TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2006/15/0076

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lita;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
FamLAG 1967 §26 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak, als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der M H in N, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 30. August 2005, GZ. RV/0315-I/05, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2004 bis Dezember 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, die für ihre Tochter Patricia (geboren am 24. August 1986) für den Zeitraum Oktober 2004 bis Dezember 2004 bezogene Familienbeihilfe und den für diesen Zeitraum gewährten Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a und c EStG 1988 zurückzuzahlen. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Familienbeihilfenanspruch bestehe (u.a.) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und die für einen Beruf ausgebildet würden. Im gegenständlichen Fall bestünde kein Familienbeihilfenanspruch, weil die Tochter der Beschwerdeführerin seit 6. September 2004 als Praktikantin beschäftigt sei und diese Tätigkeit keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellen würde.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass Patricia seit 30. März 2004 in einem Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe inskribiert sei. Sie stehe dort auf einer Warteliste und habe lediglich zur Vorbereitung der Ausbildung vorübergehend eine Praktikantentätigkeit aufgenommen, wofür sie nur ein "Taschengeld" erhalte. Es liege eine "berufsspezifische Ausbildung" und kein Beschäftigungsverhältnis vor, sodass der Anspruch auf Familienbeihilfe "sowohl gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG als auch nach § 2 Abs. 6 FLAG" bestünde.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, sachverhaltsbezogen sei davon auszugehen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin am 22. Juni 2004 die Reifeprüfung bestanden habe. Seit 6. September 2004 sei sie als geringfügig Beschäftigte in einer sozialen Einrichtung (Förderung von jungen Menschen mit Körperbehinderung) beschäftigt. Patricia habe sich am 30. März 2004 um die Aufnahme in ein näher bezeichnetes Ausbildungszentrum für Gesundheitsberufe für den "Diät- und Ernährungsmedizinischen Beratungsdienst" beworben. Eine Aufnahme in das genannte Ausbildungszentrum sei jedoch nicht erfolgt. Ein Praktikum sei weder für die Aufnahme an einer Krankenpflegeschule gefordert, noch werde ein vorher absolviertes Praktikum auf die Ausbildung angerechnet. Laut Auskunft der zuständigen Personalabteilung sei die von Patricia ausgeübte Praktikantentätigkeit nahezu als freiwillige Arbeitsleistung anzusehen, welche nur auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Aspekte in geringem Ausmaß entlohnt werde. Es finde kein "berufsbegleitendes (Theorie + Praxis) Praktikum" statt. Die zu verrichtende Tätigkeit sei als Hilfstätigkeit einzustufen.

Mit dem Bestehen der Reifeprüfung habe die Tochter der Beschwerdeführerin ihre Berufsausbildung vorerst abgeschlossen. Das im September 2004 begonnene Praktikum könne nicht als Beginn einer neuen Berufsausbildung angesehen werden.

In ihrem Vorlageantrag erwiderte die Beschwerdeführerin diesen Ausführungen, die Tätigkeit sei als Berufsausbildung zu betrachten, weil Patricia zu diesem Zeitpunkt noch nicht berufstätig gewesen sei. Das Praktikum sei als "Einstieg in die Gesundheits- und Krankenpflege" geplant gewesen und sollte der Tochter das für diesen Arbeitsbereich" erforderliche Wissen vermitteln. Da sich Patricia durch ihr Praktikum in den Dienst der Allgemeinheit gestellt habe, sei die Rückforderung der Beträge zudem unbillig im Sinne des § 26 Abs. 4 FLAG 1967.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fielen unter den Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem bestimmten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt werde. Ein Praktikum falle nur dann unter diesen Begriff, wenn es z.B. eine unbedingte Voraussetzung für die Aufnahme an einer Lehranstalt darstelle. Der bloße Umstand, dass durch den Besuch des Praktikums etwa die Aufnahmechancen an einer Ausbildungseinrichtung erhöht würden, reiche nicht aus. Gegen die Annahme einer Berufsausbildung spreche im Beschwerdefall auch der Umstand, dass die Tochter der Beschwerdeführerin nur einfache Hilfstätigkeiten verrichtet habe und dass keine spezielle Ausbildung erfolgt sei. Auf die Höhe der Einkünfte komme es im gegebenen Zusammenhang nicht an, weil das primäre Anspruchserfordernis der Absolvierung einer Berufsausbildung im gegenständlichen Fall fehle.

