Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A S in W, geboren 1978, vertreten durch Dr. Bettina Köck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 11/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. September 2005, Zl. 238.722/7-III/12/05, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Mai 2003 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 26. Februar 2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Gambia gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach zwei erfolglosen Zustellversuchen (am 16. und 19. Mai 2003) an der aktenkundigen Zustelladresse 1070 Wien, Zollergasse 15 durch Hinterlegung beim Postamt 1070 Wien ab 20. Mai 2003 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 11. Juni 2003 Berufung. Er gab als seine Adresse "Zollergasse 15, 1070 Wien" an und behauptete, sein Rechtsmittel werde "binnen offener Frist" erhoben.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 9. Juli 2003 die verspätete Erhebung seines Rechtsmittels vor und räumte ihm die Möglichkeit ein, dazu innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen; dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 31. Juli 2003 bei der belangten Behörde (persönlich) ausgehändigt. In weiterer Folge machte der Beschwerdeführer von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 23. September 2003, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen worden war, wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0621, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. September 2005 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers vom 11. Juni 2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Mai 2003 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, an der (von der Erstbehörde) als Zustelladresse herangezogenen Anschrift 1070 Wien, Zollergasse 15, habe der als "obdachlos" gemeldete Beschwerdeführer im Zustellzeitpunkt seine Kontaktstelle (§ 19a Abs. 1 Meldegesetz 1991) gehabt; diese habe die Voraussetzungen als Abgabestelle (§ 19a Abs. 2 leg. cit.) erfüllt. Aus den Aufzeichnungen im Melderegister ergebe sich (zweifelsfrei), dass diese Anschrift ausdrücklich als Abgabestelle des Beschwerdeführers ausgewiesen sei. Derartige Melderegistereintragungen würden auf Antrag des Betreffenden erfolgen; dafür müsse er die entsprechenden Voraussetzungen behaupten und nachweisen, insbesondere die Zustimmung des Verfügungsberechtigten (dieser Kontaktstelle). Weder auf Grund des Akteninhaltes (die Anschrift 1070 Wien, Zollergasse 15, sei durchgehend die einzige ausgewiesene Zustelladresse des Beschwerdeführers) noch auf Grund eines entsprechenden Parteivorbringens (des Beschwerdeführers, etwa in Beantwortung des Verspätungsvorhaltes) sei ein Anhaltspunkt hervorgekommen, dass die genannten Voraussetzungen (des § 19a Abs. 1 und 2 MeldeG) im maßgeblichen Zustellzeitpunkt weggefallen seien. Demnach sei vom Vorliegen einer tauglichen Abgabestelle an der bezeichneten Adresse auszugehen. Vor dem Hintergrund der zugunsten von Obdachlosen im MeldeG (mit BGBl. I Nr. 28/2001) geschaffenen Möglichkeit, behördliche Schriftstücke zugestellt zu bekommen, könne an dieser Abgabestelle (Kontaktstelle) auch dann wirksam zugestellt werden, wenn der obdachlose Empfänger "von der Abgabestelle abwesend" gewesen sei, weil eine solche Abwesenheit der Regelfall sei. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass im Falle einer Kontaktstelle die Zustellung durch Hinterlegung im Sinne des § 17 ZustellG unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort des (obdachlosen) Empfängers wirksam werde und die hinterlegte Sendung mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelte. Die Regelung des § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustellG komme in solchen Fällen nicht zum Tragen, weil die rechtzeitige Kenntnisnahme von Zustellvorgängen in die Sphäre des Obdachlosen falle; dieser könne (und müsse) "steuern", wie oft und in welchen Zeitabständen er sich an seine Kontaktstelle begebe, um von allfälligen Zustellvorgängen Kenntnis zu erlangen. Im Beschwerdefall sei mangels Hinweises auf den Wegfall der Voraussetzungen einer Abgabestelle (nach § 19a MeldeG) und angesichts des unbedenklichen (vollständig ausgefüllten) Rückscheines davon auszugehen, dass der am 20. Mai 2003 am Postamt 1070 Wien hinterlegte und ab diesem Tag zur Abholung bereit gehaltene erstinstanzliche Bescheid an diesem Tag rechtswirksam zugestellt worden sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei am 3. Juni 2003 abgelaufen. Die erst am 11. Juni 2003 erhobene Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage der belangten Behörde - erwogen:
Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde hätte "den wahren Sachverhalt" ermitteln müssen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen, weil sie sich "nur auf eine ZMR-Auskunft" verlassen habe. Nach der Aktenlage hätte an einer "tauglichen Abgabestelle" gezweifelt werden müssen, weil im April 2003 ein amtliches Schriftstück von der Post mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Bundesasylamt zurückgeschickt worden sei. Neben diesen "Anhaltspunkten" (für den Zweifel an einer tauglichen Abgabestelle) hätte eine Befragung des Beschwerdeführers ergeben, dass er an der Adresse Zollergasse "so gut wie nie anwesend ist, die Wohnung einem Bekannten gehört und der Beschwerdeführer nur ganz selten in die Wohnung kommt, um dort etwas zu essen oder Kleidung zu waschen". An dieser Adresse erfolge weder ein regelmäßiger Aufenthalt (des Beschwerdeführers) noch eine "Wohnungsnahme". Die belangte Behörde hätte auch den Postboten, den Nachbarn oder "andere Zeugen" befragen müssen, ob die Adresse Zollergasse "eine taugliche Abgabestelle ist"; sie hätte danach davon ausgehen müssen, dass die Hinterlegung im Sinne des § 17 Zustellgesetz "nicht hätte erfolgen dürfen". Entgegen der Ansicht der belangten Behörde komme § 17 Abs. 3 Zustellgesetz schon zum Tragen. Nach der Judikatur (des Verwaltungsgerichtshofes) gehe durch längere Abwesenheit der Charakter einer Wohnung als Abgabestelle verloren. Der Beschwerdeführer habe - entgegen dem Anschein des § 19a Abs. 2 MeldeG - in der "Wohnung Zollergasse nie eine Abgabestelle begründet".
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
§ 1 Abs. 9 Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, bestimmt:
"Obdachlos ist, wer nirgends Unterkunft genommen hat".
§ 19a MeldeG lautet:
"Hauptwohnsitzbestätigung
§ 19a. (1) Die Meldebehörde hat einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er
1. glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und
2. im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle).
(2) Die Kontaktstelle gilt als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.
(3) Die Hauptwohnsitzbestätigung wird ungültig, wenn der Betroffene gemäß §§ 3 oder 5 bei einer Meldebehörde angemeldet wird oder wenn von einer anderen Meldebehörde eine Bestätigung gemäß Abs. 1 ausgestellt wird. § 4 Abs. 4 gilt mit der Maßgabe, dass anstelle der Abmeldung die Ungültigkeit zu bestätigen ist.
(4) Für Zwecke des 2. Abschnittes sind Bestätigungen gemäß Abs. 1 Anmeldungen und die Ungültigkeitserklärung gemäß Abs. 3 Abmeldungen gleichzuhalten.
(5) § 9 gilt für Hauptwohnsitzbestätigungen entsprechend."
§ 17 Zustellgesetz (ZustG) hat folgenden Wortlaut:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
Die mit der MeldeG-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 28, geschaffene Bestimmung des § 19a beabsichtigte, Probleme "wohnungsloser Menschen", die keinen Hauptwohnsitz nachweisen können, zu berücksichtigen bzw. zu verbessern. Die Gesetzesmaterialien (424 BlgNR 21.GP, 25) zu dieser Regelung lauten wie folgt:
"Die derzeit geltende Rechtslage bereitet Menschen ohne Unterkunft - neben den damit einhergehenden sozialen Problemen - in vielen Bereichen Schwierigkeiten, weil sie keinen Hauptwohnsitz nachweisen können. Dies scheitert in erster Linie daran, dass das Meldegesetz in jedem Fall an einer Unterkunftnahme anknüpft, die auf den tatsächlichen widmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung abstellt. Dieser liegt nur vor, wenn Räume zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen benützt werden. Zu diesen Wohnbedürfnissen zählt nicht bloß das Nächtigen, sondern auch das Sich-darin-aufhalten, das Verwahren seiner Sachen und die Möglichkeit, andere grundsätzlich hievon auszuschließen. Der von dieser Regelung betroffenen Zielgruppe fehlt die geforderte Intensität der Benützung von Räumen in dieser Weise, da die notwendigen Voraussetzungen nicht einmal dann als erfüllt angesehen werden können, wenn ihnen Vereinigungen, die sich der Unterstützung wohnungsloser Menschen widmen, Räume bloß kurzfristig zum Essen, Waschen, Kochen oder auch als Schlafgelegenheit zur Verfügung stellen.
