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41/02 Asylrecht;Norm
FrPolG 2005 §61 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. November 2006, Zl. 2 FR 130/2000, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung verwies sie darauf, dass der im Jahr 1991 in das österreichische Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer bereits mit Urteil des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 13. Jänner 1999 wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sei.
Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am 2. Mai 2003 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida gemäß § 156 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens des schweren Betruges, teils durch Unterlassen, gemäß den §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB - nämlich zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten (davon 13 Monate bedingt nachgesehen) - erfolgt.
Der Beschwerdeführer habe zwischen 21. November 2000 und Anfang 2001 einen Bestandteil seines Vermögens beiseite geschafft oder sein Vermögen sonst wirklich verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er EUR 26.331,--, die ihm von einer Versicherung nach einem Schadensfall ausbezahlt worden seien, ins Ausland verbracht und teils verbraucht und dadurch seinen Gläubigern vorenthalten habe.
Weiters habe er im März 2000 sowie am 8. Februar 2001 (näher dargestellte) Betrugsdelikte mit einem Gesamtschaden von rund EUR 2.300,-- begangen. Im Zeitraum vom 1. Jänner 2001 bis zum 30. April 2001 habe er zudem für die Auszahlung der Familienbeihilfe Verantwortliche durch Vorspiegelung seines Aufenthaltes in Österreich bzw. Nichtbekanntgabe der Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland zur Überweisung von Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträgen in der Höhe von insgesamt EUR 2.100,24 verleitet.
Auf Grund der dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das wiederholte und massive Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich, sodass sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - nach seiner Einreise im Jahr 1991 erfolglos die Gewährung von Asyl beantragt. Ihm sei jedoch (zuletzt) von der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld am 7. März 2000 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG) erteilt worden. Damals habe er in Fürstenfeld einen Imbissstand betrieben, der im Jahr 2000 einem Feuer zum Opfer gefallen sei (wofür er die genannte Versicherungssumme von EUR 26.331,-- erhalten habe). In der Folge habe er noch im Jahr 2000 seine Niederlassung in Österreich aufgegeben und sei in den Iran zurückgekehrt. Wie der Beschwerdeführer selbst bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 12. März 2003 ausgeführt habe, lebten seine gesamte Familie, also seine Frau, seine drei Kinder (Se., geboren am 18. April 1986, M., geboren am 19. April 1994, und Si., geboren am 29. Dezember 1997) sowie seine (erkrankte) Mutter nach wie vor in Teheran; in Österreich habe er keine familiären oder sonstigen Bindungen. Am 27. Dezember 2002 sei der Beschwerdeführer von Teheran aus nach Deutschland gereist, um Arbeit zu finden. Dies sei jedoch gescheitert, weil er unmittelbar bei der Einreise festgenommen worden sei (in Folge des letztlich zur Verurteilung vom 2. Mai 2003 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz führenden Haftbefehles).
Im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen im Bundesgebiet sowie die freiwillige Ausreise in den Iran im Jahr 2000 werde durch das Aufenthaltsverbot nicht in relevanter Weise in das in Österreich geführte Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Selbst wenn man einen solchen Eingriff bejahen wollte, wäre er unter Berücksichtigung der dargestellten schwer wiegenden gerichtlichen Straftaten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes, also aus im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen, im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Auch sei die Maßnahme iSd § 66 Abs. 2 FPG zulässig, weil der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2000 in Österreich "keiner Berufsausübung nachgehe" und hier auch keine Grundlagen für ein Familienleben vorlägen.
Eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers gemäß § 60 Abs. 1 FPG komme deshalb nicht in Betracht, weil von ihm eine besonders erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe. Deshalb sei auch eine günstige Prognosebeurteilung vor Ablauf einer Frist von zehn Jahren nicht möglich.
Die vom Beschwerdeführer unter dem Blickwinkel des § 61 Z. 3 FPG relevierte Möglichkeit, ihm hätte auf Grund eines zehnjährigen Wohnsitzes in Österreich bereits seit dem Jahr 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, treffe nicht zu: Der Beschwerdeführer sei nämlich nach eigenem Vorbringen schon neun Jahre nach seiner Einreise in das Bundesgebiet (im Jahr 1991) - noch im Jahr 2000 - mit seiner Familie in den Iran ausgereist. Es fehle daher schon an einem ununterbrochenen Aufenthalt von zehn Jahren, sodass ihm die Staatsbürgerschaft nicht hätte erteilt werden können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Im Hinblick auf die - auch in der Beschwerde nicht bestrittenen - rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1, zweiter Fall FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.
Durch sein dargestelltes wiederholtes Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer vor allem gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verstoßen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinen Bedenken. Auch liegt das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes ein Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte.
Gemäß § 61 Z. 3 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z. 12 bis 14 FPG bezeichneten Tatbestände verwirklichen.
Beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Sinn dieser Gesetzesstelle handelt es sich im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes jedoch nicht um die gerichtliche Verurteilung, sondern um das zu Grunde liegende Fehlverhalten. Es ist somit zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG erfüllt hat (vgl. zuletzt etwa das - zum insoweit inhaltsgleichen § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ergangene - hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2004/18/0339, mwN). Das erste Fehlverhalten, das der gerichtlichen Verurteilung vom 2. Mai 2003 zu Grunde gelegen ist und für eine Verwirklichung eines der Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG in Betracht kommt, wurde nach den unbeanstandeten Feststellungen der belangten Behörde (sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) jedoch bereits im März 2000 gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte der unstrittig im Jahr 1991 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer den für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erforderlichen zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet nicht.
§ 61 Z. 3 FPG kommt somit nicht zum Tragen.
Auch die Beurteilung der Verneinung eines unzulässigen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nach § 66 Abs. 1 FPG ist nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer auf sein Wohlverhalten während seiner langjährigen Niederlassung und den damit verbundenen ordentlichen Lebenswandel verweist, übersieht er nicht nur die eingangs wiedergegebene strafgerichtliche Verurteilung durch das Bezirksgericht Fürstenfeld, sondern auch die mehrfachen Tathandlungen, derentwegen er durch das Landesgericht für Strafsachen Graz zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Bei der übrigen vom Beschwerdeführer vermissten Klärung seines "Persönlichkeitsbildes" wird jegliche Konkretisierung dieses Vorbringens unterlassen, aus der eine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens abgeleitet werden könnte.
Die Familienangehörigen des zuletzt nicht mehr berufstätigen Beschwerdeführers leben - nach freiwilliger Beendigung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet - ausnahmslos im Iran (in Teheran). Zudem ist die in den ersten Jahren seines Aufenthaltes erreichte Integration durch die wiederholte Begehung von Straftaten relativiert. Dem nach dem Gesagten eher gering zu bewertenden Eingriff in sein Privatleben steht somit das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auch die Übung des Ermessens durch die belangte Behörde ist nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich - im Umfang des Begehrens -
auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 7. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006210388.X00Im RIS seit
07.03.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009