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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §68 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. Jänner 2005, Zl. Fr-4250b-100/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 und 3 Fremdengesetz 1997 - FrG aus dem Bundesgebiet aus. Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:
Am 20. Juni 2002 habe der Beschwerdeführer bei der Österreichischen Botschaft in Ankara einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt. Mit dem daraufhin erteilten, vom 1. Juli 2002 bis 1. August 2002 gültigen Visum sei er nach Österreich eingereist und habe am 25. Juli 2002 eine österreichische Staatsangehörige geehelicht. Am 30. Juli 2002 habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin" gestellt. In der Folge habe er sich nur für kurze Zeit im selben Wohnungsverband mit seiner Ehefrau aufgehalten. Anschließend sei er zu seinem Bruder gezogen. Am 16. Dezember 2002 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers wegen des Verdachts einer "Scheinehe" vernommen worden und habe angegeben, dass es sich bei der Ehe um eine "Zweckehe" handeln würde, weil sie hohe Schulden habe und man ihr versprochen habe, für sie zu sorgen, wenn der Beschwerdeführer in Österreich bleiben könne. Am 15. Jänner 2003 sei die Staatsanwaltschaft Feldkirch um Überprüfung ersucht worden, ob ein Verfahren wegen Ehenichtigkeit bzw. falscher Beurkundung eingeleitet werden könne. "Da damalig keine weiteren Erkenntnisse mehr vorlagen und der Verdacht der Scheinehe nicht nachgewiesen werden konnte", sei dem Beschwerdeführer am 11. Februar 2003 eine bis 10. Februar 2004 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Am 15. Dezember 2003 (eingelangt am 16. Dezember 2003) habe er die Verlängerung dieser Niederlassungsbewilligung beantragt. Bei einer Kontrolle am 18. Dezember 2003 sei festgestellt worden, dass jemand anwesend gewesen sei, jedoch die Tür zur Wohnung des Beschwerdeführers nicht geöffnet habe. Bei neuerlichen Kontrollen sei in dieser Wohnung niemand angetroffen worden. Die Tochter der Ehefrau des Beschwerdeführers habe telefonisch angegeben, dass sich der Beschwerdeführer nahezu ein Jahr nicht mehr in der gegenständlichen Wohnung aufgehalten habe. Die Ehefrau selbst habe mitgeteilt, dass ihr Ehemann nur kurze Zeit im selben Wohnungsverband logiert und sich mit ihrer Tochter nicht vertragen habe. Die Ehe wäre noch aufrecht, wobei sie sich fallweise mit ihrem Ehemann treffen würde.
Am 1. April 2004 sei mitgeteilt worden, dass die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 55a Ehegesetz geschieden worden sei.
In der Folge führte die belangte Behörde wörtlich aus:
"Aufgrund dieser Umstände kommt die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, wie zuvor auch die Bezirkshauptmannschaft Bludenz, zum Schluss, dass (der Beschwerdeführer) die Ehe mit Margit W nur eingegangen ist, um sich fremdenrechtliche und ausländerbeschäftigungsrechtliche Vorteile zu verschaffen. Auch scheint kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt worden zu sein. Dies wird sogar indirekt durch die Aussagen des Rechtsvertreters bestätigt, der auch von einer Zweckehe spricht. Verstärkt wird diese Annahme auch durch den Umstand, dass der Berufungswerber nach weniger als einem Monat Aufenthalt in Österreich die Österreicherin geheiratet hat. Margit W kannte den Fremden nur von einem Lichtbild her. Schon am 3.9.2002 äußerte Margit W den Scheidungswunsch. Weiters wird die Begründung des Fremden, er sei auch wegen der zu geringen Wohnungsgröße ausgezogen in die P-Straße, als Schutzbehauptung gewertet, da die Wohnung in der B-Straße nicht kleiner war laut den Unterlagen."
Eine Vernehmung des Staatsanwaltes oder der Richterin sei nicht durchgeführt worden, weil "nicht von einer Scheinehe ausgegangen wird und der Fremde nicht ausgeführt hat, was für sonstige Erkenntnisse durch die Einvernahmen gewonnen werden könnten".
In der Folge erachtete die belangte Behörde den Ausweisungstatbestand des § 34 Abs. 1 Z 3 FrG als erfüllt. Weil der Beschwerdeführer durch das Eingehen einer Zweckehe ein Verhalten gesetzt habe, welches die Annahme rechtfertige, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels überdies der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG entgegen, weshalb auch - so die belangte Behörde im Ergebnis - der Tatbestand nach § 34 Abs. 1 Z 2 FrG (die Zitierung des § 34 Abs. 1 Z 3 in diesem Zusammenhang erfolgte offenkundig irrtümlich) erfüllt sei.
Weiters sei die Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof trat die gegen diesen Bescheid an ihn gerichtete Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit (weiterem) Beschluss vom 7. Juli 2005, B 167/05-11, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Das Eingehen einer Ehe ohne Absicht zur Führung eines Familienlebens und die Berufung auf diese Ehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels stellt gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 FrG einen Grund für die Ausweisung eines Fremden dar, wenn er sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung der Ehe gegeben waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2005, Zl. 2004/21/0135). Beruft sich ein Fremder bei Beantragung des weiteren Aufenthaltstitels trotz des diesbezüglich ausdrücklich in § 8 Abs. 4 FrG verankerten Verbots auf eine Ehe, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt wird, hat er eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des Versagungsgrundes des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG bewirkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/21/0082).
Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde jedoch durch Verletzung von Verfahrensvorschriften zu dieser rechtlichen Beurteilung gelangt. Es besteht zwar entgegen der Beschwerdemeinung keine Bindung an die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Weise, dass nicht darauf folgend bei der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels das Vorliegen von Versagungsgründen bejaht werden dürfte. Die belangte Behörde argumentierte aber hauptsächlich mit einer Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers über eine "Zweckehe", ohne diese am 16. Dezember 2002 abgegebene Aussage im Gesamtkontext zu bewerten. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sprach nämlich auch davon, dass die Ehe vollzogen worden sei, sie selbst den Beschwerdeführer zu einem Treffen gedrängt habe und dass es sich für beide um eine "Zweckehe" handle. Sie lebe zwar nicht mit dem Beschwerdeführer zusammen, besuche ihn aber fallweise in der Wohnung oder im Geschäft. Dazu kommt, dass die belangte Behörde keine klare Feststellung getroffen hat, indem sie ausführt, es "scheint" kein Familienleben geführt worden zu sein. Zur Ablehnung einer Vernehmung des Staatsanwaltes oder der Scheidungsrichterin führt sie sogar ausdrücklich aus, dass "nicht von einer Scheinehe ausgegangen wird".
Von diesen Widersprüchen abgesehen ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie ohne irgendeine Begründung dem in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Antrag auf Vernehmung eines bestimmten Zeugen zum Nachweis der Führung eines Familienlebens nicht nachgekommen ist.
Insgesamt hat sie daher den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 7. Februar 2008
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005210279.X00Im RIS seit
09.06.2008