00; und

2. a)

§1 Z1 litd) und

b)

§2 Abs1 Netzbereitstellungstarif Verbraucher und (Verteil-)Netzbetreiber, die unmittelbar an die Netzebene 3 angeschlossen sind: litd)

der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der Tarife für das Netzbereitstellungsentgelt bestimmt werden, Zl. 551.360/26-VIII/l/00

als gesetzwidrig aufzuheben."

1.2. Die antragstellende Gesellschaft bringt zur Begründung der Antragslegitimation Folgendes vor:

"Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Betreiberin eines eigenen Übertragungsnetzes iSv §7 Z12 ElWOG idF BGBl Nr 143/1998, [...]. In ihrer Eigenschaft als Elektrizitätsunternehmen (iSv §7 Z20 ElWOG) versorgt sie nicht nur über eigene Mittelspannungsnetze den Stadtbereich Linz, sondern auch über ihr 110 kV-Netz (Hochspannungsnetz) das untere Mühlviertel. Das der Antragstellerin gehörige 110 kV-Netz bildet den Kernteil des 110 kV-Netzes im Großraum Linz; es dient einerseits der Abfuhr der eigenen Kraftwerksleistung sowie der Versorgung der Großabnehmer der Antragsstellerin und andererseits dem Fremdbezug und der Versorgung der Umspannwerke, welche das 10 kV- sowie 30 kV-Netz der Antragstellerin und von Weiterverteilern versorgen; es weist Übergabestellen zu den Netzen der Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich und der Verbundgesellschaft auf, worüber im Geschäftsjahr 2000 ein Fremdbezug an elektrischer Energie in der Größenordnung von ca. 1100 GWh erfolgt.

[...]

Für die Netzebenen 2 und 3 [nicht jedoch für die Netzebenen 4 bis 7] wurden die Netze der Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich, der Antragstellerin und der Elektrizitätswerk Wels Aktiengesellschaft zu einem Netzbereich, nämlich dem Bereich Oberösterreich zusammengefaßt und es wurde für diesen Bereich ein einheitlicher Systemnutzungs- sowie Netzbereitstellungstarif bestimmt.

[...]

Das Netz der Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich ist aufgrund verschiedener Umstände kostenungünstiger als das Netz der Antragstellerin. Durch die Einbeziehung beider Netze in einen einheitlichen Netzbereich werden daher Kostenunterschiede verwischt und der Wettbewerbsvorteil, den die Antragstellerin aus ihrem kostengünstigeren Netz ziehen könnte, vernichtet. Eine Analyse der Netzkosten im Gutachten des Prof. Dr. H G [...] zeigt, daß der einheitliche Netzbereich Oberösterreich für den Verbraucher eine Mehrbelastung von rund 20 % bedeutet, was für die Antragstellerin zur Folge hat, daß sie ihren Marktvorteil in diesem Ausmaß nicht lukrieren kann. Dies hat zur Folge, daß der einheitliche Netzbereich Oberösterreich das Jahresergebnis der Antragstellerin in Bezug auf die Netznutzungskosten erheblich ungünstig beeinflußt und, wie aus der beiliegenden Detaildarstellung [...] hervorgeht, die Antragstellerin mit Mehrkosten in der Höhe von rund ATS 29 Millionen belastet. Dieser Effekt wird auch durch die in §25 Abs7 ElWOG vorgesehenen Ausgleichszahlungen zwischen den betroffenen Netzbetreibern nicht neutralisiert, da diese Bestimmung zur Aufteilung der Erlöse aus der Nutzung der Netze erneut auf die 'Kostenanteile' der jeweiligen Netze abstellt und daher die Antragsstellerin aufgrund der geringeren Kosten ihres Übertragungsnetzes (im Vergleich zur Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich) auch - aliquot - geringere Erlöse als die Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich erzielt.

[...]

Der einheitliche Netzbereich Oberösterreich für die Netzebenen 2 und 3 verhindert, daß dem Tarif verursachungsgerechte Kosten zugrunde gelegt werden; und zwar deshalb, weil eben der Preisbestimmung stets die gesamten Kosten der betreffenden Netzebene eines Netzbereiches zugrunde zu legen sind und damit ein Effekt entsteht, der einer horizontalen Quersubventionierung gleichkommt.

Der für die Antragstellerin bestehende Nachteil des einheitlichen Netzbereiches Oberösterreich für die Netzebenen 2 und 3 zeigt sich auch auf der Erlösseite, weil die Netzkosten der Antragstellerin durch die angeordnete Erfassung der Gesamtkosten des Netzbereiches Oberösterreich erhöht werden, wohin gegen die Erlöse der Energie Aktiengesellschaft Oberösterreich höher ausfallen, weil deren Netzkosten, durch Einbeziehung des 'kostengünstigeren' Netzes der Antragstellerin, verringert werden.