Der vorgeschlagene § 19a trägt nun dem Umstand Rechnung, dass Obdachlosen die Anmeldemöglichkeit nach anderen Regelungen des Gesetzes zwar verwehrt bleibt, auf deren Aufenthaltsort aber dennoch die verfassungsrechtliche Begriffsbestimmung des Hauptwohnsitzes (Art. 6 Abs. 3 B-VG) zutrifft; dieser erfordert keine Unterkunftnahme nach dem Meldegesetz.
Der Nachweis der Zustimmung des für die Kontaktstelle Verfügungsberechtigten ist nicht Voraussetzung zur Erteilung der Bestätigung, sondern nur für die Geltung als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes.
Der Definition des § 1 Abs. 8 unter Voraussetzung zur Ausstellung einer Wohnsitzbestätigung entsprechend, wird deren Außerkrafttreten vorgesehen, sobald ein bislang Obdachloser in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb für länger als zwei Monate Unterkunft nimmt".
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde Ermittlungen bei der Meldebehörde und bei der Verfügungsberechtigten der Kontaktstelle angestellt. Diese Ermittlungen ergaben, dass die herangezogene Zustelladresse 1070 Wien, Zollergasse 15, eine Kontaktstelle für Obdachlose war, die über Antrag des Beschwerdeführers und mit Zustimmung der Verfügungsberechtigten als Abgabestelle in das Melderegister eingetragen wurde. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe nicht (bzw. nicht ausreichend) erhoben, ob der Beschwerdeführer an der herangezogenen Zustelladresse eine Abgabestelle hatte bzw. das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in der Zollergasse keine Abgabestelle "begründet", sind demnach unberechtigt.
War die angegebene Zustelladresse in der Zollergasse eine Kontaktstelle im Sinne des § 19a MeldeG, dann konnte sie nicht gleichzeitig die "Wohnung" des Beschwerdeführers sein, setzt die Einrichtung einer Kontaktstelle definitionsgemäß doch voraus, dass der Beschwerdeführer obdachlos ist und nirgends Unterkunft genommen hat (§ 1 Abs. 9 MeldeG). Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe an der Zustellanschrift (Zollergasse) nicht gewohnt, ist daher verfehlt.
Soweit die Beschwerde behauptet, der Beschwerdeführer habe an der Zustelladresse keine Abgabestelle gehabt, ist ihr zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer die Behauptung, die Abgabestelle in der Zollergasse aufgegeben zu haben, gegenüber den Asylbehörden nie aufgestellt hatte. Für das Vorhandensein einer Kontaktstelle ist eine ständige Anwesenheit nicht erforderlich, sondern lediglich, dass der Obdachlose diese "regelmäßig aufsucht" (vgl. § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG).
Selbst in der Berufung hatte der Beschwerdeführer die Kontaktstelle als seine Zustellanschrift bezeichnet und er war auch weiterhin an dieser Adresse gemeldet. Auch die in der Beschwerde ins Treffen geführte Rücksendung einer nicht behobenen Ladung (am 28. April 2003) ließ keinen Rückschluss auf eine Aufgabe dieser Abgabestelle zu, weil der Beschwerdeführer den Ladungstermin ungeachtet dessen wahrnahm und demnach offensichtlich vom Zustellversuch Kenntnis erlangt haben musste.
Insoweit die Beschwerde die Rechtzeitigkeit der Berufung aus § 17 Abs. 3 ZustG ableiten möchte, ist Folgendes zu erwägen:
Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht, § 17 Abs. 3 ZustG komme bei der Zustellung an einer Kontaktstelle nicht zum Tragen.
