TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2007/08/0010

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §7 Abs3 Z2 idF 2003/I/071;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
B-VG Art140 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des A S in Wien, vertreten durch MMag. Boris Steinmair, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Oktober 2006, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-9912, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach rechtskräftiger Aberkennung des Asylrechts mit Wirksamkeit vom 13. Februar 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer - einen Staatsangehörigen des Iran - ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt; die Abschiebung wurde jedoch immer wieder - zuletzt bis 22. Mai 2007 - aufgeschoben.

Während eines Haftaufenthaltes vom 5. August 2004 bis zum 22. Mai 2006 erwarb der Beschwerdeführer gemäß § 66a AlVG Versicherungszeiten in der Arbeitslosenversicherung.

Am 22. Mai 2006 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung, über welchen bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entschieden worden ist.

Am 29. Mai 2006 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld, welcher mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Dresdner Straße, vom 1. August 2006 abgewiesen wurde.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine aufenthaltsrechtliche Position, die ihn in die Lage versetzen würde, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen und auszuüben. Das Vorliegen eines Aufenthaltstitels sei von ihm auch nicht behauptet worden. Der Abschiebungsaufschub ersetze einen Aufenthaltstitel nicht. Daher sei die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 7 Abs. 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 lautet:

"(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und

3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Wanderarbeitnehmerverordnung) lautet:

"Persönlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene."

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dass es bei richtiger Auslegung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG für die Verfügbarkeit ausreiche, sich berechtigt im Bundesgebiet aufzuhalten, und zwar in der Absicht, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen hat. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2005, Zl. G 61/05, die vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken gegen die Neufassung dieser Bestimmung verworfen und ausgeführt, dass durch die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 71/2003 das versicherte Risiko jedenfalls sachlich abgegrenzt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/08/0211, mwN).

Durch die Neufassung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG durch die Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 wurde die Verknüpfung zwischen der Aufenthaltsberechtigung zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung mit der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung nicht aufgegeben. Auch nach dieser Neufassung kommt es nicht auf die subjektive Absicht des Betroffenen an, im Inland eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen, sondern darauf, dass seine Berechtigung zum Aufenthalt die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme in rechtlicher Hinsicht abdeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0020).

Vor diesem Hintergrund erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung, der Beschwerdeführer sei mangels eines entsprechenden Aufenthaltstitels nicht verfügbar, als zutreffend. Das Vorliegen eines (befristeten) Abschiebungsaufschubs führt nicht dazu, dass der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel verfügt, der ihm die Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich gestattet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, Zl. 2006/08/0306).

Soweit der Beschwerdeführer grundrechtliche Erwägungen für die von ihm vertretene Auslegung ins Treffen führt, ist er darauf das zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem schon zitierten Erkenntnis vom 1. Oktober 2005 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung des Anspruches auf Arbeitslosengeld auf Personen mit aufenthaltsrechtlicher Berechtigung zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung gehabt hat.

Der Beschwerdeführer beruft sich auch darauf, dass Strafgefangene als Arbeitnehmer im Sinne der Wanderarbeitnehmerverordnung gelten. Daher seien die Prinzipien und Wertungen des Gemeinschaftsrechts, etwa auch die Charta der Grundrechte (insbesondere der Eigentumsschutz gemäß Art. 17, das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 21 sowie die Verbürgungen im Zusammenhang mit sozialer Sicherheit und sozialer Unterstützung gemäß Art. 34) zu berücksichtigen. Angesichts dieser gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen sei § 7 AlVG so auszulegen, dass ihm Arbeitslosengeld zustehe.

Aus dem Verweis auf die Wanderarbeitnehmerverordnung 1408/71 (EWG) ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts zu gewinnen:

Gemäß ihres Art. 2 Abs. 1 findet die Verordnung auf ihn nämlich keine Anwendung, da er weder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist noch als Staatenloser oder Flüchtling im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnt.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080010.X00

Im RIS seit

15.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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