TE Vwgh Beschluss 2008/1/29 2007/18/0866

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Veröffentlicht am 29.01.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2008/18/0108

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über den Antrag des D S in W, geboren am 11. Oktober 1974, vertreten durch D. Frank Bock, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Spengergasse 1/3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Oktober 2007, Zl. 317.248/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltsbewilligung, sowie über die Beschwerde gegen diesen Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2007 hat der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom 24. November 2006 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

2. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 5. Oktober 2007 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 23. November 2007 persönlich überreichte Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Mit der hg. Verfügung vom 28. November 2007 wurde dem Beschwerdevertreter vorgehalten, dass die Beschwerde erst nach Ablauf der gemäß § 26 VwGG sechswöchigen Frist eingebracht worden sei.

4. Mit Stellungnahme vom 11. Dezember 2007 brachte der Beschwerdeführervertreter dazu Folgendes vor:

"Der Bescheid des Bundesministeriums für Inneres wurde am 05.10.2007 zugestellt und endete die Beschwerdefrist am Freitag, den 16.11.2007.

Unsere Mitarbeiterin (C.), die für die Terminverwaltung zuständig ist, hat den Fristablauf mit 23.11.2007 in das Fristenbuch eingetragen und wurde die Beschwerde sodann am 23.11.2007 persönlich eingereicht.

Frau (C.) ist eine überaus korrekte und zuverlässige Mitarbeiterin und kam es noch nie zu Fristversäumnissen wie im gegenständlichen Fall. Auf unser Befragen wie es zu einem solchen Fristversäumnis kommen konnte, wurde erklärt, dass offensichtlich eine Woche überblättert wurde.

Es wird höflich gebeten diesen bedauerlichen Fehler entschuldigen zu wollen und die Beschwerde als rechtzeitig eingebracht zu behandeln."

II.

1. Für die Beurteilung des Charakters eines Anbringens ist sein wesentlicher Inhalt und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige Verbalformen, sondern auf den Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes, somit auf die erkennbare Absicht des Einschreiters an. Hiebei sind Parteierklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die diese abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Februar 2005, Zl. 2005/18/0029, mwN).

Unter Beachtung dieser Grundsätze besteht kein Zweifel daran, dass der Antragteller mit dem oben I.4. wiedergegebenen Vorbringen im Schreiben vom 11. Dezember 2007 begehrt, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen.

2. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen, wobei die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzung für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn höchstens ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/18/0217).

3.1. Der Beschwerdeführer hat den Wiedereinsetzungsantrag darauf gestützt, dass eine sonst immer zuverlässige Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei seines Vertreters infolge Überblätterns einer Seite im Kalender die Beschwerdefrist unrichtig eingetragen habe.

3.2. In einer Rechtsanwaltskanzlei ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt verantwortlich. Er hat selbst die entsprechende Frist festzustellen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0217, mwN).

Der Beschwerdevertreter bringt weder vor, die Frist selbst berechnet zu haben, noch seine Mitarbeiterin bei der Fristeintragung überwacht zu haben, und behauptet somit gar nicht, seinen Sorgfaltspflichten entsprochen zu haben. Schon aus diesem Grund konnte dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werden.

4. Den Beschwerdevertreter trifft darüber hinaus aber auch insofern ein über einen minderen Grad hinausgehendes Verschulden, als er anlässlich der Abfassung der Beschwerde am 22. November 2007 (Datum des Beschwerdeschriftsatzes) nicht bemerkte, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war; enthält dieser Schriftsatz doch das richtige Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides. Beim Diktat hätte dem Beschwerdevertreter daher auffallen müssen, dass die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war. Von daher ist der erst am 13. Dezember 2007 persönlich überreichte Wiedereinsetzungsantrag auch als verspätet anzusehen (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0217).

III.

Unter Zugrundelegung der unstrittig am 5. Oktober 2007 erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides erweist sich die am 23. November 2007 überreichte Beschwerde als verspätet. Da dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben wurde, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2008

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180866.X00

Im RIS seit

16.05.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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