Dem schließt sich der Verwaltungsgerichtshof nicht an. § 19a Abs. 2 MeldeG sieht ausdrücklich vor, dass die Kontaktstelle eines Obdachlosen (bei Zustimmung des Verfügungsberechtigten) als Abgabestelle im Sinne des ZustG gilt. Dem Gesetzgeber musste auch bewusst sein, dass die so geschaffene Abgabestelle insofern eine Besonderheit aufweist, als das Zustellorgan den Empfänger in den seltensten - vom Zufall abgesehenen - Fällen bei Zustellversuchen an der Abgabestelle (Kontaktstelle) antreffen wird. Es war daher von vornherein abzusehen, dass die Zustellung durch Hinterlegung einer Sendung im Sinne des § 17 ZustG gerade bei derartigen Abgabestellen der Regelfall sein würde. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Teile der für eine Zustellung durch Hinterlegung in § 17 ZustG getroffenen Regelungen für Kontaktstellen nicht gelten sollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass er dies ausdrücklich zum Ausdruck bringt. Da eine solche ausdrückliche Anordnung fehlt, ist davon auszugehen, dass § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG auch bei Zustellungen an der Kontaktstelle als Abgabestelle zur Anwendung gelangt.
Dass es - wie die belangte Behörde gegenteilig argumentiert - bei Anwendung des § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG dem Obdachlosen möglich wäre, die Wirksamkeit von Zustellvorgängen durch entsprechend längere Abwesenheit von der Abgabestelle zu "steuern", vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil diese Überlegung auf jeden Inhaber einer Abgabestelle (also etwa auch einer Wohnung) zuträfe und keine Besonderheit der Kontaktstelle darstellt.
Die von der belangten Behörde eingenommene Sichtweise führte - ungeachtet der vorangehenden Ausführungen - zu einer (beträchtlichen) Verkürzung der zur Verfügung stehenden Berufungsfrist in Fällen, in denen der Obdachlose die Kontaktstelle (gerechnet ab dem Zeitpunkt der Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides beim zuständigen Postamt) erst gegen Ende der Abholfrist aufsucht und zuvor keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangen konnte. Für eine solche Benachteiligung gegenüber Empfängern anderer Abgabestellen fehlt eine sachliche Rechtfertigung.
Allerdings kann die Behörde (auch) bei Zustellung an einer Kontaktstelle grundsätzlich davon ausgehen, dass die hinterlegte Sendung (wegen Abwesenheit des Empfängers) in der Regel schon mit dem ersten Tag jener Frist, innerhalb derer sie zur Abholung beim Postamt bereitgehalten wird, als zugestellt gilt.
Eine Abwesenheit von der Kontaktstelle (Abgabestelle), die auf die Wirksamkeit der Zustellung oder den Zustellzeitpunkt - unter dem Gesichtspunkt, ob der Empfänger rechtzeitig Kenntnis von der Sendung erlangen konnte (vgl. hiezu Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage 2006, S. 370 mwN) - Einfluss haben könnte, muss längerfristig sein. Ein Obdachloser, der seine Kontaktstelle als Abgabestelle angegeben hat, hat seine längerfristige Abwesenheit von der Kontaktstelle im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG der Behörde initiativ darzulegen, sofern die Behörde diesbezüglich nicht bereits über konkrete Anhaltspunkte verfügt.
Im Beschwerdefall brachte der Beschwerdeführer eine länger dauernde Abwesenheit von seiner Kontaktstelle (Abgabestelle) in der Berufung nicht einmal vor; er behauptete lediglich, sein Rechtsmittel werde "binnen offener Frist" erhoben. Den Verspätungsvorhalt der belangten Behörde - und damit die ihm eingeräumte Gelegenheit, seine allfällige Abwesenheit darzulegen - ließ der Beschwerdeführer ungenützt (bzw. unbeantwortet).
Demnach war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 20. Mai 2003 (durch die Hinterlegung beim Postamt 1070 Wien) rechtswirksam zugestellt worden. Die erst am 11. Juni 2003 zur Post gegebene Berufung wurde daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 31. Jänner 2008
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005010809.X00Im RIS seit
06.03.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013