TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/7 2006/21/0389

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Veröffentlicht am 07.02.2008
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E19104000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E063 EG Art63 Z3 litb;
32001L0040 DrittstaatsangehörigenRückführung-RL;
AsylG 2005 §10 Abs1;
AsylG 2005 §27 Abs4;
EURallg;
FlKonv;
FrPolG 2005 §39 Abs3 Z3;
FrPolG 2005 §39 Abs3;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §54;
FrPolG 2005 §71 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §71 Abs1;
FrPolG 2005 §71;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z3;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §76;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/21/0126 E 31. März 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 8. November 2006, Zl. VwSen-400851/5/Gf/BP/CR, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: M, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH in 2552 Hirtenberg, Anton-Keller-Gasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im bekämpften Umfang (Feststellung der Anhaltung vom 3. Oktober 2006 bis zum 11. Oktober 2006 als rechtswidrig) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, seinen ersten Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste am 2. Oktober 2006 von Italien nach Österreich und stellte einen Asylantrag. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck verhängte über ihn mit Bescheid vom 3. Oktober 2006 gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft. Über den Mitbeteiligten war in Italien ein bis zum 9. August 2009 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen worden.

In Erledigung einer Schubhaftbeschwerde sprach die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aus, dass die Anhaltung des Mitbeteiligten vom 3. Oktober 2006 bis zum 11. Oktober 2006 als rechtswidrig festgestellt und im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werde. Weiters werde festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

Zur - hier gegenständlichen - teilweisen Stattgebung der Schubhaftbeschwerde führte die belangte Behörde aus, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck angesichts des bis zum Jahr 2009 gültigen Aufenthaltsverbotes in concreto zu Unrecht von der Heranziehbarkeit des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG ausgegangen sei, weil diese Bestimmung dezidiert auf § 60 FPG verweise und damit ausschließlich ein von österreichischen Behörden verhängtes Aufenthaltsverbot im Blick habe. Weiters begründete die belangte Behörde ihre - in diesem Umfang nicht beschwerdegegenständliche - abweisende Entscheidung, es sei dem Mitbeteiligten am 11. Oktober 2006 gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 Asylgesetz 2005 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen. Damit gründe sich "die Anordnung der Schubhaft zumindest seit diesem Zeitpunkt inhaltlich auf § 76 Abs. 2 Z 4 FPG", sodass seither die Schubhaft rechtmäßig sei. Im Übrigen lägen die für eine Fortsetzung der Anhaltung des Mitbeteiligten maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vor.

Gegen diesen Bescheid, soweit damit die Anhaltung des Mitbeteiligten vom 3. Oktober 2006 bis zum 11. Oktober 2006 als rechtswidrig festgestellt wurde, richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen hat:

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG kann über einen Asylwerber Schubhaft u.a. zum Zweck der Sicherung der Abschiebung dann angeordnet werden, wenn gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist.

Die Beschwerdeführerin zeigt mit dem Hinweis auf § 71 FPG einen Rechtsirrtum der belangten Behörde auf. Diese Bestimmung lautet:

"Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten

§ 71. (1) Bei Drittstaatsangehörigen, die über keinen Aufenthaltstitel verfügen, entspricht die rechtskräftige, vollstreckbare Rückführungsentscheidung eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes einer durchsetzbaren Ausweisung, wenn

1. die Rückführungsentscheidung mit der schwerwiegenden und akuten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit begründet wird und

a) auf der strafrechtlichen Verurteilung einer mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten Straftat beruht oder

b) erlassen wurde, weil begründeter Verdacht besteht, dass der Drittstaatsangehörige schwere Straftaten begangen hat oder konkrete Hinweise bestehen, dass er solche Taten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates plant, oder

2. die Rückführungsentscheidung erlassen wurde, weil der Drittstaatsangehörige gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen des Entscheidungsstaates verstoßen hat.

