TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2007/08/0219

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z4;
AlVG 1977 §10 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des WS in W, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 3. August 2007, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-1255, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Redergasse vom 20. April 2007 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 19. April bis zum 30. Mai 2007 den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG verloren habe.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und zugleich ausgesprochen, dass Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht gewährt werde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung im Wesentlichen vorgebracht habe, dass er von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen worden sei. Derzeit sei dieses Verfahren (gemeint: die gerichtliche Anfechtung seiner Entlassung durch den Beschwerdeführer) "beim Arbeits- und Sozialgericht im Stadium der Berufung". Mit der Klage begehre der Beschwerdeführer die Feststellung, dass das Dienstverhältnis zur Stadt Wien weiterhin aufrecht sei. Sollte sich herausstellen, dass die Entlassung zu Unrecht ausgesprochen worden sei, würde er das bezogene Arbeitslosengeld zurückzahlen. Es handle sich hierbei um einen komplizierten Sachverhalt, den der Beschwerdeführer auf Grund seiner 60 %igen Behinderung nicht richtig interpretiert habe.

In einer am 19. April 2007 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommenen Niederschrift habe der Beschwerdeführer angegeben, dass ihm von seinem Rechtsanwalt die Information gegeben worden sei, dass er während des Verfahrens (betreffend die Entlassung aus dem Gemeindedienst) keine Arbeit annehmen dürfe.

Im Zuge des Berufungsverfahrens sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer am 22. März 2007 von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice niederschriftlich aufgefordert worden sei, bis zum 21. September 2007 zumindest eine eigeninitiative Bewerbung pro Woche glaubhaft zu machen. In der Niederschrift sei der Beschwerdeführer auch darauf hingewiesen worden, dass die Überprüfung seiner Bewerbungsaktivitäten anlässlich der Kontrollmeldetermine erfolgen werde. Der Beschwerdeführer habe sich bis zum nächstfolgenden Kontrollmeldetermin am 19. April 2007 bei keiner Firma beworben.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG sei arbeitswillig, wer bereit sei, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zugewiesene zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Wenn die arbeitslose Person auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage sei, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, so verliere sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Jeder Bezieher einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung sei verpflichtet, eigeninitiativ Bewerbungen zu tätigen und im gegebenen Fall auch eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Dies sei unabdingbare Voraussetzung für einen Leistungsbezug. Sollte der Beschwerdeführer daher auf Grund des anhängigen Verfahrens beim Arbeits- und Sozialgericht tatsächlich keine Beschäftigung annehmen können, wäre ein Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht mehr gegeben. Der Beschwerdeführer habe durch Unterfertigung der Niederschrift vom 22. März 2007 wirksam dokumentiert, dass er deren Inhalt zur Kenntnis genommen habe. Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit bestünden nicht, zumal auch der psychologische Dienst festgestellt habe, dass keine psychischen Einschränkungen in gravierendem Ausmaß bestünden. Der Beschwerdeführer habe, von ihm nicht bestritten, innerhalb eines Monats keine einzige Bewerbung getätigt. Seine Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung seien daher bezogen auf die Dauer seiner Arbeitslosigkeit und die Situation am Arbeitsmarkt nicht ausreichend im Sinne des § 10 AlVG. Mangels Nachweises ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung sei ein Leistungsverlust von sechs Wochen auszusprechen. Für berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG, aus denen von der Verhängung dieser Sanktion abgesehen werden könnte, würden sich weder im Sachverhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers Anhaltspunkte ergeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem einfachgesetzlichen Recht auf Bezug der gesetzlich vorgesehenen Arbeitslosenunterstützung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005, lautet - soweit hier maßgebend - wie folgt:

"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält, 2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und 3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt.

(4) Von der Voraussetzung der Arbeitsfähigkeit ist bei Arbeitslosen abzusehen, denen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation gewährt wurden, die das Ziel dieser Maßnahmen (§ 300 Abs. 1 und 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) erreicht und die erforderliche Anwartschaft nach dieser Maßnahme zurückgelegt haben."

