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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und den Senatspräsidenten Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der S B in L, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer, Dr. Stefan Hoffmann und Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 20. November 2002, Zl. RV 1664/1-8/2002, betreffend Rückforderung der erhöhten Familienbeihilfe u.a. für den Zeitraum 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 1999 sowie des Kinderabsetzbetrages für diesen Zeitraum, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit betreffend den Zeitraum 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 1999, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes wurden nach Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe die für die Tochter der Beschwerdeführerin, Michaela, geboren am 5. Juli 1979, bis dahin zuerkannte (erhöhte) Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 28. Februar 2001 zurückgefordert.
Begründet wurde die Rückforderung damit, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bestehe, wenn sie in einem Beruf ausgebildet werden. Da Michaela die Lehre am 27. November 1998 abgebrochen habe, bestehe ab Dezember 1998 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
In der dagegen erhobenen Berufung schilderte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausführlich den Krankheitsverlauf der bei ihrer Tochter aufgetretenen Krankheit (Bulimie) und übermittelte Unterlagen zum Beginn der Lehre Michaelas (als Einzelhandelskauffrau), deren Unterbrechung wegen der Krankheit sowie den "jetzt vorgesehenen Lehrabschluss als Bürokauffrau". Die Beschwerdeführerin sei sich "100 %ig sicher, weder leichtfertig, geschweige betrügerisch dieses Familienbeihilfegeld (für uns war dies das Überlebensgeld für Michaela) beansprucht zu haben".
Mit Berufungsvorentscheidung wurde der Berufung teilweise stattgegeben. Michaela leide laut ärztlicher Bescheinigung vom 29. Juni 1999 seit 1998 an Bulimie, der Grad der Behinderung sei mit 50 % festgesetzt worden. In der Zeit vom 2. Februar 1998 bis 27. November 1998 habe Michaela eine Lehre als Einzelhandelskauffrau absolviert. Im Zeitraum vom 23. November 1999 bis 12. April 2001 habe sie ein Arbeitstraining im Rahmen der beruflichen Rehabilitation im Bürobereich in einem Arbeitstrainingszentrum (ATZ) besucht. Ziel "dieser Maßnahme" sei die Integration "von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen am freien Arbeitsmarkt" gewesen. Seit 8. Oktober 2001 nehme Michaela am Kurs "Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung zur Bürokauffrau" teil. Voraussetzung hiefür sei, dass sie die halbe Lehrzeit (eineinhalb Jahre) als Praxis nachweisen könne. Da Michaela auf Grund der Zeiten im ATZ diesen Nachweis habe erbringen können, sei sie berechtigt, nach Kursende die Lehrabschlussprüfung "im Bürobereich" abzulegen. Die Zeit der beruflichen Rehabilitation im ATZ könne als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angesehen werden, zumal diese "Maßnahme" auch als Nachweis für den Besuch des Vorbereitungskurses gelte. Der Berufung sei daher "für den Zeitraum November 1999 bis Februar 2001" stattzugeben gewesen. Im Übrigen sei die Berufung aber als unbegründet abzuweisen gewesen.
In einer als Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu wertenden Eingabe der Beschwerdeführerin führte diese aus, Michaela habe ihre Ausbildung im Jahre 1998/1999 nicht infolge Faulheit bzw. Bequemlichkeit, sondern auf Grund ihres "äußerst lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes (mind. 50 % Behinderung) zwangsweise unterbrechen" müssen. Es werde daher gebeten, den "äußerst heiklen Fall erneut zu überarbeiten".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern teilweise Folge, als sie (wie das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung) für den Zeitraum November 1999 bis Februar 2001 von Rückforderungen Abstand nahm. Begründend ging auch die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG 1967 und unter Hinweis auf einen durch die Bulimie bestehenden Grad der Behinderung von 50 % davon aus, dass im Hinblick auf die "berufliche Rehabilitation im ATZ" die Voraussetzungen für die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe vorgelegen seien.
Im Übrigen (somit für den Zeitraum Dezember 1998 bis Oktober 1999) wies die belangte Behörde die Berufung ab. Diesbezüglich meinte sie, auf Grund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehörten Erkrankungen, welche die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrächen, genauso wie Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibe hingegen der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht bestehen, weil die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Im Beschwerdefall sei das Lehrverhältnis am 27. November 1998 wegen der Erkrankung "nicht unterbrochen, sondern abgebrochen" worden. Eine Fortsetzung dieser Berufsausbildung sei "nicht erfolgt". Damit lägen aber in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 1999 die Voraussetzungen für die "Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe" für Michaela nicht vor.
