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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des WH in G, vertreten durch Mag. Dr. Rainer Beck, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Keesgasse 5/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 25. April 2005, GZ. RV/0443-G/04, betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte im Streitjahr neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Fahrradbote. In der der Einkommensteuererklärung 2002 angeschlossenen Einnahmen-Ausgaben-Aufstellung machte er Betriebsausgaben von EUR 4.522,86, davon EUR 4.153,67 Kilometergeld für die Fahrradbenutzung und EUR 369,19 Aufwand für das Fahrrad und Bekleidung, geltend.
Das Finanzamt anerkannte im Einkommensteuerbescheid 2002 Aufwendungen von EUR 166,14 als Betriebsausgaben. Dem geltend gemachten Kilometergeld wurde die Anerkennung versagt. In der Berufung verfolgte der Beschwerdeführer die Anerkennung des Kilometergeldes für die Fahrradbenutzung als Betriebsausgabe. In der Berufungsvorentscheidung, in der eine jährliche Abschreibung für Abnutzung von EUR 500,--, ausgehend von einer Nutzungsdauer von fünf Jahren und Anschaffungskosten von EUR 2.500,--, anerkannt wurde, wurde das geltend gemachte Kilometergeld nicht als Betriebsausgabe anerkannt.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Berufung ab. Den Streitpunkt bildet die Anerkennung der Kilometergelder für die Fahrradbenützung.
Die belangte Behörde führte dazu aus, es sei unbestritten, dass es sich um ein nicht überwiegend betrieblich genutztes Fahrrad handle. Werde ein Kfz überwiegend privat genutzt, sei der auf die betriebliche Nutzung entfallende Aufwand Betriebsausgabe. Als Schätzungshilfe für die tatsächlichen Aufwendungen könne auch das amtliche Kilometergeld herangezogen werden. Laufende Fahrtkosten könnten somit entweder mit den nachgewiesenen (anteiligen) tatsächlichen Kosten oder mit dem Kilometergeld nach § 26 Z. 4 lit. a EStG 1988 geltend gemacht werden. Ziehe man das amtliche Kilometergeld als Schätzungsmaßstab heran, so sei jedoch zu beachten, dass das Ziel der Schätzung, nämlich den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen, zu erreichen sei. Aus diesem Gebot ergebe sich, dass die amtlichen Kilometergelder nur dann als Schätzungsmaßstab herangezogen werden könnten, wenn die Schätzung damit zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führe. Das amtliche Kilometergeld dürfe dann nicht herangezogen werden, wenn es zu einer unvertretbaren Abweichung gegenüber den tatsächlichen Kosten führen würde. In solchen Fällen seien daher die nachgewiesenen (anteiligen) tatsächlichen Kosten anzusetzen.
Der Beschwerdeführer habe im Vorlageantrag behauptet, nur die "Aufwendungen aufgestellt" zu haben, für die ihm eine Rechnung vorgelegen sei. Die laufenden Aufwendungen seien daher nicht zur Gänze ermittelt worden. Im Vorhalteverfahren sei ihm daher die Möglichkeit gegeben worden, die tatsächlichen Kosten zu benennen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin - wie in der Beilage zur Einkommensteuererklärung für 2002 - die tatsächlichen Ausgaben in Höhe von EUR 369,19 angeführt. Vergleiche man diese Ausgaben mit dem als Schätzungsmaßstab herangezogenen Kilometergeld von EUR 4.153,67, so werde ein eklatantes Missverhältnis zwischen den geschätzten und den tatsächlich entstandenen Aufwendungen ersichtlich. Daraus folge, dass nur die tatsächlichen Kosten sowie eine anteilige Absetzung für Abnutzung zum Ansatz kommen könne.
Das Finanzamt sei von einer Jahres-AfA von EUR 500,-- ausgegangen. Aus dem vorgelegten Fahrtenbuch sei jedoch ersichtlich, dass das Fahrrad zu 56 % privat und 44 % betrieblich genutzt werde. Es könne daher auch nur eine anteilige AfA im Ausmaß von 44 %, das seien sohin EUR 220,-- anerkannt werden. Dieser Betrag und die mit EUR 369,19 angegebenen tatsächlichen Kosten seien daher als Betriebsausgabe anzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die grundsätzliche Berücksichtigung von Kilometergeld für die Fahrradbenützung bringe es mit sich, dass an Stelle der tatsächlichen Kosten Kilometergelder nach der Reisegebührenvorschrift geltend gemacht werden könnten. Gemäß § 4 Abs. 5 bzw. § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 seien Reisekosten ohne Nachweis ihrer Höhe als Betriebsausgaben anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z. 4 EStG ergebenden Beträge nicht überstiegen. Gemäß § 26 Z. 4 leg. cit. seien als Kilometergelder höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. In der Reisegebührenvorschrift seien auch die Kilometergelder für die Benützung von Fahrrädern geregelt. Dieses Regelungsgefüge lasse erkennen, dass der Gesetzgeber nicht nur den Ersatz der tatsächlichen Aufwendungen - wie etwa bei Kraftfahrzeugen den Treibstoff, Reparaturen, Versicherungen, Steuer, Abschreibung usw. - zu erreichen versucht habe, sondern durch die Zuerkennung von Kilometergeld auch den nicht belegbaren und oft auch nicht messbaren Substanzverzehr und Energieverbrauch habe abgelten wollen. Bei Radfahrern sei es im Gegensatz zu Benutzern von Kraftfahrzeugen größtenteils unmöglich, durch Vorlage von Belegen den Nachweis für den Energie- und Substanzverzehr zu erbringen. Nach der Reisegebührenvorschrift stünde dem Beamten auch bei Benützung eines unentgeltlich zur Verfügung gestellten Dienstrades eine Entschädigung von 25 % des Kilometergeldes zu. Damit werde zumindest in diesem Ausmaß einem erhöhten Energie- und Substanzverbrauch des Menschen beim Radfahren Rechnung getragen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich die Kosten eines Kraftfahrzeuges bei extrem hoher Kilometerleistung allenfalls degressiv darstellten, nicht dagegen beim Radfahren, wo der Substanz- und Energieverbrauch für jeden gefahrenen Kilometer gleich bleibe. Im Verfahren hätten die Aufwendungen für das Fahrrad nicht ermittelt werden können, weil die Kosten für Energie- und Substanzverbrauch nicht hätten belegt werden können. Der von der belangten Behörde angestellte Vergleich der tatsächlichen Kosten mit den Kilometergeldern könne daher "denklogisch" gar nicht angestellt werden.
