TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/7 2006/21/0262

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Veröffentlicht am 07.02.2008
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des V, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Juli 2006, Zl. Fr 1421/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß "§ 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1" Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie damit, dass der Beschwerdeführer am 12. Mai 2004 die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin H. lediglich zu dem Zweck geschlossen habe, um für Österreich einen Aufenthaltstitel sowie eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu erhalten, dass also eine so genannte Scheinehe vorliege. Der Beschwerdeführer sei am 24. September 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser sei - letztlich rechtskräftig - gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen worden. Zugleich sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt worden. Nach der Eheschließung mit H. habe der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2004 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich" eingebracht und dem Antrag seine Heiratsurkunde beigelegt.

Am 22. Oktober 2004 habe der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - bei einer Einvernahme ausgeführt, die Ehe sei nicht vollzogen worden, der ausschließliche Heiratszweck wäre der Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung gewesen. Derzeit würde er in einer Bäckerei arbeiten. H. habe diese Aussage bestätigt.

Davon ausgehend bejahte die belangte Behörde das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, sei die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn von Art. 8 EMRK doch von vornherein nicht geplant gewesen. Der Beschwerdeführer sei formell Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG einer Österreicherin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe. Daher seien die Bestimmungen der §§ 87 und 86 FPG auf ihn anzuwenden. Der Beschwerdeführer sei jedoch kein begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, sodass die belangte Behörde zur Entscheidung zuständig sei.

Der Abschluss einer Aufenthaltsehe erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG und rechtfertige eine zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehende Gefährdungsprognose: Dieser habe nämlich die öffentliche Ordnung (das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) erheblich beeinträchtigt. Wenn er sich auch bereits bei seiner ersten Einvernahme im Oktober 2004 geständig verantwortet habe, so habe er doch "durch die Weiterführung (seiner) Arbeitstätigkeit auf der Basis der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung gelebt".

Der Beschwerdeführer halte sich seit September 2003 durchgehend in Österreich auf. Hier lebe auch sein Bruder, mit dem er nach der Einreise "für eine längere Zeit" einen gemeinsamen Haushalt unterhalten habe. Jedoch habe der Beschwerdeführer "eine besonders intensive Beziehung" zu seinem Bruder nicht erwähnt, sodass die belangte Behörde davon ausgehe, dass der gemeinsame Wohnsitz überwiegend auf finanzielle Gründe zurückzuführen gewesen sei und die Beziehung zu seinem Bruder nicht über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe. Auch sei der Beschwerdeführer in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Demgegenüber müsse allerdings berücksichtigt werden, dass er seine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung durch unrichtige Angaben und Vorlage "von rechtswidrig zustande gekommenen Dokumenten" erlangt habe. Die Aufenthaltszeit in Österreich werde auf Grund "der Täuschungs- und Umgehungshandlungen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung nicht besonders gewichtet". Auch die Integration sei auf Grund dieser Umstände deutlich geschmälert, verlange eine solche doch die Bereitschaft des Fremden, die Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates, und zwar auch die fremdenrechtlichen Bestimmungen, zu respektieren.

Die angeführten öffentlichen Interessen seien demnach höher zu werten als das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Daher würden die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG nicht als schwer wiegender beurteilt als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Allfällige Privatinteressen an einem Weiterverbleib in Österreich hätten eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen zurückzutreten. Auch "günstige Parameter" zur Übung des der Behörde eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers seien nicht erkennbar. Auf Grund der dargelegten Umstände sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren erforderlich.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 FPG entscheiden zwar - als im Verfassungsrang normierte Ausnahme zur grundsätzlichen Zuständigkeit der Sicherheitsdirektionen - über Berufungen gegen nach dem FPG ergangene Bescheide (u.a.) im Fall von begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (UVS). Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG fällt unter den Begriff "begünstigter Drittstaatsangehöriger" - soweit fallbezogen relevant - der Verwandte eines Österreichers, der sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Demnach setzt die Zuständigkeit des UVS in Bezug auf solche begünstigte Drittstaatsangehörige jedenfalls voraus, dass der österreichische Angehörige sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Nach der Aktenlage bestehen aber keine Anhaltspunkte, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers diese Voraussetzung erfüllen würde. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, dass sie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hätte. Soweit die Beschwerde unter Gleichheitsgesichtspunkten eine Verfassungswidrigkeit zu erkennen glaubt bzw. eine verfassungskonforme Auslegung fordert, genügt es - im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Zuständigkeitsfrage - einerseits auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2006, G 26/06 u.a., und andererseits auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0119, zu verweisen. Am Maßstab dieser Entscheidungen und der dort vorgenommenen Auslegung der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde aber ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde zu Recht in Anspruch genommen (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0179, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0106). In der Beschwerde angesprochene Fragen des Gemeinschaftsrechtes stellen sich aber in diesem Zusammenhang nicht.

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Bestimmungen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn Letztere ihr (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde. So führen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FPG (952 BlgNR 22. GP 99) aus, dass dieses Aufenthaltsverbot Fremde betrifft, "die eine Ehe nur deshalb abgeschlossen haben, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese zu berufen, ohne ein Eheleben zu führen". Der Abschluss einer Aufenthaltsehe wurde daher von der belangten Behörde rechtsrichtig als Grundlage des verhängten Aufenthaltsverbotes herangezogen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0352, mwN der Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Beschwerdeführer bestreitet eine von ihm ausgehende Gefährdung und verweist darauf, dass er sich geständig verantwortet habe, er bei Eingehen der Scheinehe keine Vermögensleistung an H. erbracht habe, er sein "Fehlverhalten zutiefst bereue" und dass er sich während seines Aufenthaltes "keiner strafrechtlichen Delikte schuldig gemacht" habe.

Hieraus ist für seinen Standpunkt jedoch nichts zu gewinnen:

Das "Geständnis" und die - unbewiesene - Behauptung des Beschwerdeführers, dass er den Abschluss der ihm zur Last gelegten Scheinehe nunmehr zutiefst bereue, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet hat und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihm die Rechtswidrigkeit seines Handelns nicht zumindest schon dann bewusst gewesen wäre, als er sich unter Berufung auf die Scheinehe um die Erlangung eines Aufenthaltstitels bemühte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0031). Die Leistung eines Vermögensvorteils wird in der von der belangten Behörde zutreffend als Orientierungsmaßstab herangezogenen Bestimmung des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (vgl. § 125 Abs. 1 FPG) nicht gefordert. Ebenso vermag der in der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nach dem dargestellten Fehlverhalten keiner weiteren strafbaren Handlungen schuldig gemacht habe, an der Wertung der verpönten Scheinehe nichts zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 2004, Zl. 2004/21/0182).

Zur Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG bringt der Beschwerdeführer vor, dass er im gemeinsamen Haushalt mit seinem in Österreich lebenden Bruder wohne, berufstätig sei und dadurch den Lebensunterhalt auch für seine im Heimatstaat (Serbien) aufhältige Mutter verdiene.

Dem ist zu entgegnen, dass schon die belangte Behörde im Rahmen der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG diese Umstände im Wesentlichen berücksichtigt und im Ergebnis richtig gewichtet hat. Im Hinblick darauf, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in weiten Teilen auf seinem oben dargestellten rechtsmissbräuchlichen Verhalten beruht, sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit ableitbaren Interessen jedoch wesentlich zu relativieren. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelenden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung dieses im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG, jeweils iVm § 60 Abs. 6 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch die Übung des Ermessens durch die belangte Behörde ist nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 7. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210262.X00

Im RIS seit

07.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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