(2) Bei Drittstaatsangehörigen, die über einen österreichischen Aufenthaltstitel verfügen und gegen die eine Rückführungsentscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 erlassen wurde, hat die Fremdenpolizeibehörde ein Verfahren zur Entziehung des Aufenthaltstitels einzuleiten. Entzieht die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde den Aufenthaltstitel nicht, wird die Rückführungsentscheidung nicht vollstreckt. § 50 gilt.

(3) Nationale Entscheidungen gemäß den §§ 53, 54, 60 und 62 gehen Abs. 1 und 2 vor."

§ 71 Abs. 1 FPG setzt somit unter weiteren Voraussetzungen Rückführungsentscheidungen eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes einer von österreichischen Behörden verhängten Ausweisung gleich. Mit dieser Bestimmung wird die Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (RückführungsRL; Amtsblatt 2001 L 149, 34) umgesetzt (vgl. 952 BlgNR 22. GP 102).

Diese RL lautet (einschließlich ihrer Erwägungen) auszugsweise:

"DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 63 Nummer 3, auf Initiative der Französischen Republik, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments, in Erwägung nachstehender Gründe:

(3) Die Notwendigkeit der Sicherstellung einer größeren Effizienz bei der Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen sowie einer besseren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erfordert die gegenseitige Anerkennung von Rückführungsentscheidungen.

(4) Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen sollten im Einklang mit den Grundrechten erlassen werden, die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, insbesondere in deren Artikeln 3 und 8, sowie dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 garantiert sind und die sich aus den den Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungsprinzipien ergeben.

hat folgende Richtlinie erlassen:

Artikel 1

(1) Unbeschadet der Verpflichtungen, die sich aus Artikel 23 und der Anwendung von Artikel 96 des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, nachstehend 'Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen' genannt, ergeben, soll mit dieser Richtlinie die Anerkennung einer Rückführungsentscheidung ermöglicht werden, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats - nachstehend 'Entscheidungsmitgliedstaat' genannt - gegenüber einem Drittstaatsangehörigen erlassen wurde, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats  -nachstehend 'Vollstreckungsmitgliedstaat' genannt - aufhält.

(2) Jede nach Absatz 1 getroffene Entscheidung wird gemäß den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats durchgeführt.

Artikel 4

Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass der Drittstaatsangehörige nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats einen Rechtsbehelf gegen jede in Artikel 1 Absatz 2 vorgesehene Maßnahme einlegen kann.

Artikel 5

Artikel 6

Die Behörden des Entscheidungsmitgliedstaats und des Vollstreckungsmitgliedstaats nutzen jedes geeignete Mittel der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs für die Durchführung dieser Richtlinie. Der Entscheidungsmitgliedstaat übermittelt dem Vollstreckungsmitgliedstaat schnellstmöglich auf geeignetem Wege alle erforderlichen Dokumente, um die endgültige Vollstreckbarkeit der Entscheidung nachzuweisen, gegebenenfalls gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Sirene-Handbuchs.

Der Vollstreckungsmitgliedstaat prüft zuvor die Lage der betroffenen Person, um sich zu vergewissern, dass weder die einschlägigen internationalen Übereinkünfte noch die maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Vollstreckung der Rückführungsentscheidung entgegenstehen.

Der Vollstreckungsmitgliedstaat setzt den Entscheidungsmitgliedstaat von der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme in Kenntnis.

Artikel 7

…"

Die RL knüpft somit an den in Art. 63 Z 3 lit. b EG enthaltenen Begriff der "Rückführung" an ("einwanderungspolitische Maßnahmen in folgenden Bereichen …b) illegale Einwanderung und illegaler Aufenthalt, einschließlich der Rückführung solcher Personen, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten") und beinhaltet sämtliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung (Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, FPG, § 71 Anm. 1).

