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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/21/0520 E 7. Februar 2008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. September 2007, Zl. UVS-FRG/56/4068/2007-16, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (mitbeteiligte Partei: E), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem bekämpften Ausspruch (Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 1. März 2007 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Mitbeteiligten, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (erster Spruchpunkt). Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 FPG ausgeschlossen (zweiter Spruchpunkt). Im dritten Spruchpunkt sprach die belangte Behörde schließlich aus, gemäß § 86 Abs. 3 FPG werde dem Mitbeteiligten von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
Das Aufenthaltsverbot stützte die belangte Behörde auf drei rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen des Mitbeteiligten, zuletzt vom 29. Dezember 2006 wegen des Verbrechens der teilweise versuchten, teilweise vollendeten, gewerbsmäßig begangenen Schlepperei nach § 114 Abs. 2 und 4 erster Fall FPG und § 15 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Die Versagung des Durchsetzungsaufschubes begründete die Erstbehörde unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 FPG damit, dass der weitere Verbleib des Mitbeteiligten aufgrund der durch sein bisheriges Verhalten gezeigten negativen Einstellung zu den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Republik Österreich in hohem Maße eine Störung der öffentlichen Ordnung hervorrufe. Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sei dem Mitbeteiligten daher kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen.
Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid mit Anwaltsschriftsatz vom 28. März 2007 Berufung, in der einleitend erklärt wurde, der "genannte Bescheid wird seinem gesamten Inhalte nach wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten." Die Begründung der Berufung bezieht sich inhaltlich allerdings nur (unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen Eingriffs in das Privat- und Familienleben) auf das Aufenthaltsverbot und dem entsprechend wurde die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides lediglich dahin beantragt, dass gegen den Mitbeteiligten kein Aufenthaltsverbot, in eventu nur ein auf ein Jahr befristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde. Schließlich wurde noch ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 18. September 2007 wurde "der Berufung gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass gemäß § 86 Abs. 3 (FPG) ein gesetzlicher Durchsetzungsaufschub im Ausmaß von einem Monat erteilt wird." Nach Wiedergabe der genannten Bestimmung des FPG führte die belangte Behörde diesen Ausspruch begründend aus, entgegen der Annahme der Erstbehörde könne nicht erkannt werden, dass das besondere Erfordernis der sofortigen Ausreise des Mitbeteiligten geboten wäre, weshalb der gesetzlich grundsätzlich vorgesehene einmonatige Durchsetzungsaufschub zuzuerkennen gewesen sei.
Gegen diesen Ausspruch richtet sich die vorliegende Beschwerde der Sicherheitsdirektion Wien, in der - zusammengefasst - im Hinblick auf die Regelung des § 9 Abs. 2 erster Satz FPG die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Vornahme eines abändernden Ausspruches hinsichtlich des Durchsetzungsaufschubes bestritten wird.
Über diese Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Mitbeteiligte ist rumänischer Staatsangehöriger und demzufolge ein EWR-Bürger im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG ist (u.a.) EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Demnach hat ein der genannten Personengruppe angehörender Fremder grundsätzlich einen Anspruch auf Einräumung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes, welcher der Vorbereitung und Organisation der Ausreise dient (vgl. dazu etwa den Beschluss vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0455, mit weiteren Nachweisen).
Die Erstbehörde ist allerdings vom Vorliegen der im letzten Halbsatz des § 86 Abs. 3 FPG normierten Voraussetzungen für die ausnahmsweise Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes ausgegangen und nahm in den erstinstanzlichen Bescheid einen entsprechenden Ausspruch auf. Die belangte Behörde vertrat den gegenteiligen Standpunkt und änderte demzufolge diesen Spruchteil ab. Dafür fehlte ihr jedoch - wie die Amtsbeschwerde zu Recht aufzeigt - die Kompetenz.
Gemäß § 63 Abs. 1 AVG richten sich der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung), abgesehen von den im AVG besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften. Die Regelungen des FPG hinsichtlich des Instanzenzuges finden sich in dessen § 9; Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten.
"Berufungen
§ 9. (1) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,
1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und
2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz.
(2) Gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes ist eine Berufung nicht zulässig. Gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Abschiebungsaufschubes sowie gegen die Anordnung der Schubhaft ist weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig. Gegen die Versagung der Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist eine Berufung nicht zulässig."
Gemäß der zitierten Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 FPG war der unabhängige Verwaltungssenat somit zwar zur Entscheidung über die vom Mitbeteiligten als EWR-Bürger erhobene Berufung gegen das Aufenthaltsverbot zuständig. Hinsichtlich der Versagung des Durchsetzungsaufschubes normiert jedoch § 9 Abs. 2 erster Satz FPG ausdrücklich, dass eine Berufung unzulässig ist. Gegen einen solchen Ausspruch bleibt dem Fremden nur die Möglichkeit einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (vgl. etwa den zum insoweit inhaltsgleichen § 94 Abs. 5 Fremdengesetz 1997 ergangenen hg. Beschluss vom 22. Juni 2006, Zl. 2005/21/0394). Eine Berufung gegen einen den Durchsetzungsaufschub betreffenden Ausspruch wäre als unzulässig zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 2002/21/0113).
Diese Rechtslage wurde von der belangten Behörde verkannt. Abgesehen davon, dass sich die Berufung - ungeachtet der umfassenden Anfechtungserklärung - der Sache nach gar nicht gegen die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes richtete, war sie insoweit jedenfalls keiner meritorischen Erledigung in Form der von der belangten Behörde vorgenommenen Abänderung des diesbezüglichen Ausspruchs (im Sinne einer Gewährung des Durchsetzungsaufschubes) zugänglich.
In der Gegenschrift vertritt die belangte Behörde den Standpunkt, in § 9 Abs. 2 erster Satz FPG solle lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass gegen die Versagung, Bewilligung oder den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes für sich allein keine Berufung zulässig sei. Werde jedoch gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem über einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, "in seiner Gesamtheit" Berufung erhoben, so habe die dafür zuständige Berufungsbehörde nicht nur über das Aufenthaltsverbot, sondern zugleich auch über die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung bzw. Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes abzusprechen. Das gründe sich darauf, dass nach § 86 Abs. 3 FPG "von Amts wegen" ein Durchsetzungsaufschub zu gewähren sei, sofern dem nicht bestimmte im Gesetz angeführte Umstände entgegenstünden.
Dem kann nicht beigepflichtet werden, weil sich in dem - für die Zuständigkeit allein maßgeblichen - § 9 Abs. 2 erster Satz FPG keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass nur eine abgesonderte Berufung gegen den Ausspruch betreffend den Durchsetzungsaufschub unzulässig sein soll (vgl. demgegenüber etwa § 70 Abs. 3 AVG und dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2003/21/0023). Die Abänderung einer von der Erstbehörde ausdrücklich vorgenommenen Versagung eines Durchsetzungsaufschubes im administrativen Instanzenzug kommt vielmehr schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Betracht. Für den gegenteiligen Standpunkt lässt sich aber auch aus dem in der Gegenschrift ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092, nichts gewinnen, weil dort auf die hier erörterte Frage nicht ausdrücklich eingegangen wurde.
Der bekämpfte Bescheid war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Wien, am 7. Februar 2008
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenInstanzenzugInstanzenzug Zuständigkeit Besondere RechtsgebieteBesondere RechtsgebieteUmfang der Abänderungsbefugnis Diversessachliche ZuständigkeitMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007210405.X00Im RIS seit
06.03.2008Zuletzt aktualisiert am
23.06.2009