TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2006/08/0249

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der J W in G, vertreten durch Dr. Christian Hadeyer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Juli 2006, Zl. SV(SanR)-410158/6-2006-Sax-Gu, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens über eine Beitragsnachverrechnung und einen Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 13. September 2002 im Instanzenzug festgestellt, dass G.W. in der Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 31. August 1996 bei der Beschwerdeführerin hinsichtlich seiner Tätigkeit als Tankwart, Servicemann und Techniker in einem der Pflichtversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnis stand. Die dagegen von G.W. und der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof hat dieser mit Erkenntnis vom 22. September 2004, Zlen. 2002/08/0257 und 0258, als unbegründet abgewiesen.

Mit Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. November 2002 wurde die Beschwerdeführerin zu einer Beitragsnachzahlung und zur Entrichtung eines Beitragszuschlages auf Grund der oben genannten Tätigkeit des G.W. verpflichtet. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2005, Zl. 2003/08/0012, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin brachte am 18. August 2004 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse den Antrag zum Betreff "Beitragsnachverrechnungen 1995 bis 1998 zu Kontonummer 0121740705" auf

"Aufhebung/Rückrechnung der Beitragsschuld

a)

infolge unrichtig angenommener Beweislage durch die Kasse

b)

und wegen neuer Beweise (Zeugenaussagen) meiner ehemaligen Dienstnehmer"

ein. Weiters begehrte sie die Rückzahlung bisher entrichteter Raten und die Aussetzung der Einhebung.

Dieser Antrag wurde von der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz inhaltlich als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung von G.W., welches mit dem oben genannten Bescheid vom 13. September 2002 abgeschlossen worden war, gewertet. Mit Bescheid vom 6. April 2006 gab die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz dem Antrag keine Folge. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0194, als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 2005 brachte die Beschwerdeführerin eine "Wiederholung meiner Anträge vom 18.8.2004 auf Aufhebung/Rückrechnung der Beitragsschuld" ein.

Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2006 beantragte die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch den Beschwerdevertreter, in einem Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse "über alle offenen Anträge bescheidmäßig abzusprechen".

Nach einer Aufforderung zur Konkretisierung seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 17. Februar 2006 stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz des Beschwerdevertreters vom 27. Februar 2006 ausdrücklich den Antrag, über "die Anträge vom 18. 08. 2004", die in diesem Schriftsatz wiederholt wurden, bescheidmäßig abzusprechen.

Mit persönlicher Eingabe der Beschwerdeführerin vom 18. April 2006 wiederholte sie das "Begehren auf Aufrollung der Beitragsschuld der Höhe nach" und verlangte die "Behebung von Berechnungsfehlern in der Beitragsnachverrechnung im Sinne AVG § 69 Abs. 1 Ziff. 3 gemäß Bescheid des BMSG GZ: 124.466/3-6/02 v. 13.9.2002 Beitragsverfahren SV(SanR)-410158/1-1998".

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. August 2004 "(Wiederholung des Antrages mit Schreiben vom 18.4.2006)" auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. November 2002 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend Beitragsnachverrechnung und Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und 3 AVG nicht stattgegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz habe mit Bescheid vom 13. September 2002 über die Versicherungspflicht entschieden. Die Beitragsgrundlage sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich im Sinne des rechtskräftigen Vorfragenbescheides festgestellt worden. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren über die Versicherungspflicht ausdrücklich abgewartet. Es liege somit keine Vorfrage vor, über die nachträglich von der zuständigen Behörde in wesentlichen Punkten anders entschieden worden sei. Zur Feststellung, dass keine neuen Tatsachen und Beweise hervorgekommen seien, werde auf die ausführliche Begründung im Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 6. April 2006 verwiesen. Außerdem habe die Beschwerdeführerin keine Umstände, die für die Einhaltung der Frist von zwei Wochen, die mit dem Zeitpunkt beginne, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlange, vorgebracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG bildet es auch einen Wiederaufnahmegrund, wenn der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist.

Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.

Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. August 2004 als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag gewertet. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass sich dieser Antrag auf Grund seiner undeutlichen Formulierung nicht nur auf das Verfahren betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung (vgl. dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0194), sondern offenbar auch auf das Verfahren betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag bezogen hat. Es verschlägt daher nichts, dass über diesen Antrag bereits mit Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 6. April 2006 insoweit, als er (auch) das Verfahren betreffend die Pflichtversicherung zum Gegenstand hatte, entschieden worden ist.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung handelt es sich bei den Eingaben der Beschwerdeführerin vom 8. Februar 2006 und vom 27. Februar 2006 um keine weiteren eigenständigen Anträge. Wie sich nämlich aus dem Wortlaut dieser Eingaben ergibt, wurde damit lediglich der bescheidmäßige Abspruch über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. August 2004 begehrt. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin daher nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, weil kein ausdrücklicher Abspruch über die beiden Eingaben vom Februar 2006 erfolgt ist.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass eine Manuduktionspflicht der belangten Behörde bestanden habe, der die belangte Behörde nicht nachgekommen sei, ist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe im genannten hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006 zu verweisen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat im Übrigen die belangte Behörde über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die "Rückrechnung der Beitragsschuld" inhaltlich abgesprochen. Dazu, dass dieser Abspruch rechtens erfolgte, weil hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin beantragten Zeugeneinvernahmen kein Wiederaufnahmetatbestand erfüllt war, ist ebenfalls auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006 zu verweisen.

Dass der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG nicht vorgelegen ist, wird in der vorliegenden Beschwerde nicht bestritten.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006080249.X00

Im RIS seit

07.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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