Im Übrigen werden auch in der Empfehlung des Rates vom 30. November 1994 bezüglich der Einführung eines Standardreisedokuments für die Rückführung von Staatsangehörigen dritter Länder (Amtsblatt 1996 C 274, 18) die Begriffe "Ausweisung" und "Rückführungsentscheidung" gleich gestellt. Es bestehen somit keine Zweifel, das gegen den Beschwerdeführer erlassene italienische Aufenthaltsverbot als Maßnahme der Aufenthaltsbeendigung zu werten und somit als Rückführungsentscheidung im Sinn des § 71 FPG zu verstehen.

Wenn nun ausdrücklich § 71 FPG im ersten Absatz eine Rückführungsentscheidung einer "durchsetzbaren Ausweisung" gleichstellt und überdies im dritten Absatz (u.a.) auf die §§ 53 und 54 FPG verweist, muss eine solche Rückführungsentscheidung unter die Tatbestandsvoraussetzung "durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54)" in § 76 Abs. 2 Z 3 FPG subsumiert werden. Es würde eine nicht notwendige "Doppelverweisung" darstellen, in den zitierten Klammerausdruck des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG zusätzlich zu den §§ 53 und 54 auch § 71 FPG aufzunehmen.

Dabei wird nicht übersehen, dass die genannte RL - wie zitiert - die Einhaltung der EMRK und der Genfer FlKonv sowie die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs nach den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates verlangt. Im vorliegenden Fall einer Anwendung des § 71 FPG auf einen Asylwerber ist aber anzumerken, dass bei einer (aus Sicht des Fremden) negativen Beendigung des Asylverfahrens die aufenthaltsbeendende Maßnahme ohnehin in einer Ausweisung nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 bestehen wird. Der Gerichtshof sieht daher insoweit für den Bereich einer (auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gestützten) Schubhaft in der Beachtung einer Rückführungsentscheidung iSd RL keinen völker-, gemeinschafts- oder verfassungsrechtlichen Verstoß, ermöglichen doch die Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG bloß grundsätzlich eine Schubhaft gegen Asylwerber, deren Verhältnismäßigkeit jedoch im Einzelfall zu prüfen ist (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Darüber hinaus stehen mit der Schubhaftbeschwerde an die unabhängigen Verwaltungssenate und den Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts Rechtsbehelfe zur Verfügung. Letztlich wird für die Schubhaft einerseits nicht gefordert, dass es mit Sicherheit zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zu einer Abschiebung kommen wird, andererseits ist die Schubhaft, auch wenn ein Fall des § 71 FPG vorliegt, aber ohnedies unzulässig, wenn Art. 8 EMRK die zu sichernde Maßnahme ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2004/21/0149). Zusammenfassend erweist sich die Anwendung des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG im vorliegenden Fall, anders als die belangte Behörde meint, nicht schon grundsätzlich als rechtswidrig, zumal die Ratio dieser Bestimmung - aus den nachfolgend zitierten ErläutRV erkennbar - in der Verhinderung eines Anreizes zur Stellung eines unberechtigten Asylantrags liegt, dem Fremde, gegen die eine Rückführungsentscheidung iSd § 71 FPG besteht, genauso unterliegen könnten wie Fremde, gegen die eine inländische aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wurde.

Hinsichtlich einer gemäß einem der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gegen Asylwerber angeordneten Schubhaft hat der Verwaltungsgerichtshof in dem schon genannten Erkenntnis Zl. 2007/21/0043 bereits klargestellt, dass die Tatbestände der Z 1, Z 2 und Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG insoweit aufeinander abgestimmt sind, als sie jeweils verschiedene Phasen des Asylverfahrens erfassen und diesen jeweils zugeordnet sind: Ist das Ausweisungsverfahren noch gar nicht eingeleitet, so greift der Tatbestand der Z 4; dieser wird nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens durch jenen der Z 2 abgelöst, an dessen Stelle wiederum - wenn es nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens auch tatsächlich zu einer durchsetzbaren Ausweisung kommt - schließlich der Tatbestand der Z 1 tritt. Insgesamt ergibt sich damit ein der Chronologie des Asylverfahrensablaufes entsprechend gestuftes Schubhaftregime.