Mit diesen Ausführungen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erfolgreich aufzeigen:
Nach § 4 Abs. 5 EStG 1988 sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich durch den Betrieb veranlassten Reisen als Betriebsausgaben anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z. 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. zählen zu den Werbungskosten auch Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z. 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen. Gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit:
"Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gewährt werden."
Diese Bestimmung enthält auch Regelungen über Obergrenzen für Kilometergelder, Tagesgelder und Nächtigungsgelder.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 1998, 97/15/0073, mit diesen Bestimmungen ausführlich auseinander gesetzt. Er ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass Fahrtaufwendungen sowohl im betrieblichen als auch im außerbetrieblichen Bereich stets in der tatsächlichen Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 lasse zwar nicht eindeutig erkennen, ob ihr Verweis auf § 26 Z. 4 leg. cit. neben den Tages- und Nächtigungsgeldern auch die Kilometergelder erfasse. Eine am Sachlichkeitsgebot orientierte Auslegung - das Gesetz definiere den Begriff der Reisekosten nicht - ergebe jedoch, dass Fahrtaufwendungen nicht unter den Reisekostenbegriff des § 16 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. fallen könnten. Es gebe keine sachlichen Gründe, bei Bemessung der Fahrtkosten danach zu unterscheiden, ob die Fahrt im Nahebereich verbleibe - diesfalls läge keine Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. vor - oder nicht. Der Verweis in § 16 Abs. 1 Z. 9 leg. cit. auf die Sätze des § 26 Z. 4 leg. cit. dürfe daher nur auf die Tages- und Nächtigungsgelder bezogen werden.
§ 4 Abs. 5 EStG 1988 regle die Reise im betrieblichen Bereich; die Regelung bringe klar zum Ausdruck, dass sie nur hinsichtlich der Tagesgelder und der Nächtigungsgelder auf § 26 Z. 4 leg. cit. verweise. Eine gesetzliche Sonderregelung für die Bemessung des Fahrtaufwandes - etwa im Fall der Benutzung eines überwiegend privat genutzten Pkws - bestehe nicht.
Gleichwohl könne das amtliche Kilometergeld in vielen Fällen zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führen. Bei höheren Kilometerleistungen würden sich die tatsächlichen Kosten für Fahrten mit dem eigenen Pkw im Hinblick auf den hohen Anteil an Fixkosten jedoch degressiv entwickeln. Bemesse man auch in solchen Fällen die Werbungskosten für Pkw-Fahrten mit dem amtlichen Kilometergeld, ergäbe sich hingegen ein lineares Ansteigen, welches immer mehr von den tatsächlichen Aufwendungen abweiche. Ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder bestehe aber auch nicht im Bereich der Werbungskosten.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer als selbständiger Erwerbstätiger für betriebliche Fahrten ein nicht zum Betriebsvermögen gehörendes Fahrrad verwendet. Die Auffassung des Beschwerdeführers, gemäß "§ 4 Abs. 5 bzw. § 16 Abs. 1 Z. 9" seien Reisekosten, soweit sie die sich aus § 26 Z. 4 leg. cit. ergebenden Beträge nicht übersteigen, als Betriebsausgaben anzuerkennen, erweist sich im Lichte der dargestellten Rechtsprechung als unrichtig. Nach der zitierten Judikatur sind Fahrtaufwendungen stets in der tatsächlich angefallenen Höhe als Betriebsausgaben (Werbungskosten) zu berücksichtigen. Auch ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen, wovon der Beschwerdeführer auszugehen scheint, besteht nach dem Gesagten nicht. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie nur die anteiligen tatsächlichen Kosten für die Benützung des Fahrrades als Betriebsausgabe anerkannt hat. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die Aufwendungen für Energie- und Substanzverbrauch nicht ermittelt worden seien und auch nicht hätten ermittelt werden können, geht insofern fehl, weil Verpflegungsaufwendungen zu den nicht abziehbaren Aufwendungen der Lebensführung zählen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. November 1995, 92/13/0164).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005150074.X00Im RIS seit
21.03.2008Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013