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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des R R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. September 2007, Zl. Pers 2-R-869, betreffend Versagung der Rückzahlung von Justizverwaltungsgebühren (Prüfungsgebühr nach § 28 RAPG), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien als Präses der Rechtsanwaltsprüfungskommission wurde der Beschwerdeführer (im Einvernehmen mit der Rechtsanwaltskammer Wien) zur Rechtsanwaltsprüfung zugelassen; u. a. wurde in diesem Bescheid für das Prüfungsfach Verwaltungsrecht als besonderes Rechtsgebiet "Gewerberecht" genannt.
Im Februar 2006 überwies der Beschwerdeführer an das Oberlandesgericht Wien die Prüfungsgebühr von EUR 631,--.
Die schriftliche Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers aus öffentlichem Recht wurde von der Prüfungskommissärin mit "gerade noch bestanden" beurteilt. Nach Durchführung der mündlichen Rechtsanwaltsprüfung am 21. September 2006 beurteilte die Prüfungskommission die Rechtsanwaltsprüfung als "nicht bestanden".
Schließlich legte der Beschwerdeführer am 16. April 2007 die Rechtsanwaltsprüfung mit "sehr gutem Erfolg" ab.
In seinem "Antrag auf Erstattung der Prüfungsgebühr für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung" vom 20. August 2007 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, obwohl ihm im Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 2006 als besonderes Rechtsgebiet für die schriftliche Prüfung aus Verwaltungsrecht "Gewerberecht" genannt worden sei, sei die tatsächlich gestellte Aufgabe aus dem Fachgebiet Verwaltungsstrafrecht ohne jeden Bezug zum Gewerberecht gewesen. Gemäß § 15 zweiter Satz des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes - RAPG sei dem Prüfungswerber bezüglich der Aufgabe gemäß § 13 Z. 2 zugleich mit der Verständigung über den Zeitpunkt (§ 9) das besondere Rechtsgebiet, dem die Aufgabe entnommen sei, bekannt zu geben. § 15 zweiter Satz RAPG stelle nicht eine bloße Ordnungsvorschrift dar, sondern solle dem Prüfungswerber die Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung aus Verwaltungsrecht erleichtern. Es sei nicht auszuschließen, dass bei rechtmäßiger Abhaltung der Rechtsanwaltsprüfung das Ergebnis auf "bestanden" gelautet hätte. Das RAPG sehe für einen Verstoß gegen § 15 zweiter Satz leg. cit. kein Fehlerkalkül vor. Das Gebührenrecht unterliege dem Grundsatz der Äquivalenz der Leistungen. Eine Gebühr sei für eine Leistung des Staates zu entrichten. Erbringe der Staat die Leistung nicht, erlösche nachträglich die Gebührenpflicht. Im gegenständlichen Fall sei die staatliche Gegenleistung für die Gebühr die rechtmäßige Abhaltung der Rechtsanwaltsprüfung. Die Hypothese, wonach auch die nicht rechtmäßige Abhaltung der Rechtsanwaltsprüfung einen Gebührenanspruch auslöse, verbiete sich, weil der Prüfungswerber auf die Rechtmäßigkeit der Prüfung vertrauen können müsse. Nur eine rechtmäßige Prüfung sei fair und könne dem Gleichheitsgebot entsprechen. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften - sofern es nicht bloße Ordnungsvorschriften seien - sei bei Prüfungen besonders wichtig, wenn die Prüfungsergebnisse selbst keiner Überprüfung durch eine höhere Instanz unterlägen, wie dies bei der Rechtsanwaltsprüfung der Fall sei (kein Fehlerkalkül). Da die Abhaltung der verfahrensgegenständlichen Rechtsanwaltsprüfung offenkundig gesetzwidrig gewesen sei, sei der Gebührenanspruch des Bundes erloschen und die Gebühr folglich zu erstatten. Im gegenständlichen Fall böten sich für die beantragte Erstattung der Gebühr insbesondere zwei Rechtsgrundlagen an:
Gemäß § 30 Abs. 2 GGG seien "Justizverwaltungsgebühren" zurückzuzahlen,
1. wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet worden seien, sich aber in der Folge ergebe, dass überhaupt nichts geschuldet worden sei;
2. wenn die Gebühr vor Vornahme der Amtshandlung zu entrichten gewesen sei, ihre Vornahme jedoch unterblieben sei.
Beide Tatbestände böten eine taugliche Grundlage für die Erstattung der Gebühr.