Auch § 76 Abs. 2 Z 3 FPG ist in dieses System eingepasst. Dazu halten die ErläutRV zu § 39 Abs. 3 FPG (aaO 92) Folgendes fest:

"Abs. 3 Z 3 soll das Ausweisungsverfahren von Asylwerbern sichern, die nach Erlassung eines durchsetzbaren fremdenpolizeilichen Titels zur Aufenthaltsbeendigung einen Asylantrag stellen. Zwar kann dieser Titel nicht vollzogen werden, jedoch hat sich seit in Kraft treten der Asylgesetznovelle 2003 in der Praxis gezeigt, dass die Verhinderung von Festnahme und Schubhaft ex lege einen Anreiz geschaffen hat, offensichtlich nur um Asyl anzusuchen, um der Festnahme und in weiterer Folge der Schubhaft zu entgehen. Dies soll nunmehr verhindert werden."

Aus den zitierten Erläuterungen ergibt sich, dass der Tatbestand der Z 3 des § 76 Abs. 2 FPG - wie jener der Z 4 - die Schubhaftnahme von Asylwerbern ermöglichen soll, deren Antrag voraussichtlich nicht zu einem Erfolg führen wird. Ist das durch die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens manifestiert, so greift der Tatbestand der Z 2, der damit nicht nur Z 4, sondern im Blick auf die vergleichbare Ausgangssituation auch Z 3 ablöst.

Mit diesem Tatbestand wird somit ebenfalls - wie in § 76 Abs. 2 Z 4 FPG - auf die Phase vor der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens abgestellt. Wird ein solches eingeleitet, ist ein Rückgriff auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG - ebenso wenig wie auf dessen Z 4 (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2007/21/0043) - nicht mehr zulässig, woraus im Übrigen folgt, dass nach einer Zulassung des Asylverfahrens, die gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 zu einer Einstellung des Ausweisungsverfahrens führt, die Schubhaft auch im Grund des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG nicht mehr aufrecht erhalten werden darf.

Nach den in der Schubhaftbeschwerde unbekämpft gebliebenen, auf die Angaben des Mitbeteiligten gegründeten Feststellungen in dem die Schubhaft anordnenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck wurde das Aufenthaltsverbot gegen den Mitbeteiligten - angesichts seines illegalen Aufenthaltes in Italien - wegen Verstoßes gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen dieses Staates erlassen. Davon ausgehend wären die Voraussetzungen für eine Gleichstellung dieses Aufenthaltsverbotes mit einer durchsetzbaren Ausweisung nach § 71 Abs. 1 Z 2 FPG gegeben. In Verkennung der dargestellten Rechtslage hat sich die belangte Behörde damit nicht mehr befasst. Zum Umfang dieser - bei Schubhaftanordnung durch die Fremdenpolizeibehörde vorzunehmenden -

Prüfung sei bemerkt, dass die erforderliche Kenntnis der Begründung der Rückführungsentscheidung nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen und einer entsprechenden Kooperation mit dem anderen Mitgliedstaat bedürfen wird (vgl. Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, FPG, § 71 Anm. 3).

Dem Argument der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass diese Rechtslage dem "Souveränitätsprinzip Österreichs" widerspreche, kann nicht gefolgt werden. Ein Eingriff in die Souveränität Österreichs liegt nämlich schon deswegen nicht vor, weil in solchen Konstellationen die Schubhaft ohnedies nach inländischen Vorschriften (§§ 53, 71 und 76 FPG) vollzogen wird.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Umfang des der Schubhaftbeschwerde stattgebenden Teiles wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Wien, am 7. Februar 2008

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210389.X00

Im RIS seit

22.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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