Gleiches gelte hinsichtlich der mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbeträge. Mangels Anspruches auf Familienbeihilfe habe in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 1999 auch kein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag bestanden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt die Beschwerde vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, wonach Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder hätten, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande seien, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dass der angefochtene Bescheid "dazu lapidar" feststelle, dass Michaela an Bulimie leide und der Grad der Behinderung mit 50 % festgesetzt, nicht aber bescheinigt worden sei, dass Michaela voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Auf Grund des in dieser Form festgestellten Sachverhaltes hätte die erhöhte Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbetrag für Michaela "auch für den Zeitraum 1. Dezember 1998 bis 31. Oktober 1999 gewährt werden müssen bzw. für diesen Zeitraum nicht zurückgefordert werden dürfen".
Mit diesem Vorbringen stellt die Beschwerdeführerin in den Raum, dass ihre Tochter voraussichtlich dauernd außer Stande gewesen sein könnte, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Sie behauptet damit allerdings weder, dass dieser Sachverhalt tatsächlich vorlag, noch, dass Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes für sie oder die Behörde erkennbar gewesen wären.
Im Übrigen ist aber das entsprechende, erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.
Soweit im angefochtenen Bescheid nach Ansicht der Beschwerdeführerin "lapidar" auf einen Grad der Behinderung von 50 % hingewiesen wird, betrifft dies lediglich die im stattgebenden Teil der Berufungsentscheidung gegebene Anspruchsvoraussetzung im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 hinsichtlich der erhöhten Familienbeihilfe.
Aber auch der Vorwurf eines wegen fehlender Feststellungen zur Frage, ob Michaela im Anspruchszeitraum auf Grund ihrer körperlichen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sein würde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bestehenden Begründungsmangels ist verfehlt. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass in dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Rückforderungsverfahren der auf die Berufsausbildung gestützte Anspruch auf Familienbeihilfe (und auf entsprechende Kinderabsetzbeträge) ausschließlich deswegen verneint wurde, weil die Tochter der Beschwerdeführerin ihre Berufsausbildung abgebrochen habe. Dass die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Familienbeihilfe (und entsprechende Kinderabsetzbeträge) jemals darauf gestützt hätte, dass Michaela voraussichtlich dauernd außer Stande sein würde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage durfte daher unterbleiben.
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid infolge eines Begründungsmangels als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde räumt nämlich, gestützt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ein, dass eine Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2000, 98/15/0001). Sie räumt weiter ein, dass hiezu Erkrankungen, welche die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrächen, genauso gehörten wie Urlaube und Schulferien. Auch in weiterer Folge beruft sich die belangte Behörde auf eine Aussage des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, 90/14/0108), wonach bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht bestehen bleibt, weil die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist. Im Anschluss daran leitet die belangte Behörde aber daraus ohne nähere Begründung ab, dass das Lehrverhältnis am 27. November 1998 "wegen der Erkrankung nicht unterbrochen, sondern abgebrochen" worden sei, und fügt an, eine "Fortsetzung dieser Berufsausbildung erfolgte nicht". Welche Gründe die belangte Behörde zu dieser Beurteilung gelangen ließen, wird nicht aufgezeigt. Eine entsprechende Begründung wäre aber nicht zuletzt deswegen geboten gewesen, weil im angefochtenen Bescheid (im stattgebenden Teil der Berufungsentscheidung) davon ausgegangen wurde, dass in der Zeit der beruflichen Rehabilitation im ATZ (23. November 1999 bis 12. April 2001) - somit nach dem zweifellos krankheitsbedingten Unterbleiben der zuvor begonnenen Berufsausbildung - die Voraussetzungen für die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorlagen, also eine Berufsausbildung erfolgte. Das Vorliegen einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der Berufsausbildung im Sinne der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung ist im Beschwerdefall im Übrigen nicht zu erkennen.
Der angefochtene Bescheid war im Umfang seiner Anfechtung daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008150067.X00Im RIS seit
19.03.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008