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht der Behörde, dass er keine Anstrengungen zur Erlangung einer neuen Beschäftigung unternommen habe. Er führt dazu jedoch aus, dass es in dem von ihm geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren darum gehe, eine ungerechtfertigt erfolgte Entlassung anzufechten, und es daher zu vermeiden gelte, dass ein weiteres Verhalten gesetzt werde, das vielleicht nachträglich die Entlassung noch rechtfertige. Nach gängiger arbeitsrechtlicher Lehre und Rechtsprechung liege ein Entlassungsgrund vor, wenn durch eine andere Beschäftigung oder auch nur Nebenbeschäftigung die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers so eingeschränkt werde, dass sie nicht mehr voll und ganz dem eigentlichen Arbeitgeber zur Verfügung stehe. Es sei somit arbeitslosenversicherungsrechtlich nicht möglich, dem Leistungsberechtigten "ein Verhalten zu oktroyieren", das wiederum die Entlassung, welche im arbeitsrechtlichen Verfahren angefochten werde, nachträglich rechtfertige. Allein aus diesem Grunde habe der Beschwerdeführer keine Aktivitäten gesetzt, sich eine Arbeit zu suchen. Darin sei jedenfalls ein rechtlich vertretbares Verhalten zu sehen und dies könne nicht nach sich ziehen, dass die Arbeitslosenunterstützung "nur deshalb" verloren gehe. § 10 Abs. 3 AlVG biete in Zusammenschau mit dem allgemeinen Arbeitsrecht eine gute Grundlage, um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen. Nach dieser Bestimmung sei in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung, nach Anhörung des Regionalbeirates teilweise von Maßnahmen nach § 10 Abs. 1 AlVG abzusehen. Der Aufnahme einer anderen Beschäftigung könne jedenfalls auch die zweckgerichtete Prozessführung, um sich einen Arbeitsplatz zu erhalten, gleichgesetzt werden. Der Beschwerdeführer habe durch die hier angesprochene Prozessführung "jedenfalls nicht das Arbeitslosenversicherungsrecht in irgendeiner Form verletzt".

3. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Auch das Beschwerdevorbringen stellt nicht in Frage, dass der Beschwerdeführer keine Aktivitäten gesetzt hat, sich eine Arbeit zu suchen.

Die belangte Behörde hat die mangelnde Eigeninitiative des Beschwerdeführers zum Anlass genommen, den Verlust des Arbeitslosengeldanspruchs gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auszusprechen. Nach dieser Bestimmung verliert die arbeitslose Person, wenn sie auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z. 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es kann dabei keinem Zweifel unterliegen, dass eine grundsätzliche und nachhaltige Weigerung, auch in Eigeninitiative eine Beschäftigung zu suchen, im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG zum Verlust des Anspruchs in der dort vorgesehenen Dauer führt, zumal dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers keinen Zweifel daran lässt, dass seine Anstrengungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG keinesfalls "ausreichend" waren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0337).

4. Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruchs gemäß § 10 Abs. 1 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. Von einem derartigen berücksichtigungswürdigen Grund kann jedoch dann nicht die Rede sein, wenn sich der Beschwerdeführer - wie dies die belangte Behörde im vorliegenden Fall festgestellt hat - auch nach entsprechender Belehrung generell weigert, Eigeninitiative zu entwickeln.

5. Die Beschwerdeausführungen legen nahe, dass der Beschwerdeführer sich nicht bloß - allenfalls zeitlich befristet - geweigert hat, selbst Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung zu zeigen, sondern dass er darüber hinaus auch nicht bereit gewesen wäre, eine ihm zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, da er in diesem Fall nachteilige Folgen für das anhängige arbeitsgerichtliche Verfahren befürchtet hätte. Das - bereits im erstinstanzlichen Verfahren bzw. in der Berufung erstattete - diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers würde nicht bloß auf eine Weigerung, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, hindeuten, sondern auf eine dem Beschwerdeführer grundsätzlich mangelnde Arbeitswilligkeit und damit Verfügbarkeit im Sinn des § 7 AlVG. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer - wie er behauptet - um der Erhaltung seiner Prozesschancen im arbeitsgerichtlichen Verfahren willen keine Beschäftigung annehmen kann, würde am Fehlen seiner Verfügbarkeit im Sinne des § 7 AlVG nichts ändern. Durch den angefochtenen Bescheid ist der Beschwerdeführer aber dennoch nicht in dem von ihm geltend gemachten Recht auf Bezug des Arbeitslosengeldes verletzt, da er auch im Fall der mangelnden Verfügbarkeit - welche nach dem Beschwerdevorbringen jedenfalls über den Zeitraum, für den der Verlust des Arbeitslosengeldanspruches ausgesprochen wurde, hinaus ging - keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt hätte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080219.X00

Im RIS seit

08.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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