Gemäß § 3 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Vergütungen und Gebühren für die Rechtsanwaltsprüfung und die Notariatsprüfung, BGBl. II Nr. 326/2003, sei bei Nichtzulassung zur Prüfung oder im Fall eines spätestens vor Beginn der schriftlichen Prüfung erklärten Rücktritts des Prüfungswerbers die Prüfungsgebühr zurückzuzahlen. Diese Bestimmung könne auf den vorliegenden Fall analog angewendet werden.
Sollten die dargelegten Rechtsgrundlagen auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar sein, diene das "öffentlich-rechtliche Bereicherungsrecht" als subsidiäre Grundlage für eine Rückzahlung der geleisteten Gebühr. Der Rückforderungsanspruch stütze sich somit auch auf das allgemeine öffentlich-rechtliche Bereicherungsrecht. Der Beschwerdeführer stelle daher die Anträge, den Betrag von EUR 618,-- auf dessen Konto zu überweisen, in eventu, einen Bescheid zu erlassen, mit dem das Recht auf Erstattung des Betrages von EUR 618,-- binnen 14 Tagen zugesprochen werde, in eventu, bescheidmäßig über diesen Antrag abzusprechen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesen Anträgen nicht statt. Sie begründete die Versagung im Wesentlichen damit, aus § 3 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 326/2003 ergebe sich, dass die Entrichtung der Prüfungsgebühr eine Gegenleistung für den Aufwand des Bundes darstelle, der mit der Abhaltung der Rechtsanwaltsprüfung verbunden sei. Dieser Aufwand entstehe unabhängig davon, ob einzelne Prüfungskommissäre die inhaltlichen Vorgaben des RAPG exakt einhielten oder nicht. Es könne keine Rede davon sein, dass sich im Sinn des § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG nachträglich ergeben hätte, dass überhaupt nichts geschuldet gewesen wäre, noch, dass im Sinn der Z. 2 leg. cit eine Gebühr vor einer Amtshandlung entrichtet worden sei, deren Vornahme letztlich unterblieben sei. Dem Prüfungswerber, der die Rechtswidrigkeit der Prüfung behaupte, die er nicht bestanden habe, stehe die Möglichkeit offen, über den Umweg des Antrags auf neuerliche Zulassung zu der nicht erfolgreich bestandenen Prüfung (also nicht auf Wiederholung der Prüfung) die Erlassung eines Bescheides zu erwirken, den er im Instanzenzug bis zum Verwaltungsgerichtshof bekämpfen könne.
Schließlich sei zu betonen, dass von einer Rechtswidrigkeit der durchgeführten Rechtsanwaltsprüfung keine Rede sein könne, weil die dem Beschwerdeführer tatsächlich gestellte Prüfungsaufgabe zum Verwaltungsverfahren (AVG inkl. EGVG) und zum Verwaltungsstrafverfahren gehört habe, das durch die Bekanntgabe des besonderen Rechtsgebietes nicht ausgeklammert werden sollte.
Der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides zufolge könne dieser mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten werden.
Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge brachte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid auch eine Berufung ein.
In der - ungeachtet der erhobenen Berufung und der darüber noch ausstehenden Erledigung - gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erstattung der Prüfungsgebühr, die für die Abhaltung einer gesetzmäßigen Rechtsanwaltsprüfung zu entrichten gewesen sei, verletzt; er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er bringt zur Zulässigkeit der Beschwerde vor, der verfahrenseinleitende Antrag stütze sich auf § 30 Abs. 2 GGG. Gemäß § 30 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. sei gegen Entscheidungen des zuständigen Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug sei somit erschöpft.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig, hilfsweise deren Abweisung als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt. Da der Rechtsmittelausschluss des § 30 Abs. 3 GGG schon seinem Wortlaut nach für die gegenständliche Prüfungsgebühr nicht gelte, habe die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid eingebrachte Berufung dem Bundesministerium für Justiz vorgelegt. Bis zu einer allfälligen Zurückweisung dieser Berufung sei - auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - jedenfalls der Instanzenzug noch nicht ausgeschöpft, sodass die gegenständliche Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG unzulässig sei.
Damit ist die belangte Behörde im Recht.
Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.
Gemäß § 28 Abs. 2 des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes, BGBl. Nr. 556/1985 - RAPG, haben die Prüfungswerber Prüfungsgebühren (Justizverwaltungsgebühren) zu entrichten. Nach Abs. 3 leg. cit. ist die Höhe der Vergütungen und der Prüfungsgebühren im Sinne der Abs. 1 und 2 durch Verordnung des Bundesministers für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen festzusetzen.