Ferner ist zu berücksichtigen, daß der die tatsächlichen Netzkosten einebnende Systemnutzungstarif der Netzebenen 2 und 3 notwendigerweise gravierende Bedeutung für die unternehmensstrategischen Entscheidungen der Antragstellerin betreffend den Netzausbau im 110kV-Bereich hat. Jede Maßnahme eines Unternehmens hat über die Gesamtkostenerfassung Auswirkungen für das jeweils andere Unternehmen, was Rationalisierungs- und Synergiemaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren kann. Unternehmensspezifische Produktivitätsabschläge im Sinne des §25 Abs2 ElWOG idF BGBl 121/2000 bzw des gemäß §66 a Abs6 ElWOG idF BGBl 121/2000 als Bundesgesetz geltenden §23 Abs5 und 6 GrundsatzVO sind nicht angemessen bestimmbar.

Aus dem Zusammenhang der dargestellten Rechtsvorschriften und des dargestellten Sachverhaltes ergibt sich, daß die Antragstellerin als Netzbetreiberin im Sinne des §7 Z16 ElWOG gemäß §22 OÖ ElWOG verpflichtet ist, dem Netzzugangsberechtigten den Netzzugang zu ihren Systemen zu den genehmigten Allgemeinen Bedingungen und den bestimmten Systemnutzungstarifen aufgrund privatrechtlicher Verträge - abgesehen von den wenigen, gesetzlich bestimmten Ausnahmen - zu gewähren. Die Ausgestaltung der privatrechtlichen Verträge zwischen der Netzbetreiberin und dem Netzzugangsberechtigten liegt daher nicht mehr in der freien Dispositionsmacht der Antragstellerin als Eigentümerin des Netzes. Insofern wird die Antragstellerin in der Ausübung ihrer Rechte als Eigentümerin der Netzanlage beschränkt. Die Antragstellerin als Netzbetreiberin ist aber auch nicht frei, das Entgelt für den Netzzugang zu bestimmen. Denn §25 ElWOG sieht für die Gestaltung des Systemnutzungstarifes ein Preisregelungssystem vor, welches sich neben §25 ElWOG auf die gemäß §66 a Abs6 in den Gesetzesrang gehobene Grundsatzverordnung des Bundeswirtschaftsministers sowie die durch die Antragstellerin mit diesem Antrag bekämpfte SystemnutzungstarifVO und die NetzbereitstellungsentgeltVO, welche die konkreten Preisansätze beinhalten, stützen.

[...]

Darüber hinaus steht der Antragstellerin kein anderer, zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit der bekämpften Bestimmungen zur Verfügung: Würde die Antragstellerin niedrigere als die durch die bekämpften Bestimmungen festgesetzten Systemnutzungstarife, fordern, könnte sie gemäß §62 Abs1 ElWOG hiefür bestraft werden. Der Individualantrag der Antragstellerin ist daher zulässig."

2. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erstattete eine Äußerung, in der er begehrt, die Anträge zurück- bzw. abzuweisen.

II. 1. Aus Anlass dieser Individualanträge hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Oktober 2002 vorläufig angenommen, dass die näher bezeichneten Anträge zulässig sind und von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs6 Z2, Abs7 und Abs8 und des §66a Abs6 des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, idF BGBl. I Nr. 121/2000 sowie der §§17, 18 und §21 Abs1 Z2 der im Gesetzesrang stehenden Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Festlegung der Grundsätze, die bei der Bestimmung des Systemnutzungstarifes angewendet werden, BGBl. II Nr. 51/1999, idF BGBl. I Nr. 121/2000 (§66a Abs6), eingeleitet.

2. Mit Beschluss vom 13. März 2003, G351,352/02, hat der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs6 Z2, Abs7 und Abs8 und des §66a Abs6 des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, idF BGBl. I Nr. 121/2000 sowie der §§17, 18 und §21 Abs1 Z2 der im Gesetzesrang stehenden Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Festlegung der Grundsätze, die bei der Bestimmung des Systemnutzungstarifes angewendet werden, BGBl. II Nr. 51/1999, idF BGBl. I Nr. 121/2000 (§66a Abs6), eingestellt.

3. Zur Zulässigkeit:

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

3.2. Da der antragstellenden Gesellschaft - wie unter Punkt II. 1. auf den Seiten 16-22 des Beschlusses vom 13. März 2003, G351,352/02 näher ausgeführt wird - seit dem 1. März 2001 mit dem Antrag auf Feststellung der Höhe der Ausgleichszahlungen gemäß §12 Abs1 BG Regulierungsbehörden, einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Energie Control GmbH in erster Instanz sowie mit einer Beschwerde gegen die Entscheidung der Energie Control Kommission in zweiter Instanz an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ein zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sind die Anträge auf Aufhebung von Verordnungsteilen unzulässig.

4. Die Anträge waren daher mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft zurückzuweisen.

5. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V22.2001

Dokumentnummer

JFT_09969687_01V00022_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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