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Bestimmung des § 26 Abs. 4 FLAG 1967 sei festzuhalten, dass die angeführte Norm die Oberbehörden ermächtige, im Zuge der Dienstaufsicht Unterbehörden anzuweisen, von der Rückforderung zu Unrecht bezogener Beihilfenbeträge abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Die belangte Behörde sei als reine Rechtsmittelbehörde zu derartigen Weisungen nicht berechtigt. Im Übrigen bestehe auf die Anwendung der gegenständlichen Bestimmung kein Rechtsanspruch und könne das Unterbleiben deren Anwendung auch nicht mit Berufung bekämpft werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG - in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 433/1996 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. November 1987, 87/13/0135, und vom 23. Oktober 1990, 87/14/0031).

Wie im Verwaltungsverfahren bringt die Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, ihre Tochter habe im streitgegenständlichen Zeitraum beabsichtigt, einen "Gesundheitsberuf" zu erlernen und sei bereits auf der Warteliste eines entsprechendes Ausbildungszentrums gestanden. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass es sich bei der gegenständlichen Praktikantentätigkeit um eine berufsspezifische Ausbildung gehandelt habe. Die Ausführungen der belangten Behörde, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin lediglich einfache Hilfstätigkeiten verrichtet habe, stellten eine unnötige Herabwürdigung der geleisteten sozialen Arbeit dar und entbehrten auch jeglicher Grundlage. Die belangte Behörde stütze sich bei ihrer Feststellung auf angebliche Erhebungen der Behörde erster Instanz, welche ihr nicht vorgehalten worden seien. Tatsächlich sei der Tochter das für die Betreuung von Pflegebedürftigen erforderliche Wissen in großem Ausmaß sowohl in praktischer als auch in theoretischer Hinsicht vermittelt worden. Auch habe Patricia an ihr angebotenen Schulungen teilgenommen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Feststellung zum Vorliegen bloßer Hilfstätigkeiten auf den schon in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes auf Grund der Auskunft der Personalabteilung als erwiesen angenommenen Sachverhalt. Die Beschwerdeführerin hat durch die Begründung der Berufungsvorentscheidung, der auch Vorhaltecharakter zukommt, Kenntnis von der Beweisaufnahme erlangt und hätte im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens, insbesondere im Vorlageantrag, entsprechende Einwendungen erheben können. In ihrem Recht auf Parteiengehör wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid somit nicht verletzt.

Davon abgesehen lässt aber auch das zur Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels erstattete Beschwerdevorbringen nicht erkennen, dass vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG auszugehen wäre. Dass das gegenständliche Praktikum darauf ausgerichtet gewesen wäre, die Tochter auf die Ergreifung eines bestimmten Berufes oder die Aufnahme in einem schulischen Lehrgang vorzubereiten, wird mit dem unbestimmten Hinweis auf einen von der Tochter angestrebten "Gesundheitsberuf" und das ihr dazu vermittelte Wissen nicht dargetan. In diesem Zusammenhang ist zudem daran zu erinnern, dass nach dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten "Inskriptionsbogen" eine Aufnahme in die "Akademie für den Diät- und Ernährungsmedizinischen Beratungsdienst" angestrebt wurde, während in der Beschwerde ausgeführt wird, die Tochter habe beabsichtigt, sich der Pflege kranker und behinderter Menschen zu widmen, wofür das Praktikum einen wertvollen Beitrag hätte leisten können.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin weiter vor, die belangte Behörde hätte mit der zuständigen Aufsichtsbehörde in Kontakt treten und sie auffordern müssen, über die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Sinne des § 26 Abs. 4 FLAG zu entscheiden.

Nach § 26 Abs. 4 leg. cit. sind die Oberbehörden ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Die Bestimmung räumt der jeweiligen Partei des Verwaltungsverfahrens aber - worauf schon im angefochtenen Bescheid zu Recht hingewiesen wurde - keinen Anspruch auf Ausübung dieses Aufsichtsrechtes ein (vgl. aus der jüngeren Zeit das hg. Erkenntnis vom 18. April 2007, 2006/13/0174). Das Unterlassen von auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes gerichteter Maßnahmen begründet daher auch keinen im Rahmen einer Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erfolgreich geltend zu machenden Verfahrensmangel.

Da der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG - der nach § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a letzter Satz EStG 1988 auch auf Kinderabsetzbeträge anzuwenden ist - nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, 98/13/0042), musste die belangte Behörde auch keine Billigkeitserwägungen anstellen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006150076.X00

Im RIS seit

19.03.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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