Eine solche Festsetzung erfolgte - beschwerdefallbezogen - durch die Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Vergütungen und Gebühren für die Rechtsanwaltsprüfung und die Notariatsprüfung, BGBl. II Nr. 326/2003.
Nach § 3 Abs. 1 leg. cit. haben die Prüfungswerber vor Einbringung des Antrags auf Zulassung zur Prüfung die dort näher bestimmte Prüfungsgebühr (Justizverwaltungsgebühr) an das zuständige Oberlandesgericht zu entrichten.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist im Fall der Wiederholung der Prüfung die Prüfungsgebühr neuerlich zu entrichten.
Nach Abs. 3 leg. cit. ist bei Nichtzulassung zur Prüfung oder im Fall eines spätestens vor Beginn der schriftlichen Prüfung bzw. der Ergänzungsprüfung erklärten Rücktritts des Prüfungswerbers die Prüfungsgebühr zurückzuzahlen.
Nach § 1 Z. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962, BGBl. Nr. 288 - GEG 1962, hat das Gericht Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.
Das GEG 1962 enthält mit Ausnahme der Vorschrift des § 8 Abs. 1 erster Satz, wonach unter anderem der Anspruch auf Rückerstattung von unrichtig berechneten Gebühren und Kosten in drei Jahren verjährt, keine Bestimmungen über die Rückerstattung oder Rückzahlung von Gebühren und Kosten, und zwar weder hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen noch hinsichtlich des anzuwendenden Verfahren noch insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit einer hiefür entscheidungsbefugten Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1990, Zl. 88/17/0182, betreffend die Rückerstattung von Gerichtskosten im Sinn des § 1 Z. 5 GEG).
So wie für das Verfahren nach den §§ 6, 7 und 9 GEG 1962 sind auch für das auf Grund eines Antrages auf Rückzahlung von Gebühren durchzuführende Verfahren weder das AVG noch die BAO anzuwenden, sondern mangels gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0163, sowie vom 8. September 1988, Zl. 88/16/0130, mwN).
Für den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung - zu dem der Vollzug des GEG 1962 zählt - besteht von Verfassungs wegen der Grundsatz, dass der administrative Instanzenzug - sofern einfachgesetzlich nichts anderes bestimmt ist - bis zum zuständigen Bundesminister geht (vgl. etwa die in Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 unter Rz. 505 ff wiedergegebene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts).
Von diesem Grundsatz Abweichendes ist im Beschwerdefall durch einfaches Gesetz nicht vorgesehen. Die in § 7 Abs. 7 GEG 1962 vorgesehene Beschränkung des administrativen Instanzenzuges betrifft ihrem Wortlaut nach nur Berichtigungsbescheide nach Abs. 3 und 4 leg. cit. Beschwerdegegenständlich ist jedoch nicht die Entscheidung über einen Berichtigungsantrag, sondern eine solche über einen Rückzahlungsantrag.
Soweit der Beschwerdeführer eine Beschränkung des administrativen Instanzenzuges aus § 30 Abs. 3 letzter Satz GGG ableitet, ist dem zweierlei entgegenzuhalten: § 30 GGG trifft Bestimmungen über die Rückzahlung von Gebühren im Sinne "dieses Gesetzes", daher von Gerichtsgebühren, nicht jedoch von Justizverwaltungsgebühren, um die es im vorliegenden Fall geht. Im systematischen Zusammenhang mit der Einhebung von Gerichtsgebühren und der in § 7 GEG vorgesehenen Zuständigkeit sieht § 30 Abs. 3 GGG vor, dass die Rückzahlung der Kostenbeamte von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Gebühr entrichtet hat, zu verfügen hat. Hält der Kostenbeamte den Rückzahlungsanspruch nicht für begründet, dann entscheidet über den Rückzahlungsantrag der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz mit Bescheid.
Abgesehen davon, dass es im Beschwerdefall nicht um die Rückerstattung von Gerichts-, sondern um jene von Justizverwaltungsgebühren geht, handelt es sich beim angefochtenen Bescheid auch nicht um einen solchen eines Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz, sondern um einen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes (als Präses der Rechtsanwaltsprüfungskommission), der gar nicht dem Regime des § 30 GGG zu unterstellen ist.
Die Beschwerde war daher von einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Jänner 2008
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007160187.X00Im RIS seit
09.06.2008Zuletzt aktualisiert am
10.11.2011