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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit jeweils € 1.962,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die Beschwerdeführerinnen der hg. zu B9/02 und B614/02 protokollierten Verfahren leiden seit ihrer Geburt an Mukoviszidose (cystischer Fibrose). Nach dem - im Verfahren unbestritten gebliebenen - Beschwerdevorbringen könne diese Krankheit in Tirol ausschließlich an "Cystische Fibrose-Zentren" von Landeskrankenanstalten behandelt werden. Eine einschlägig ausgestattete bzw. spezialisierte Facharztpraxis sei nicht vorhanden.
1.2. Mit Bescheiden der Tiroler Gebietskrankenkasse vom 30. Oktober 2001 bzw. vom 21. Februar 2002 wurde den Beschwerdeführerinnen ein Behandlungsbeitrag-Ambulanz gem. §135a ASVG in Höhe von S 1.000,-- (€ 72,67) bzw. von S 900,-- (€ 65,16) vorgeschrieben. Dies wurde damit begründet, daß die Beschwerdeführerinnen im 2. bzw. im 3. und 4. Quartal 2001 mehrere Male eine ambulante Behandlung (Untersuchung) in einer landesfondsfinanzierten Krankenanstalt - uzw. im LKH Innsbruck - in Anspruch genommen hätten.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen Einspruch an den Landeshauptmann von Tirol, der diese Rechtsmittel mit Bescheiden vom 21. November 2001 bzw. vom 20. März 2002 als unbegründet abwies und die erstinstanzlichen Bescheide bestätigte.
2. Gegen diese - letztinstanzlichen - Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden gem. Art144 Abs1 B-VG, worin ausschließlich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung, nämlich des §135a ASVG, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet. Die den Verfahren als beteiligte Partei beigezogene Tiroler Gebietskrankenkasse hat eine schriftliche Äußerung erstattet.
3. Mit Beschlüssen vom 29. Juni sowie vom 11. Oktober 2002 leitete der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß (ua.) dieser Beschwerden gem. Art144 Abs1 erster Satz B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §135a ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G218-221/02, G364-367/02, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß §135a ASVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2001 verfassungswidrig war.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Die belangte Behörde hat bei Erlassung der bekämpften Bescheide eine als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß die Anwendung dieser Bestimmung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nachteilig war.
Die Beschwerdeführerinnen wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB. VfSlg. 10.404/1985).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
2. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§110 Abs1 Z2 lita ASVG) nicht zuzusprechen.
3. Dies konnte gem. §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B9.2002Dokumentnummer
JFT_09969687_02B00009_00